6191/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.07.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Kitzmüller, Gartelgruber

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst

 

betreffend „Trennungsopfer – Anteil leiblicher Väter als Täter bei Kindesmissbrauch“

 

Im Fall des ermordeten kleinen Luca wurde nun auch die leibliche Mutter zu einer Haftstrafe verurteilt, nachdem der „Patchwork-Vater“ und Täter schon vor längerer Zeit zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden war.

 

Im Zusammenhang mit Kindesmisshandlung und sexuellem Kindesmissbrauch wird immer wieder hervorgehoben, dass die Familie für Kinder eine große Gefahr darstellen würde, weil der Großteil der Taten im familiären Umfeld und Bekanntenkreis stattfinden würde.

 

Nun ist der Begriff des familiären Umfelds und Bekanntenkreis relativ unkonkret. Der Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht jedenfalls, dass, auch im Zusammenhang mit dem immer wieder verwendeten Schlagwort, häusliche Gewalt sei männlich, es sich bei den Tätern typischerweise um leibliche Väter handelt.

 

Auf der Internetseite von „familyfair.de“ ist nun ein interessanter Artikel über Kindesmissbrauch veröffentlicht worden. Zitat:

 

Patchwork-"Familie" begünstigt Mißbrauch:

 

Leibliche Väter sind viel seltener Täter als „soziale“ Väter

 

Es gibt eine Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen über das „Täterprofil“ in puncto sexueller Mißbrauch. Dazu zählen vor allem die Studien von Dr. Dirk Bange aus Hamburg, Mitherausgeber des „Handwörterbuchs Sexueller Mißbrauch“.

In seiner Studie „Die dunkle Seite der Kindheit“ belegt der Autor, daß Religions-zugehörigkeit keinen Einfluß auf die Mißbrauchs-Häufigkeit hat: sexueller Mißbrauch kommt in katholischen, evangelischen oder konfessionslosen Familien im wesentlichen im gleichen Ausmaß vor. Dasselbe schreibt Clara Wildschütte in ihrer Studie „Psychodynamik einer Mißbrauchsfamilie“.


Von großer Bedeutung für die Häufigkeit sexuellen Mißbrauchs ist jedoch die Frage, ob der Täter ein biologischer oder „sozialer“ Vater (neuer Liebhaber der Mutter, Stiefvater, Pflegevater) ist.

 

So schreibt Sabine Neumann in ihrem E-Book „Sexueller Mißbrauch“ unter dem Abschnitt „Tätergruppen“, daß hierzu „vor allem Vaterfiguren gehören“ (neue Lebenspartner der Mutter, Stiefväter etc), hingegen der Anteil der leiblichen Väter erstaunlich gering ist: „Bei den Familienmitgliedern sind Väter am wenigsten an sexuellem Mißbrauch beteiligt: etwa zu 2%.“

 

Dr. Bange zitiert in seinem Buch „Die dunkle Seite der Kindheit“ eine Studie von Russel, die zu folgendem Ergebnis gelangt: Demnach wurde jedes sechste Mädchen, das einen Stiefvater hatte, von diesem vor ihrem 14. Lebensjahr sexuell mißbraucht, hingegen erfuhr „nur“ jedes fünfzigste Mädchen sexuelle Übergriffe vom leiblichen Vater (vgl. Bange 1992, S.126).

 

Auch die linksliberale „Süddeutsche Zeitung“ räumte am 27.10.2008 ein, daß es mit den – vor allem im linken Lager vielgepriesenen – Patchwork-Familien in puncto Mißbrauch zappenduster aussieht. Der Artikel mit dem Titel „Wie böse ist die Stiefmutter?“ machte Schluß mit einigen modernen „Mythen“, wozu auch die besondere Wertschätzung des „sozialen“ Vaters gegenüber dem „biologischen“ gehört.

