6361/J XXIV. GP

Eingelangt am 14.09.2010
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Walser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend womöglich gesetzwidrige Postamts-Schließungs-Vorgänge in Altach und weiteren Vorarlberger Gemeinden

 

 

Die Große Koalition und allen voran die zuständige „Postministerin“ Doris Bures haben das neue Postmarktgesetz bei seiner parlamentarischen Debatte und Beschlussfassung im November 2009 in den Himmel gelobt. Es ist vor diesem Hintergrund besonders verwerflich, dass dieselbe Ministerin nunmehr die Verantwortlichkeit in Anfragebeantwortungen von sich weist und gänzlich auf das Unternehmen Post AG abschieben will, obwohl doch der Rahmen für das Handeln des Unternehmens von ihr und ihren ParteigenossInnen federführend zu verantworten ist.

 

Die Realität des Gesetzes gibt zu derartiger Lobhudelei – darauf haben die Grünen bereits bei der Beschlussfassung in ihrer „Abweichenden Stellungnahme zum Postmarktgesetz“ im Parlament im einzelnen hingewiesen – ohnedies keinerlei Anlass. Die bisherigen Erfahrungen der PostkundInnen und vieler betroffener Gemeinden mit dem Vollzug des Postmarktgesetzes zeigen ein hemmungsloses österreichweites Zusperrkonzert quasi im Wochentakt und einen flächigen Rückzug der Post AG immer wieder auch jenseits der Grenze des gesetzlich Zulässigen. Dies beweist, dass die Kritik der Grünen völlig gerechtfertigt war und ist und das Postmarkgesetz keineswegs die flächendeckende Versorgung sichert wie von SPÖ und ÖVP behauptet, sondern mit seinen zahlreichen Gummiparagraphen und einseitig unternehmensfreundlichen Bestimmungen ein echtes Zusperr- und Rückzugs-Gesetz ist.

 

Besonders betroffen ist Vorarlberg, selbst die offizielle Stellungnahme des Landes vom Herbst 2009 wies bereits darauf hin, dass dieses Gesetz wegen der speziellen topographischen Situation und Siedlungsstruktur im Land einen Rückbau auf nur wenige Postämter landesweit zuließe – wie die Kritik der Grünen wurde aber auch diese immerhin von ÖVP-Seite kommende Warnung vor dem Ausbluten des ländlichen Raums eines ganzen Bundeslandes von der Bundesregierung ignoriert.

 

In Vorarlberg gibt es derzeit Postschließungen wie am Fließband. Und noch immer ist kein Ende in Sicht. Von den ursprünglich über 90 Postämtern in Vorarlberg gibt es derzeit nur noch 38. Laut Medienberichten stehen derzeit in Vorarlberg sieben Postämter auf der Abschussliste (Lauterach, Frastanz, Hörbranz, Gaißau, Au, Kennelbach, Fußach).

 

Der Postgewerkschafter Franz Mähr wird in den Vorarlberger Nachrichten vom 30.8.2010 zur Schließungswut in Fußach wie folgt zitiert: „Laut Gesetz kann eine Filiale nur geschlossen werden, wenn diese nachhaltig im Minus ist. In Fußach sind die Umsatzahlen stetig gestiegen, erst vor wenigen Monaten wurde eine Teilzeitkraft eingestellt, weil die Arbeit für eine Person nicht mehr zu bewältigen war.“ Er sehe jedoch eine große Chance, die Fußacher Post zu retten, wenn der Bürgermeister nur genug darum kämpfe.

 

Die Auswirkungen solcher Schließungen sind für die betroffenen Gemeinden fatal. Seit Mitte Juli 2010 gibt es beispielsweise in Altach, einer nicht nur im Fußball dynamischen Gemeinde mit immerhin 6.500 EinwohnerInnen, kein Postamt mehr. Entgegen den Vorgaben des Postmarktgesetzes wurde das Postamt geschlossen, ohne dass die Post sich an der Suche nach einer Ersatzlösung beteiligt hätte. Seit der Postamtsschließung sucht nun die Gemeinde Altach – deren Aufgabe das eigentlich nicht sein sollte – einen Postpartner, der die Rolle des Postamts übernehmen soll. Bis jetzt ist man in Altach aber noch nicht fündig geworden. Ein bereits an mehreren anderen Standorten in der Region „eingesprungenes“ Unternehmen, das sich vor Anfragen weiterer betroffener Gemeinden kaum retten kann, musste aus Kapazitätsgründen ablehnen. Die Situation ist insofern besonders verfahren, weil sich der Postbetrieb nicht „nebenher“ abwickeln ließe, da Altach mit rund 350 Kundentransaktionen pro Tag den Einsatz einer Vollzeitkraft benötigen würde. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Post AG, die angeblich fehlende Kostendeckung belegen soll, ist vor diesem Hintergrund in ihrer Glaubwürdigkeit und Stichhaltigkeit stark in Frage zu stellen. Die Provision, die ein Postpartner von der Post erhalten würde, ist hingegen viel zu niedrig für die Vollzeitkraft, die nötig wäre - ein Postpartner kann sich das somit einfach nicht leisten. Umgekehrt schließt die Post AG jedes Einlenken bei der Provisionshöhe aus. Auch ein Beschäftigungsprojekt als Postpartner scheitert an der Größe des Postamts und am Umfang der Kundenfrequenz.

