6105/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.07.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Korun, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend medizinische Behandlung in der Schubhaft

 

 

Der Arzt Hans-Joachim Fuchs berichtet in einem Profil-Artikel vom 25. Jänner 2010 von Erfahrungen, die er im Zuge ärztlicher „Hausbesuche“ in der Schubhaft gemacht hat. Er berichtet darin unter anderem vom Fall des Henry O., der in einem Polizeianhaltezentrum misshandelt worden sei und der zahlreiche Prellungen und Blutergüsse davongetragen hätte. Die Polizeiärztin hätte jedoch befunden, dass ihm nichts fehle. Ebenso wäre er immer wieder auf “fehlerhafte Protokolle“ gestoßen, und „falsche Diagnosen und ärztliches Desinteresse [sind] weitverbreitet“ (Profil, S. 28). Er beschreibt die ärztliche Betreuung in der Schubhaft als „durch und durch verludert“ und regt mehr Kontrolle von außen an.

 

Schon lange prangern MenschenrechtsexpertInnen den Zustand der medizinischen Versorgung in der Schubhaft an, auch der Menschenrechtsbeirat („MRB“) hat in seiner Empfehlung immer wieder auf die problematische Doppelfunktion der AmtsärztInnen als HaftprüferInnen und behandelnde ÄrztInnen kritisiert und eine Entkoppelung angeregt. Auch die Behandlung hungerstreikender Schubhäftlinge stellt diese Doppelfunktion immer wieder auf die Probe, wie auch im Fall des Gaganpreet Singh, dem noch einen Tag bevor er tot in seiner Zelle aufgefunden wurde Hafttauglichkeit attestiert wurde. Zuletzt gab es nun im Februar 2010 den schwerwiegenden Vorwurf des gambischen Asylwerbers Sam M., der behauptet, während seines Schubhaftaufenthaltes von Polizisten vergewaltigt worden zu sein.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Was werden Sie angesichts der oben erwähnten Berichte tun, um eine verbesserte medizinische Betreuung in der Schubhaft sicherzustellen, insbesondere um Kontrolle von außen zu gewährleisten?

 

  1. Werden Sie den Empfehlungen des MRB nachkommen und die Doppelfunktion der AmtsärztInnen in den Polizeianhaltezentren (Haftprüfer und behandelnder ÄrztInnen) abschaffen?

      a) Falls ja, wann und wie werden Sie das tun?

      b) Falls nein, weshalb nicht?

 

  1. Sind Ihnen Fälle von unterlassener Hilfeleistung in den PAZ bekannt?

      a) Falls ja, wie viele?

      b) Falls ja, welche Fälle waren das und wie wurden sie gelöst?

 

  1. Wie viele Hungerstreikende gab es in der Schubhaft 2007, 2008, 2009 und bis Juli 2010 aufgeschlüsselt auf die einzelnen PAZ?

 

  1. Wie viele derjenigen, die 2007, 2008 und 2009 in Hungerstreik waren, wurden zur Behandlung in die medizinische Abteilung einer Justizanstalt/ Krankenanstalt überwiesen?

 

  1. Wie viele derjenigen, die 2007, 2008 und 2009 im Hungerstreik waren, wurden wegen Haftunfähigkeit entlassen?

 

  1. Wie viele derjenigen, die wegen Haftunfähigkeit entlassen wurden, wurden danach wieder in Schubhaft genommen?

 

  1. Wie viele Todesfälle gab es in der Schubhaft 2007, 2008, 2009 bis Juli 2010?

 

  1. Welche konkreten rechtlichen Konsequenzen zogen diese Todesfälle nach sich?

 

  1. Unterliegen AmtsärztInnen in PAZ dem Ärzterecht?

       a) Falls ja, inwiefern?

       b) Falls nein, weshalb nicht?

 

  1. Wäre es sinnvoll, externe ÄrztInnen zur Kontrolle zuzuschalten, wenn die Haftfähigkeit eines Schubhäftlings überprüft werden soll?