 

Die SZ schreibt hierzu nüchtern bzw. ernüchternd:

„Einige der wichtigsten Studien zum Thema Stiefeltern stammen von dem Forscher-Ehepaar Martin Daly und Margo Wilson von der McMaster-University in Hamilton, Kanada. Die Wissenschaftler hatten in den achtziger Jahren anhand von nord-amerikanischen Kriminalstatistiken untersucht, ob Kinder in Familien mit Stiefmutter oder Stiefvater ein höheres Sterberisiko haben als in Familien mit nur leiblichen Eltern.

 

Wie das Ehepaar berichtete, wurden Hinweise und Daten auf Unterschiede für Stief- und leibliche Kinder auch andernorts beobachtet. So wurden 32 Prozent der Kinder in England und Wales, die bei mindestens einem Stiefelternteil aufwuchsen, Opfer einer Misshandlung – und drei Prozent jener Kinder, die nur bei leiblichen Eltern lebten.

 

Und in Finnland gaben 1996 fast vier Prozent der befragten fünfzehnjährigen Mädchen an, vom Stiefvater missbraucht worden zu sein, während 0,2 Prozent ihren leiblichen Vater beschuldigten.“

 

Diese Studie entlastet also biologische Väter mit „nur“ 0,2% Täterschaft noch stärker als die anderen erwähnten Untersuchungen.

Ein mehr als peinliches Ergebnis für alle jene, die sich einbilden, auf der Höhe der Zeit zu sein, wenn sie „alternative Familienformen“ verherrlichen, heutzutage gern als „Patchwork“ bezeichnet: klingt es doch so locker und kreativ wie ein bunter Flickenteppich – im Unterschied zur normalen bzw. „traditionellen“ Familie mit ihrem angeblich „festgefahrenen Rollenbild“ und fehlender „Flexibilität“ etc.


Diese Patchwork-Familien sind vor allem eine Folge der zahlreichen Eheschei-dungen mit darauf folgenden neuen „Partnerschaften“, Zweit- oder Dritt-Ehen. Hierzu schreibt der Neurologe und Psychiater Dr. Bertrand Flöttmann in seinem Buch „Steuerrecht des Lebens“:

 

„Scheidung macht Kinder zu Opfern und Spielbällen der Eltern….Die Augenwischer verharmlosen das Unglück von Beziehungsabbrüchen. Sie wollen nicht wahrhaben, daß eine zerbrochene Familie keine Familie mehr ist. Scheiden tut weh….Eine verwöhnende Erziehung, Vernachlässigung und die schmerzhafte Trennung der Eltern führen zu psychischen Störungen beim Kind. Hierzu gehören erhöhte Aggres-sivität, neurotische Fehlhaltungen und verringerte soziale Kompetenz.“(S.139)

 

Zum Thema Mißbrauch bei „sozialen Vätern“ schreibt der Psychiater:

„Scheidung führt oft dazu, daß ein fremder Mann in die zerbrochene Familie tritt. Das Risiko des Kindes, einen sexuellen Mißbrauch durch den Stiefvater zu erleiden, steigt um das Sechs- bis Siebenfache im Vergleich zum leiblichen Vater.“ (S. 128)

Wäre es nicht gerade jetzt – angesichts der aktuellen Mißbrauchsdebatte – hoch an der Zeit, über diese eindeutig belegten Zusammenhänge nachzudenken und die Patchwork-Familie endlich kritisch zu „hinterfragen“?

Stattdessen wird die katholische Kirche einseitig attackiert, als sei sie eine „Hochburg des Mißbrauchs“. Dabei ist es gerade die kath. Kirche, die – ganz im Widerspruch zum Zeitgeist – an der Unauflöslichkeit der Ehe festhält und die Wiederverheiratung von Geschiedenen ablehnt.

