5926/J XXIV. GP

Eingelangt am 05.07.2010
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend Regierungspläne in Sachen Bundes-Raumordnung

 

Im Regierungsübereinkommen von SPÖ und ÖVP für die laufende Periode 2008-2013 ist als Vorhaben „eine Reform der Raumordnung, mit dem Ziel einer Rahmenkompetenz des Bundes“ enthalten. Es ist in diesem Zusammenhang auch davon die Rede, dass es entsprechender Verhandlungen mit den Ländern bedürfe.

 

Inhaltlich müsste es hierbei insbesondere um eine Informations-, Koordinations- und Kooperationsverpflichtung bei raumwirksamen Planungen und Maßnahmen zwischen den Gebietskörperschaften sowie um die politische Verantwortung für die Außenvertretung der raumentwicklungspolitischen Interessen Österreichs etwa Richtung EU gehen.

 

Bisher ist von konkreten Umsetzungsaktivitäten dieses wichtigen und begrüßenswerten Regierungs-Vorhabens – mit Ausnahme der möglichen Aufnahme einer korrespondierenden Formulierung in das kurz vor Fertigstellung stehende, allerdings unverbindliche Österreichische Raumentwicklungskonzept (ÖREK) 2011 – noch nichts bekannt geworden.

 

Im Grundsatzartikel „Krise der Raumplanung – aus der Sicht der Praxis in Österreich“, verfasst vom Doyen der österreichischen Raumplanung Friedrich Schindegger und veröffentlicht in Band 151/2009 der angesehenen „Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft“, wird das grundsätzliche Dilemma für Raumplanung und Raumordnung in Österreich in diesem Zusammenhang treffend ausgeführt:

„Hinderlich für die Selbstertüchtigung der Raumplanung war und ist (…) vor allem eine politische Kultur in Österreich, die ganz allgemein von einer ausgesprochenen Planungsphobie gekennzeichnet ist. Planung wird demnach nicht als politisches Instrument begriffen, sondern als Beschränkung des politischen (spontanen) Handlungsspielraums, als Hindernis für den traditionell praktizierten ad-hoc-Reaktionismus. Die politische Mode der Deregulierung lieferte dafür auch noch die ideologische Rechtfertigung. (…) Während in der europäischen Raumentwicklungspolitik das Prinzip einer evidence-based policy gepredigt wird, muss man in Österreich eigentlich von einer evidence-ignoring policy sprechen – was im Übrigen auch in anderen politischen Aufgabenbereichen zu beobachten ist. Im Übrigen wird die dahinter liegende verwirrende Kompetenzlage nicht als Problem erkannt. Sie bildet vielmehr die willkommene Arena für die machtpolitischen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Planungsträgern. (…) Auch im Bereich der Raumentwicklungspolitik zeigt sich damit der (…) generell zu beobachtende Trend zur Umkehrung der Ziel-Mittel-Verhältnisse in der Politik. Nicht die Ziele sind es, denen sich eine Politik mit ihrem Instrumentarium verpflichtet, sondern die Ziele werden disponibel und zum Instrument einer ausschließlich machtorientierten Politik. In dieser Situation läuft Raumplanung Gefahr, mit ihren Zukunftsbildern zur Auslagendekoration für ein politisches Geschäft zu verkommen, das im Hinterzimmer auf banale Weise die üblichen Einzelinteressen verfolgt.“


Weiter betont Schindegger, wie wichtig es wäre, eine Vorstellung darüber zu entwickeln, wie Gemeinwohl oder wie allgemein akzeptierte Grundwerte wie Solidarität und Gerechtigkeit im Raum umzusetzen wären, die Raumordnung als „räumliche Gemeinwohlvorsorge schlechthin“ zu stärken – auch weil gerade an den Problemen „im Raum“ leicht verständlich gemacht werden könne, worum es beim Gemeinwohl gehe: „Gemeinwohl ist ganz offensichtlich nicht die Summe der Einzelinteressen“, wie an Beispielen aus dem Siedlungswesen, des Tourismus oder des Verkehrs illustriert wird. „Es ergibt sich ja auch aus der Summe der Gemeindeinteressen nicht das Landesinteresse – und so verhält es sich auch auf der Bundesebene.“

 