 

  1. Gibt es für AmtsärztInnen in PAZ Supervisionsangebote?

 

  1. Gibt es Angebote einer psychologischen Betreuung für die AmtsärztInnen in PAZ?

 

  1.  Gib es eine anonyme Beschwerdemöglichkeit im PAZ?

 

  1. Gibt es eine Möglichkeit für AmtsärztInnen, Missstände anonym zu melden?

 

  1. Gibt es eine Weisung des BMI, wie AmtsärztInnen mit Hungerstreikenden vorzugehen haben?

 

  1. Gibt es eine Weisung des BMI, wann ein Schubhäftling in die Krankenanstalt eines Gefängnisses zu überstellen ist?

 

  1. Gibt es eine Weisung des BMI, wann ein Schubhäftling als haftuntauglich einzustufen und zu entlassen ist?

      a) Falls ja, wie genau lautet diese?

      b) Falls nein, weshalb nicht?

 

  1. Gibt es eine Weisung des BMI, wann ein hungerstreikender Schubhäftling in eine Krankenanstalt / medizinische Abteilung einer Justizanstalt zu überstellen ist bzw. als haftuntauglich zu entlassen ist?

      a) Falls ja, wie genau lautet diese?

      b) Falls nein, weshalb nicht?

      c) Falls ja, wie wird die Einhaltung dieser Weisung überprüft?

 

  1. Gibt es Möglichkeiten für Schubhäftlinge, ÄrztInnen von außerhalb beizuziehen?

      a) Falls ja, welche?

      b) Falls nein, weshalb nicht?

 

  1. Liegen Ihnen bereits die endgültigen gerichtsmedizinischen Gutachten bzgl. der Todesursache von Gaganpreet Singh vor?

      a)  Falls ja, seit wann?

  b) Falls ja, was haben die Gutachten bzgl. der Todesursache von Gaganpreet

  Singh ergeben?

c) Falls nein, welche Schritte haben Sie zur endgültigen Klärung der   Todesursache unternommen und bis wann ist mit der Fertigstellung des Gutachtens zu rechnen?

      d) Falls nein, wann werden Sie die Ergebnisse des Gutachtens der           Öffentlichkeit präsentieren?

 

  1. Laut Bericht im Standard am 24.2.2010 gibt der gambische Asylwerber Sam M. an, er sei am 8. Februar 2010 während seiner Schubhaft im PAZ Rossauer Lände von Polizisten vergewaltigt worden. Welche Schritte wurden von Ihnen unternommen, um diesen Vorwurf aufzuklären?

a) Weshalb wurde hier das Büro für besondere Ermittlungen („BBE“)  eingeschalten?

      b) Welche Ermittlungsschritte hat das BBE in dieser Sache gesetzt?

 

  1. Haben Sie die Abschiebung des Sam M. bis zum Ende der Ermittlungen bzw. bis zum Ende des etwaig nachfolgenden Strafverfahrens ausgesetzt?

      a) Falls ja, bis wann?

      b) Falls nein, weshalb nicht?

     c) Falls nein, wurde dadurch nicht das Recht auf ein faires Verfahren gemäß 

     Art. 6 EMRK verletzt?

 

  1. In Bezug auf die oben geschilderten Missstände, planen Sie die Einrichtung bzw. Zulassung einer unabhängigen NGO-Betreuung in der Schubhaft?

      a) Falls ja, ab wann und wie wird diese aussehen?

      b) Falls nein, weshalb nicht?

      c) Falls nein, mit welchen Mitteln gedenken Sie sonst diese Missstände zu         beheben?

 

  1. In Bezug auf die oben geschilderten Missstände, planen Sie die Einrichtung bzw. Zulassung einer unabhängigen NGO-Rechtsberatung in der Schubhaft?

      a) Falls ja, ab wann und wie wird diese aussehen?

      b) Falls nein, weshalb nicht?

      c) Falls nein, mit welchen Mitteln gedenken Sie sonst diese Missstände zu         beheben?