Eingelangt am 09.07.2010
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ANFRAGE
des Abgeordneten Pilz, Moser, Freundinnen
und Freunde
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Verfahren gegen Karl-Heinz
Grasser und andere Ex-Minister der ÖVP
Der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz
Grasser ist mittlerweile in zahlreiche Strafsachen verwickelt. Mit jedem
Verfahren und jeder Untersuchung wird deutlicher, dass Grasser als
Finanzminister unter Bundeskanzler Schüssel die Schlüsselperson in
einer systematischen Plünderung des Vermögens der Republik war. Von
BUWOG bis Eurofighter hat sich gezeigt, dass im System
Schüssel-Haider-Grasser die New Economy eine Friends Economy zum Schaden
Österreichs war.
Schon während der Ministerschaft von
Mag. Grasser lagen der Staatsanwaltschaft von Seiten der
Finanzstrafbehörden und sonstiger Anzeiger zahlreiche Sachverhalte, die in
„Normalfällen“ zu konsequenten Ermittlungen geführt
hätten, vor. Mag. Grasser war der erste Minister, bei dem die
Staatsanwaltschaft nicht die Interessen des Rechtsstaats, sondern die des
Beschuldigten vertrat. Das äußerte sich in
- der konsequenten Weigerung des
Staatsanwalts, in der „Homepage“-Affäre gegen Grasser zu
ermitteln;
- dem vergeblichen zweimaligen Versuch
eines Richtersenats, den Staatsanwalt in diesem Verfahren zu Ermittlungen
zu zwingen;
- und schließlich in der Einstellung
des „Homepage“-Verfahrens und anderer Verfahren durch den
zuständigen Staatsanwalt.
Seit damals sind mehrere Mitglieder der
Schüssel-Regierungen in den Genuss der bevorzugten Behandlung durch Wiener
Staatsanwälte gekommen. Mit jedem dieser Verfahren ist das
öffentliche Vertrauen in die Unabhängigkeit der Strafjustiz weiter
gesunken.
Auch für die Verfahren, die von
Staatsanwälten gegen Grasser und seine Freunde begonnen wurden, gilt, dass
es für außenstehende Beobachter immer weniger nachvollziehbar ist,
weshalb trotz der Dichte der Vorwürfe und Verdachtsmomente bis dato
offenbar weder Einvernahmen des Beschuldigten Grasser noch weitergehende
Ermittlungsschritte gegen ihn stattgefunden haben.
So haben die Medien etwa in den vergangenen
Monaten folgende hinterfragenswerte Sachverhalte aufgezeigt:
- BUWOG Verkauf
- Der damalige Finanzminister ließ
seinem zuständigen Kabinettsmitarbeiter bei der Abwicklung über
seinen Vertrauten – den BUWOG Aufsichtsratspräsidenten und
Immobilienmakler Ernst Karl Plech – ausrichten, dass die Immofinanz
obsiegen solle. (Profil, 18.3.2010 uva.)
- Der Höchstpreis eines Mitbieters
soll der Immofinanz im Vergabeverfahren verraten worden sein, wodurch ein
punktgenau geringfügig höheres Gebot ermöglicht worden sei
(Format 13.5.2010 ua.)
- Enge Vertraute (Meischberger, Hochegger)
von Grasser kassierten im Zuge dieses Geschäftes 9,9 Millionen Euro
Provision, wobei die Beträge „unversteuert“ über
eine zypriotische Briefkastenfirma abgewickelt wurden. (Profil, 18.3.2010
uva.)
- Von Meischberger sei Grasser zeitnah mit
den Verhandlungen ein Urlaub auf den Seychellen bezahlt worden. (Profil,
17.4.2010)
- Gemutmaßt wird auch, ob ein
„drittes“ Konto in Liechtenstein, auf welches im Jahr 2004
Teile der BUWOG Provision überwiesen wurden, Grasser zuzuordnen sei.
