6243/J XXIV. GP

Eingelangt am 12.07.2010
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend neue Infrastruktur-Strategie für Österreich

 

 

In erster Linie zielführende und in zweiter Linie – soweit die Rahmenbedingungen dies zulassen - möglichst langfristige und stabil verankerte Planungen sind das Um und Auf der Infrastrukturpolitik. Zudem geht es bei Infrastruktur stets um die Investition beträchtlicher öffentlicher Mittel, die daher vom Staat selbst wie von ausgegliederten Einheiten und Unternehmen sparsam, zweckmäßig und transparent eingesetzt werden müssen. Die aufwendigen abzuwickelnden Verfahren und die sehr langfristigen Wirkungen der allermeisten Infrastruktur-Maßnahmen unterstreichen zusätzlich, dass ein strategisches, zielorientiertes Vorgehen nötig ist.

 

Die Schweiz, die zu Recht in vielen verkehrspolitischen und auch im weiteren Sinn infrastrukturpolitischen Belangen als Vorbild genannt wird, verfügt nicht nur über gesetzlich festgelegte Zielvorgaben ihrer Verkehrspolitik, sondern auch über eine derartige nationale Gesamt-Infrastrukturstrategie mit längerfristigem Horizont (2030), die auf Basis klarer Leitsätze Prioritäten setzt und den Handlungsbedarf benennt.

In Österreich hingegen fehlt eine solche langfristige Strategie völlig, auch mit kürzeren Zeithorizonten liegt bestenfalls Stückwerk, teilweise noch dazu ohne substanzielle sachliche Grundlage, ohne rechtliche Verankerung und ohne verkehrsträgerübergreifende oder sektorenübergreifende Perspektive vor, wie das Beispiele des sogenannten Generalverkehrs“plans“ belegt. Den mangelhaften Stellenwert strategischer Erfordernisse illustriert auch die völlig intentionswidrige und daher sogar EU-rechtlich umstrittene Umsetzungspraxis bei der Strategischen Umweltprüfung im Infrastrukturbereich.

 

Eine Evaluierung der österreichischen Infrastrukturpolitik weit über die aktuelle informelle udn intransparente Evaluierung der Bundes-Bauprogramme bei Straße und Schiene hinaus ist daher dringend vonnöten.

Die Verkehrspolitik muss auf eine neue Basis, bestehend aus einer zukunftsfähigen Infrastruktur-Strategie und einem über die Bau-Ebene weit hinaus reichenden Gesamtverkehrskonzept, gestellt werden.

 

Auch die übrigen Infrastruktur-Bereiche werden dann, wenn sie ausschließlich – wie derzeit bei den ÖBB oder bei der Post zu beobachten – nach kurzfristigem Betriebswirtschafts-Kalkül geführt werden, ihre Aufgaben nicht zum mittel- und langfristigen Wohl von Bevölkerung und Wirtschaft Österreichs erfüllen können. Das von ÖBB und gewissenlosen Landespolitikern vollzogene Zusperrkonzert bei Schienen-Regionalstrecken zB in Niederösterreich oder auch das Zusperren hunderter Postfilialen belegen, dass es für das Leben und Wirtschaften in Österreich nachteilig ist, wenn die machthabende Politik sich klare Vorgaben ersparen will und ausschließlich darauf vertraut, dass aus der Summe rein betriebswirtschaftlich motivierter Entscheidungen „automatisch“ ein volkswirtschaftlich sinnvolles größeres Ganzes oder gar ein volkswirtschaftlicher Mehrwert entsteht.

 

Für die zielführende und vorsorgende Erfüllung der staatlichen Aufgaben im Infrastrukturbereich sind ganz offensichtlich weitergehende Weichenstellungen von übergeordneter, eben staatlicher und politischer Ebene erforderlich.

 

„Politik ist nicht nur Buchhaltung“ (so das für Verkehr zuständige Schweizer Regierungsmitglied, Bundesrat Moritz Leuenberger).

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1.  Wann gedenken Sie eine Gesamtinfrastruktur-Strategie wie in der Schweiz zu entwickeln und vorzulegen?

 

  1.  Welche intermodalen Zusammenhänge verschiedener Infrastrukturen werden Sie dabei berücksichtigen?

 

  1.  Welche Koordinationsgespräche oder -gremien gibt es dazu mit anderen teilweise zuständigen Ministerien?

 

  1.  Welche wechselseitigen Auswirkungen der Infrastruktur Schiene und Straße gedenken Sie in Zukunft zu berücksichtigen?

 

  1. Werden Sie insbesondere Parallelstrukturen und -vorhaben zu Gunsten der Schiene verändern? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Werden Sie einander kannibalisierende Strecken innerhalb des hochrangigen Straßensystems (wie die beabsichtigte S36/37) unterbinden? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht?

 

  1.  Welche mittel- und längerfristigen strategischen Ziele verfolgen Sie bei a) Schiene, b) Straße, c) Wasserstraße und Schifffahrt, d) Luftfahrt, e) Post, f) Telekommunikation, g) Forschung? Wo, in welcher Form und in welcher rechtlichen Qualität sind diese Ziele jeweils festgelegt?