Zur damit in ihrer zentralen Bedeutung klargestellten Kompetenzfrage wird in diesem Artikel unter anderem festgehalten: „Die nationale Ebene ist durch die fehlende Raumplanungskompetenz gekennzeichnet – es gibt auch keine Rahmenkompetenz – um nicht zu sagen davon gezeichnet. Es gibt auch keine gesetzliche Verpflichtung zur Fachplanung jenseits der unmittelbaren Projektplanungsebene (etwa bezüglich der Verkehrsinfrastruktur). Im Rahmen der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK), der zuständigen gemeinsamen Plattform aller Gebietskörperschaften, kann die unkoordinierte Praxis der Raumentwicklungspolitik bestenfalls vergleichend dargestellt, aber nicht harmonisiert werden. Die ÖROK kann auch die Lücke der fehlenden Verantwortung auf der gesamtstaatlichen Ebene nicht füllen. Sie ist eine auf Konsens angewiesene Koordinationsplattform (…).“ Weiters wird noch festgestellt: „Monitoring und Erfolgskontrolle fehlen in der österreichischen Raumplanung völlig.“

 

Es wird auch auf die resultierenden operativen und inhaltlichen Mängel im Hinblick auf die Europäische Raumentwicklungspolitik hingewiesen: „Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch darauf zu verweisen, dass mit der wachsenden Integration Österreichs in die Europäische Union und deren zunehmendem raumentwicklungspolitischen Engagement sich folgende Lücke im österreichischen Raumordnungsrecht als fatal erweist: Für die Wahrnehmung österreichischer Interessen im Rahmen der europäischen Raumentwicklungspolitik der Europäischen Union verfügt die Republik auf gesamtstaatlicher Ebene über keine Zuständigkeit und damit auch über keine politische Verantwortung für den „territorialen Zusammenhalt“, der im Vertrag von Lissabon zu einer „von der Union mit den Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeit“ erklärt wird.“

 

Zusammenfassend hält der Artikel zu den Mängeln fest: „Diesen unzulänglichen Rechtsgrundlagen der Raumentwicklungspolitik wird nach wie vor mit legislativer Tatenlosigkeit begegnet: Raumordnung war kein Thema des Verfassungskonvents in der vorletzten Legislaturperiode und keines der sogenannten Staats- und Verwaltungsreform in der letzten. Im Programm der derzeitigen Bundesregierung finden sich zwar einige bemerkenswerte Aussagen zur Staatsaufgabe Raumordnung. (…) Es gibt jedoch keinerlei Anzeichen dafür, dass diesbezügliche Taten folgen werden – im Schatten der „großen Krise“ schon gar nicht.“

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Welche konkreten Ziele verfolgen Sie hinsichtlich einer „Reform der Raumordnung, mit dem Ziel einer Rahmenkompetenz des Bundes“?

 

2. Welche Aktivitäten haben Sie oder Ihre zuständigen KollegInnen im Bundeskanzleramt seit Amtsantritt im Einzelnen konkret gesetzt, um das im Regierungsübereinkommen enthaltene Vorhaben einer „Reform der Raumordnung, mit dem Ziel einer Rahmenkompetenz des Bundes“ umzusetzen?


3. Welche konkreten Verhandlungen mit den Bundesländern haben Sie dazu insbesondere – den Formulierungen im Regierungsübereinkommen folgend – wann mit welchem Ergebnis geführt?

 

4. Falls Sie – abgesehen von den Diskussionen im Hinblick auf das ÖREK 2011 – (noch) keine Aktivitäten gesetzt haben – warum nicht?

 

5. Falls Sie – abgesehen von den Diskussionen im Hinblick auf das ÖREK 2011 – (noch) keine Aktivitäten gesetzt haben – wann werden Sie in diesem wichtigen Politikfeld tätig werden?

 

6. In welcher Form soll das Thema einer Bundes-(Rahmen)-Kompetenz für Raumordnung/Raumplanung Aufnahme in das ÖREK 2011 finden?

 

7. Wie und wann werden Sie in der Umsetzung des bereits in Kraft getretenen EU-Vertrags von Lissabon der Tatsache Rechnung tragen, dass dieser das Ziel des „Territorialen Zusammenhalts“ zu einer „von der Union mit den Mitgliedstaaten geteilten Zuständigkeit“ erklärt, es hierfür mangels Bundeskompetenz aber derzeit keine zentrale politische Verantwortung für die Außenvertretung gibt, obwohl es hier um die konzeptionelle Basis und politische Mitverantwortung für das zweitgrößte Budget der Europäischen Union geht?

 

8. Welche Ergebnisse haben Sie in diesem Sinne bereits zB im Austausch mit EU-Regionalkommissar Hahn erzielt?

 

9. Bis wann kann der Nationalrat mit der Zuleitung eines Vorschlags für eine bundesgesetzliche „Reform der Raumordnung, mit dem Ziel einer Rahmenkompetenz des Bundes“ durch Sie als zuständiges Regierungsmitglied rechnen?