 

Zuletzt stand auch eine mögliche Klage der Gemeinde Altach gegen die Post AG im Raum. Aber auch in dieser Frage hat sich noch nichts Entscheidendes getan. Rechtsanwälte würden den Sachverhalt derzeit genau prüfen.

 

Solange die Gemeinde keinen Postpartner findet, müssen die Altacherinnen und Altacher auf die Postämter in Hohenems oder Götzis ausweichen, was unter anderem auch völlig unnötigen Mehrverkehr in der Region erzwingt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Welche Informationen zur Wirtschaftlichkeitsberechnung, zur Ertrags- und Kostensituation für die zur Schließung vorgesehenen Postämter in Lauterach, Frastanz, Hörbranz, Gaißau, Au, Kennelbach und Fußach bzw. für das im Juli 2010 geschlossene Postamt Altach liegen a) der Post-Control Kommission, b) Ihnen als verantwortlicher Ministerin vor?

 

  1. Wie ist es möglich, dass bei einer derart hohen Kundenfrequenz und Inanspruchnahme wie in Fußach und Altach vor der Schließung die Erträge des Postamtes die Aufwendungen nicht übertreffen? Können Sie ausschließen, dass die Rentabilitätsangaben und -berechnungen der Post AG wie in anderen Fällen auch hier nicht korrekt waren bzw. sind?

 

  1. Falls aufgrund der Ihnen bzw der Post-Control Kommission vorliegenden Zahlen die Wirtschaftlichkeit der Postämter Fußach und Altach gewährleistet wäre – warum wurde das Postamt Altach bzw. wird dann das Postamt Fußach zugesperrt?

 

  1. Halten Sie es für der Wertschätzung der Politik dienlich, wenn regierungsseitig in den Himmel gelobte Gesetze dann in der Umsetzung dutzendweise zu massiver Kritik vor Ort sowie rechtlichen Auseinandersetzungen und damit nicht zuletzt zu nicht unbeträchtlichem Aufwand der Öffentlichen Hand führen wie es beim Postmarktgesetz der Fall ist?

 

  1. Warum wurde im Fall Altach § 7 Abs. 5 PMG nicht eingehalten? Welche Konsequenzen wird dies für die Post AG haben?

 

  1. In wie vielen weiteren Fällen österreichweit wurde bisher § 7 Abs. 5 PMG a) erwiesenermaßen, b) Beschwerden einer Seite zufolge nicht eingehalten

 

  1. Wie können Sie „Lösungen“ wie in Altach, die zu vermeidbarem Mehrverkehr führen, mit Ihrer Verpflichtung und Ihren Bekenntnissen zu einer möglichst umwelt-, klima- und gesundheitsschonenden Abwicklung des Verkehrsgeschehens in Österreich in Einklang bringen?

 

  1. Wie viele Postämter gab es in Vorarlberg zum Zeitpunkt der (erneuten) Verantwortungsübernahme durch die SPÖ im BMVIT Anfang 2007?

 

  1. Wie viele Postämter gab es in Vorarlberg zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über das neue Postmarktgesetz im November 2009?

 

  1. Wie viele Postämter sind seitdem in Vorarlberg a) geschlossen worden, b) zur Schließung angemeldet worden?

 

  1. Wann ist für die in Vorarlberg zur Schließung angemeldeten, aber noch nicht geschlossenen Postämter a) mit der Schließung, b) mit einer anderweitigen endgültigen Entscheidung zu rechnen?

 

  1. Wieviele Postämter werden in Vorarlberg darüber hinaus zur Schließung angemeldet werden? Welche Informationen darüber liegen Ihnen oder der Behörde vor?

 

  1. Sie hatten bei der Ausschussbehandlung des Postmarktgesetzes im Nationalrat gemeint, dass dieses Gesetz für ein dichteres Geschäftsstellennetz sorgen werde und damit die Wege der Postkunden kürzer und daher zunehmend mit dem Fahrrad abwickelbar werden. Welche Evidenz liegt Ihnen mittlerweile zur Bestätigung dieser angesichts der realen Gesetzesinhalte schwer nachvollziehbaren Argumentation a) generell, b) aus Vorarlberg, c) zum Fall Altach vor?

 

  1. Wie können Sie angesichts der Entwicklungen und Konflikte seit dem Inkrafttreten des Postmarktgesetzes und des regelmäßigen Verweises auf das Postamts-Zusperr-Gesetz PMG und auf Ihre Nicht-Zuständigkeit in Anfragebeantwortungen u.dgl. weiterhin ernsthaft betonen, dass Ihnen „die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit hochqualitativen und kostengünstigen Postdienstleistungen – insbesondere im ländlichen Raum – ein besonderes Anliegen ist“?

 

  1. Haben Sie – abseits der seit der Postmarktgesetz-Beschlussfassung verbreiteten wenig stichhaltigen Stehsätze – eine politische Vorstellung und/oder Zielsetzung, wie eine positive Zukunft der Postversorgung für die Menschen längerfristig aussehen soll, oder fühlen Sie sich dafür auch nicht zuständig?