6048/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.07.2010
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend Abkommen über Datenübermittlungen an US Behörden

 

 

Im Bericht des Bundeskanzlers zum Jahresprogramm der EU-Kommission 2010 und zum 18-Monatsprogramm der Rates für 2010/2011 (III-140 d.B.) nehmen Sie in Kapitel VI – Datenschutz auch auf die Bemühungen um ein Rahmenabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA Bezug, begrüßen diese und fordern hohe Datenschutzstandards (Seite 25f):

 

Ziel: Eine weitere Initiative im Bereich des Datenschutzes ist eine Empfehlung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen der EU mit den USA über ein Datenschutzabkommen und gegebenenfalls über ein Abkommen über den Informationsaustausch zu Strafverfolgungszwecken (vgl dazu bereits das Stockholm Programm zu den Maßnahmen der Europäischen Union im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht für den Zeitraum 2010–2014, in dem die Kommission zur Vorlage von Empfehlungen aufgefordert wird). Damit soll Rechtssicherheit bei der Datenverarbeitung in der Europäischen Union bzw. den USA geschaffen werden.

 

Aktueller Stand: Auf Initiative des Koordinators für Terrorismusbekämpfung De Kerchove wurde seit 2008 über die Möglichkeit eines EU/US-Rahmenabkommens zum Datenschutz diskutiert, um ein Regelungswerk zu schaffen, welches einem Datenaustausch zwischen der EU und den USA zugrunde liegt. Für De Kerchove stand im Vordergrund, ein Dokument zu erarbeiten, über das sich, unabhängig von seinem rechtlichen Status, beide Seiten zumindest politisch einig sind, um auf diese Weise das gegenseitige Vertrauen zu stärken und den Datenaustausch zwischen den europäischen und den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden zu intensivieren. Im Rahmen einer Hochrangigen Kontaktgruppe EU-US zu Datenschutz und Datenaustausch wurden zunächst zwölf gemeinsame Datenschutzgrundsätze erarbeitet.


In weiterer Folge startete die Kommission Anfang Februar 2010 eine öffentliche Konsultation über ein Abkommen mit den USA zum Datenschutz und Informationsaustausch. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Konsultation bereitet die für Recht, Freiheit und Sicherheit zuständige Generaldirektion der EU-Kommission derzeit Empfehlungen zur Verhandlung eines solchen Abkommens vor, die voraussichtlich im Mai oder Juni vorgelegt werden sollen.

 

Österreichische Position:

Das geplante Datenschutzabkommen zwischen EU und USA wird begrüßt, sofern es ein hohes Datenschutzniveau gewährleistet. Ziel der Bemühungen sollte sein, ein förmliches Abkommen zwischen EU und USA abzuschließen, das Rechtsschutzbestimmungen enthält, die in etwa dem europäischen Standard entsprechen.

 

Hintergrund dieser Bemühungen sind verschiedene Vorfälle der letzten Jahre, in denen sich schwerwiegende Unterschiede in den Datenschutzsystemen der EU und der USA gezeigt haben. So gewähren etwa die diesbezüglichen Vorschriften in den USA ausschließlich US-StaatsbürgerInnen subjektive Rechte und Rechtsschutzmöglichkeiten (zB Klagen) bei Verletzung ihrer Datenschutzinteressen. Angehörige anderer Staaten, also auch ÖsterreicherInnen, bleiben von diesen Rechten ausgeschlossen. Sowohl beim SWIFT Abkommen als auch bei anderen Fragen der Datenübermittlung an die USA, insbesondere im Bereich Justiz und Inneres, bestehen höchst problematische Rechtsschutzlücken.

 

Angesichts dieser Umstände ist eine möglichst starke Verhandlungsposition nötig, um für die europäischen BürgerInnen ein Maximum an Datenschutz zu garantieren und gleichzeitig überbordende Erfassungsinteressen von US-Seite abwehren zu können. Eine solche starke Position können derzeit nur Verhandlungen auf EU-Ebene bieten. Die Bemühungen um ein strenges Rahmenabkommen sind daher durchaus zu begrüßen, wenn auch hinsichtlich der erzielbaren Ergebnisse aufgrund der bisherigen Positionen von US-Seite allergrößte Skepsis angebracht erscheint.

 

Diese wichtigen Verhandlungen auf europäischer Ebene drohen jedoch durch systematische Parallelverhandlungen der Vereinigten Staaten auf bilateraler Ebene mit einzelnen Mitgliedstaaten der EU unterlaufen zu werden. Österreich ist hier leider keine Ausnahme.

 

Wie zuletzt etwa am 31.5.2010 die Tageszeitung „Der Standard“ berichtete, verhandelt die USA mit Österreich seit Juni über die Online-Weitergabe von Polizeidaten wie etwa Fingerabdrücke, DNS-Spuren usw. Nach wie vor offen sind auch Verhandlungen über eine Teilnahme Österreichs an der „Terrordatenbank“ TSDB (Terrorist Screening Database) der USA, welche bereits im März 2009 Gegenstand breiter medialer Berichterstattung waren. In dieser Datenbank werden Personen gespeichert, die verdächtig sind, mit Terrorismus in Verbindung zu stehen. Personen in der Datenbank müssen bei Reisen mit massiven Schwierigkeiten bis hin zu Einreiseverboten rechnen.

