6395/J XXIV. GP
Eingelangt am 22.09.2010
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend S 36 / S 37 und Unvereinbarkeiten
Dr. Claudia Kahr, ehemals Sektionschefin im Verkehrsministerium und zuvor unter anderem Mitarbeiterin sozialdemokratischer Regierungsmitglieder, ist als Verfassungsrichterin Mitglied des Verfassungsgerichtshofs (VfGH).
An den Beratungen des VfGH zu einem Antrag gegen die Trassenverordnung der Verkehrsministerin für einen (weiteren) Abschnitt der Schnellstraße S 36 nahm sie offenbar teil, wenngleich sie auf der mit 24.06.2010 datierten Entscheidung V78/09 des VfGH nicht als mitentscheidende Richterin aufscheint.
Am 24.06.2010 (= gleicher Tag) wurde Dr. Kahr zur Aufsichtsratspräsidentin der ASFINAG gewählt.
Bereits die offensichtliche Unvereinbarkeit dieser beiden Funktionen wurde von Bundesministerin Bures nicht einmal abgestritten, wurde sie doch nach entsprechender Kritik zB in einer APA-Meldung mit den Worten zitiert "Es ist eigenartig, wenn es gelingt, eine Topfrau zu gewinnen, mit Unvereinbarkeiten zu hantieren, die bisher keine Rolle spielten."
Dr. Kahr ist jedoch weiters maßgeblich an der Wietersdorfer Gruppe, einem der größten österreichischen Zement- und Bauwerkstoffhersteller, beteiligt. Sie ist dort auch im „Gesellschafterbeirat“ (eine Art Aufsichtsrat).
Die Wietersdorfer Gruppe hat im Gebiet der Schnellstraße S 36 / S 37 zwei Werke, in der Nähe ein weiteres Werk, hätte also mit großer Wahrscheinlichkeit wirtschaftliche Vorteile durch den Weiterbau der S 36 bzw. den Bau – in welcher Dimensionierung auch immer – der die S 36 fortsetzenden S 37.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wann (Datum und Uhrzeit) wurde Frau Dr. Claudia Kahr von der Frau Bundesministerin erstmals gefragt, ob sie bereit ist als Mitglied des Aufsichtsrates der ASFINAG zu kandidieren?
2. Wann (Datum und Uhrzeit) und wie kandidierte Frau Dr. Claudia Kahr erstmals als Mitglied des Aufsichtsrats der ASFINAG?
3. Wann (Datum und Uhrzeit) fand die Wahl von Frau Dr. Claudia Kahr zum Mitglied des Aufsichtsrates der ASFINAG statt?
4. Wann (Datum und Uhrzeit) fand die Wahl von Frau Dr. Claudia Kahr zur Präsidentin des Aufsichtsrats der ASFINAG statt?
5. Hat Frau Dr. Claudia Kahr an der Abstimmung zum Erkenntnis V 78/09 des Verfassungsgerichtshofs teilgenommen?
6. Hat Frau Dr. Claudia Kahr an den Beratungen zum Erkenntnis V 78/09 des Verfassungsgerichtshofs teilgenommen?
7. War dem BMVIT im Zeitpunkt der Wahl von Frau Dr. Claudia Kahr zum Mitglied des Aufsichtsrats der ASFINAG bekannt, dass Frau Dr. Claudia Kahr mit einer Kommanditeinlage von EUR 473.409,85 Gesellschafterin der Knoch, Kern & Co KG ist?
8. War dem BMVIT zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass die Knoch, Kern & Co KG Alleingesellschafterin der Wietersdorfer-Gruppe ist?
9. War dem BMVIT zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass Frau Dr. Claudia Kahr Mitglied des Gesellschafterbeirats der Wietersdorfer-Gruppe ist?
10. War dem BMVIT zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass die Wietersdorfer-Gruppe einer der größten österreichischen Hersteller von Zement und anderen Produktenfür den Hoch- und Tiefbau ist?
11. War dem BMVIT zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass die Wietersdorfer-Gruppe über Standorte in Klein St. Paul/Kärnten sowie in Peggau und Leoben/Steiermark verfügt?
12. War dem BMVIT zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass sich Klein St. Paul rund 6 km von der geplanten S 37 entfernt befindet, Leoben direkt an der S 6 liegt und Peggau direkt an der S 35 liegt, die in Bruck an der Mur direkt an die Achse S 6 – S 36 anschließt?
13. War dem BMVIT zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass sich somit alle drei genannten Standorte der Wietersdorfer-Gruppe in einer Entfernung zwischen 6 und maximal 60 km zur geplanten Trasse der S 36 / S 37 und den dortigen Großbauvorhaben befinden?
14. War dem BMVIT zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass sich die Fahrtzeit mit Straßenfahrzeugen zwischen dem Wohnort von Frau Dr. Claudia Kahr, Wien, und dem Hauptsitz der Wietersdorfer-Gruppe, Klein St. Paul in Kärnten, bei Errichtung der S 36 / S 37 um rund 20 Minuten verkürzen würde?
15. Hat Frau Dr. Claudia Kahr das BMVIT vor ihrer Kandidatur zum Mitglied des Aufsichtsrats der ASFINAG über die in den Fragen 7. – 14. erwähnten Tatsachen aufgeklärt?
16. Wenn dem BMVIT alle oder einzelne der in den Fragen 7. – 14. genannten Tatsachen zum Zeitpunkt der Wahl von Frau Dr. Claudia Kahr zum Mitglied des Aufsichtsrats der ASFINAG noch nicht bekannt waren: Hätte die Wahl zum Mitglied des Aufsichtsrats der ASFINAG auch stattgefunden, wenn diese Tatsachen im damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen wären?
17. Welche Zahlungen leistete die ASFINAG 2009 und 2010 für Leistungen direkt oder indirekt (z.B. über Generalunternehmeraufträge) an Unternehmen der Wietersdorfer-Gruppe?
18. Mit welchen Auftragsvolumina für Zement und andere Baustoffe ist bei der Errichtung a) der weiteren Abschnitte der S 36, b) der S 37 zu rechnen?
19. In welchem Umkreis um die jeweilige Baustelle haben im Rahmen von hochrangigen Straßenbauvorhaben des Bundes Zementlieferanten sowie die Lieferanten von sonstigen Baustoffen erfahrungsgemäß ihren Sitz?
20. Sieht das BMVIT darin, dass Frau Dr. Claudia Kahr Aufsichtsratspräsidentin der ASFINAG, gleichzeitig Gesellschafterin und Gesellschafterbeirat der Wietersdorfer-Unternehmensgruppe ist, die als wichtiger Lieferant bzw. Sublieferant der ASFINAG in Betracht kommt, und schließlich auch noch Mitglied des mit ASFINAG-Projekten, auch den in den voranstehenden Fragen erwähnten, befassten Verfassungsgerichtshofs ist, die Gefahr einer Interessenkollision?
21. Wenn nein, warum nicht?