(NEWS, 18.3.2010)
- Zur Ermöglichung des BUWOG Verkaufs
soll Grasser beim Kärntner Landeshauptmann Haider interveniert haben,
um den Verzicht auf ein Vorkaufsrecht zu erreichen. Das habe er noch
Anfang März vor Gericht geleugnet. (Format, 13.5.2010)
- Im Zusammenhang mit dieser
Angelegenheit legte Grasser ein Protokoll des geheimen
Rechnungshofunterausschusses aus 2003 vor, auf das er keinen Zugriff
haben dürfte, und welches offenbar aus dem ÖVP-Klub stammte.
(Österreich, 28.5.2010)
- Nach seinem Ausstieg aus der
Bundesregierung im Jahr 2006 gründete Grasser mit Hochegger und
Meischberger die Valora Solutions, die über Umwege offenbar
Buwog-Provisionen der Immofinanz erhielt. (Format, 15.10.2009)
- Gemeinsam mit Plech gründete
Grasser 2009 die Imoobilienfirma GPSI(Presse, 18.7.2009)
- Hypo Alpe Adria
- Eine Grasser nahestehende
Treuhandgesellschaft („Ferint“, Grassers Schwiegermutter trat
dem Finanzministerium gegenüber als verfügungsberechtigt
über diese Firma auf) sei als Investor in der Gruppe um Tilo Berlin
aufgetreten (Österreich, 2.4.2010 uva.). Der Finanzminister machte
somit während seiner Amtsperiode Geschäfte mit dem Verkauf von
Bankanteilen aus der öffentlichen Hand. Mit einem Einsatz von Euro
500.000 wurde dabei ein Gewinn von Euro 283.000 innerhalb weniger Monate
erzielt (Format, 29.4.2010).
- In dieses Treuhandgeschäft war auch
die Treuhandgesellschaft „Mandarin Group Ltd.“ involviert,
welche auch Meischberger zu ihren Kunden zählte, der über diese
Firmen mit Teilen der BUWOG-Provision Aktien der Meinl International
Power im Wert von 500.000 Euro erwarb, bei welcher wiederum Grasser
Vorstand war (Format, 29.4.2010)
- Ein diesbezügliches Angebot
für eine Beteiligung sei Grasser am 22.12.2006 per E-Mail
unterbreitet worden – damals war er noch Finanzminister (NEWS,
1.4.2010; Kleine Zeitung 11.4.2010).
- Die Gelder für die Beteiligung
sollen möglicherweise aus BUWOG-Provisionen stammen
(Österreich, 30.6.2010)
- Im Terminkalender Tilo Berlins finden
sich mehrere Treffen mit Grasser (NEWS, 27.5.2010)
- Im Dezember 2006 habe Tilo Berlin
„durch seine Grasser Kontakte“ Helmut Schmidt von der Bayern
LB voraussagen können, dass für die Bayern das
BAWAG-Bieterverfahren scheitern werde (Profil, 28.6.2010)
- Intervention für Novomatic
·
Im Jahr 2006 bezahlte der Novomatic Konzern
Meischberger für Lobbying mit dem Ziel einer Lockerung des
Glücksspielmonopols im Internet. In engem zeitlichen Zusammenhang entwarf
das Finanzministerium unter Karl-Heinz Grasser einen Abänderungsantrag zum
Budgetbegleitgesetz, der genau diese Änderung vorsah, und der nicht einmal
parteiintern akkordiert war. Diesbezüglich wurde im Mai 2010 eine
Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachtes der
Bestechung übermittelt. (Standard, 11.5.2010 uvm.)
- Sonstiges
·
Auch für die Privatisierung der Post AG
sowie für die Telekom AG – beides im Zuständigkeitsbereich des
Finanzministers – sind Grassers Vertrauten Hochegger und Meischberger
beratend tätig geworden und haben hohe Provisionen verrechnet (Profil,
17.4.2010)
·
Hochegger soll diesbezüglich ein ganzes
System der Abrechnung von Provisionen für Geschäfte mit
FP-geführten Ministerien erstellt haben, wobei die Gelder über
Liechtentsteiner Briefkastengesellschaften zur Verteilung an Grasser und seine
Vertrauten kommen hätten sollen (Profil, 17.4.2010).