 

Diese bilateralen Verhandlungen gefährden die europäische Verhandlungsposition um die Sicherung eines effektiven Datenschutzrechtes im Interesse der österreichischen BürgerInnen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Wie ist der aktuelle Stand der Bemühungen um ein Datenschutzrahmenabkommen zwischen den USA und der EU?
  2. Wurde über die diesbezüglichen Vorschläge der Kommission im Rat bereits abgestimmt?
  3. Haben Sie dabei bzw. werden Sie dabei die Position vertreten, dass individuelle, durchsetzbare Rechte in den USA auch für Nicht-US-BürgerInnen sowie wirksame Rechtsschutzverfahren im Bereich des Datenschutzes unabdingbare Voraussetzung für jegliche Datenübermittlung an die USA sind?
  4. Hat die USA diesbezüglich Bereitschaft für ein Entgegenkommen gezeigt?
  5. Wie rechtfertigen Sie die derzeit auf bilateraler Ebene zwischen Österreich und den USA stattfindenden Verhandlungen über die Weitergabe von Polizeidaten sowie eine mögliche Teilnahme an der „Terrorist Screening Database“ im Hinblick auf das angestrebte EU-USA Rahmenabkommen?
  6. Sehen Sie die Gefahr, dass die europäischen Bemühungen um ein hohes Datenschutzniveau durch bilaterale Abkommen unterlaufen werden?
  7. Beabsichtigen Sie vor dem Abschluss der bilateralen Abkommen die Ergebnisse der Verhandlungen auf europäischer Ebene abzuwarten?
  8. Der Austausch von Daten wie Fingerabdrücken, DNS-Spuren, Kennzeichendaten usw. wurde in Europa zunächst durch das  Abkommen von Prüm geregelt und mittlerweilte in EU-Recht übergeführt. In diesem Abkommen sind zur Wahrung der Rechte Betroffener diverse Sicherheitsvorschriften (Protokollierungen, Löschungen, Auskunftspflichten etc.) vorgesehen. Das Abkommen bietet dennoch zahlreiche datenschutzrechtliche Probleme. Diese würden durch die große Entfernung zu den USA und das unterschiedliche Rechtssystem noch dramatisch verschärft. Vertritt Österreich in den Verhandlungen mit den USA die Position, dass in einem allfälligen Abkommen strengere Datenschutzregeln als im Prümer Vertrag, gleich strenge Regeln, oder lockerere Regeln enthalten sein sollen?
  9. Wie ist diesbezüglich derzeit der Stand der Verhandlungen?
  10. Durch die Einbettung in den europäischen Rechtsrahmen ist im Bereich des Prümer Abkommens in gewissen Grenzen die Durchsetzung der Pflichten der Vertragsstaaten gewährleistet. Im Verhältnis zu den USA fehlt ein derartiger gemeinsamer, verbindlicher Rechtsrahmen. Mit welchen Maßnahmen soll daher die Einhaltung der voraussichtlich zu erlassenden Vereinbarungen über Datenverwendung, -aufbewahrung, -löschung etc. gewährleistet werden?
  11. Zeigen die USA die Bereitschaft, individuelle Rechte und wirksamen Rechtsschutz für alle Menschen unabhängig von der Staatsbürgerschaft zu gewähren?
  12. Vertritt Österreich in den Verhandlungen die Position, dass solche individuelle Rechte und ein wirksamer Rechtsschutz unabdingbare Voraussetzung für die Datenübermittlung an die USA sind?
  13. Welche Bundesministerien sind in die Verhandlungen über dieses Abkommen eingebunden?
  14. Wann ist mit einem Abschluss der Verhandlungen zu rechnen?
  15. Wie ist der Stand der Verhandlungen bezüglich einer möglichen Teilnahme Österreichs an der „Terrorist Screening Database“ der USA?
  16. Wann ist mit einem Abschluss der Verhandlungen zu rechnen?
  17. Welche Datenbestände kommen aus österreichischer Sicht für eine Teilnahme an diesem Datenbanksystem und damit für eine Übermittlung an die USA in Frage?
  18. Auf welcher Rechtsgrundlage beruhen diese Datenbestände?
  19. Zeigen die USA die Bereitschaft, individuelle Rechte und wirksamen Rechtsschutz für alle Menschen unabhängig von der Staatsbürgerschaft in diesem Zusammenhang zu gewähren?
  20. Vertritt Österreich in den Verhandlungen die Position, dass solche individuelle Rechte und ein wirksamer Rechtsschutz unabdingbare Voraussetzung für die Datenübermittlung an die USA im Rahmen der Terrorist Screening Database sind?
  21. Welche Bundesministerien sind in die Verhandlungen über dieses Abkommen eingebunden?
  22. Können Sie ausschließen, dass hinsichtlich der beiden möglichen Abkommen durch die USA Druck auf die österreichische Seite ausgeübt wird, indem eine mögliche Verknüpfung mit der Teilnahme Österreichs am „Visa Waiver Programm“ der USA, d.h. der visafreien Einreise für österreichische StaatsbürgerInnen, diplomatisch in den Raum gestellt wurde? (vgl. dazu etwa den Bericht in der „Presse“ vom 25.3.2009)
  23. Wie wird von österreichischer Seite auf derartige Drohungen reagiert?