 

Als weitaus ehrlicher im Vergleich zur üblichen linken Szene erweist sich auch hier Deutschlands bekannteste Feministin Alice Schwarzer – und das bereits vor 8 Jahren:

In ihrer Zeitschrift „Emma“ Nr.10/1992 schrieb sie in ihrem Editorial erstaunlichen Klartext und räumte offen ein, daß Fakten und Hintergründe in Sachen Patchwork sie zum „Umdenken gezwungen“ haben, auch hinsichtlich des vielgerühmten „neuen Vaters“ und der „freien Beziehungen“:

„Was haben wir dafür gekämpft, daß Gefühle nicht nur zählen, wenn sie staatlich besiegelt sind – und als Familie nicht nur gilt, was durch Blutsbande verknüpft ist.“

 

Was früher auch für Alice Schwarzer kein Problem schien, wird nun kritischer gesehen:

„Heute heiraten immer weniger Paare – und die Mehrheit aller Kinder muss damit rechnen, über weite Teile ihrer Kindheit mit mindestens einem nicht-biologischen, also einem sozialen Elternteil aufzuwachsen; seltener nach Adoption und meist nach Scheidung oder Trennung.“

Aus ist es mit dem Traum von den Vorzügen „alternativer Familienformen“, denn der Traum wurde zum Alptraum. Eines der „Lehrstücke“, die Alice Schwarzer – eigenen Angaben zufolge – umdenken ließen, war die allzu wahre „Parabel vom großen Regisseur mit dem kleinen Mädchen“, genauer: die Story vom „sozialen“ Vater Woody Allen, der eine sexuelle Beziehung zu seiner Adoptivtochter Soon Yi einging, was erst nach vielen Jahren bekannt wurde.


Alice Schwarzer ist schlicht entsetzt:

„Allen sieht “überhaupt kein moralisches Problem” – und Soon Yi zeigt sich an seiner Seite triumphierend der Presse. Da ist kein Zögern, kein Wort des Bedauerns, kein Mitleid und auch keine Scham. Wie skrupellos ist der 56-jährige Allen? Und wie kaputt ist die 20-jährige Soon Yi?“

Seelisch „kaputt“ ist auch die Mutter von Soon Yi, die mit Woody Allen ohne Trau-schein zusammenlebte – auch dazu äußert sich Schwarzer recht skeptisch:

„Allen und Farrow konnten es sich moralisch wie materiell leisten, unverheiratet zu sein und in zwei Wohnungen zu leben, diesseits und jenseits des Central Parks. Ihr Lebensmodell war zum Vorbild für das fortschrittliche Amerika geworden. Ihr Scheitern muss eine Warnung für alle sein.“

 

Am Schluß stellt Alice Schwarzer klar die Frage:

„Müssen Mütter aus dem Fall Allen den Schluss ziehen, dass soziale Väter gefährlich sind? In der Tat zeigen neue Statistiken: der sexuelle Missbrauch kommt in Pflege-familien noch häufiger vor, als in “Bluts”-Familien. Sicher, auch biologische und verheiratete Väter vergreifen sich an ihren Kindern, aber sie tun es wenigstens nicht triumphierend und im Licht der Öffentlichkeit.“

 

Wenn jemand etwas dazulernt, ist das immer gut – wenn er dies sogar öffentlich zugibt, noch besser. Alice Schwarzer hat auch in dieser Sachfrage bereits vor 8 Jahren weitaus klarer gesehen, als viele andere, ganz zu schweigen von vernagelten Patchwork-Schwärmern aus dem roten und grünen Spektrum.“

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst folgende

 

Anfrage

 

1.    Sind Ihnen die zitierten Studien bzw. ihr Ergebnis, dass sexueller Missbrauch durch leibliche Väter sehr selten vorkommt, bekannt?

2.    Gibt es Studien aus ihrem Ressort, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen?

3.    Werden Sie eine Studie in Auftrag geben, die die als „gefährliches Umfeld“ ausgemachte Familie weiter konkretisiert und im Falle sexuellen Missbrauchs, Misshandlung und Misshandlung mit Todesfolge die Täter nach leiblichen und sozialen Vätern und Müttern bzw. Onkeln, Tanten, Cousins, Bekannten, etc. aufschlüsselt?