·
Bezüglich einer möglichen Weitergabe des
Nationalbank Prüfberichtes zur BAWAG an die Medien wurde aufgrund
codierter Ausgaben des Berichts ermittelt, dass das veröffentlichte
Exemplar mit jenem von Grasser übereinstimmte. (Kleine Zeitung, 18.6.2008)
All diesen Vorfällen ist gemeinsam,
dass trotz jahrelanger Ermittlungen einschließlich weitreichender
Maßnahmen wie etwa Kontenöffnungen und Telefonüberwachungen
aber auch stundenlangen Einvernahmen der Mitbeschuldigten, einer Person bisher
derartiges erspart geblieben ist: dem früheren Finanzminister Karl-Heinz
Grasser.
So wurde etwa im Fall der abgesprochenen
Erstellung eines Fragenkatalogs in Zusammenhang mit BAWAG dieser nicht durch
einen Polizisten, Staatsanwalt oder Richter einvernommen, sondern es wurde ihm
Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme gegeben.
In anderen Verfahren ist es noch nicht
einmal zu einer solchen gekommen, obwohl freilich Grasser und sein Verteidiger
medial mit ihrer eigenen Darstellung der Geschehnisse höchst präsent
sind.
Die zögerliche Bearbeitung des Systems
Grasser durch die zuständigen Staatsanwaltschaften ist dabei freilich kein
Einzelfall:
- Im Strafverfahren gegen den früheren
Innenminister Günter Platter wegen des Verrats von Amtsgeheimnissen
zum Nachteil der Familie Zogaj ist es auch nach mehreren Jahren
Verfahrensdauer soweit bekannt ist noch immer zu keiner Einvernahme des
Beschuldigten Ex-Ministers gekommen, obwohl zahlreiche andere Zeugen sehr
wohl befragt wurden. Auch Platter wurde die Möglichkeit einer
schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.
- Im Strafverfahren gegen den früheren
Innenminister Ernst Strasser wegen Amtsmissbrauch durch parteipolitische
Interventionen bei Postenbesetzungen wurden die Ermittlungen nur
äußerst oberflächlich (Einsichtnahme in die Personalakte)
und darüber hinaus durch ein „Vergessen“ des Staatsanwaltes
auch noch mit starker, verjährungsauslösender Verzögerung
geführt. Wieder kam es zu keiner Einvernahme des Ex-Ministers.
Die Fälle „Grasser“,
„Strasser“ und „Platter“ zeigen damit eines:
Ex-Minister der ÖVP genießen einen Sonderschutz vor der
gerichtlichen Strafverfolgung. Alle anderen sind vor dem Gesetz gleich.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen
daher folgende
ANFRAGE:
- Wurde Karl-Heinz Grasser mittlerweile als
Beschuldigter in den oben genannten Verfahren einvernommen?
- Falls nein: Wurde ihm eine schriftliche
Stellungnahme aufgetragen?
- Falls nein: Wann ist mit einer
Einvernahme zu rechnen?
- Aus welchem Grund werden alle
Beschuldigten mit Ausnahme Grassers einvernommen?
- Wurden Konten von Grasser im Zuge der
oben genannten Verfahren geöffnet?
- Wurden bei Grasser Hausdurchsuchungen
vorgenommen?
- Wurden Telefonanschlüsse, die
Grasser zugeordnet werden können, überwacht?
- Wurde ermittelt, ob Grasser über das
Firmennetzwerk mit Hochegger, Meischberger und Plech Anteile von
Provisionszahlungen erhalten hat, die bei Geschäften in seiner Zeit
als Finanzminister entstanden sind?
- Wurde Günter Platter inzwischen im
Zogaj-Verfahren als Beschuldigter einvernommen?
- Warum ist Ernst Strasser im
e-mail-Verfahren nicht als Beschuldigter einvernommen worden?
- Warum werden Ex-Minister von der
Strafjustiz systematisch anders behandelt als Personen, die weder einem
Kabinett „Schüssel“ noch der ÖVP angehört
haben?
- Welche Teile des Strafgesetzbuches bzw.
der Strafprozessordnung gelten auch für Grasser, Strasser und
Platter?