6482/J XXIV. GP
Eingelangt am 28.09.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der
Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Urteilsverzicht beim OGH"
In
Deutschland wird von Richtern eine Tendenz beobachtet, dass immer mehr Fälle,
die nach
jahrelanger
Verfahrensdauer in den Unterinstanzen zum BGH gelangen, nicht entschieden
werden. Zum einen, weil die Parteien kurz vor der Verhandlung einen Vergleich
schließen
und deshalb das Rechtsmittel oder die Klage zurücknehmen oder aber weil
der Gegner die
Klageforderung anerkennt. Damit werden die Wartenden bitter enttäuscht,
weil
aussichtsreiche Fälle nicht entschieden werden.
Offenbar
befürchten einige Beklagte, dass eine höchstrichterliche
Entscheidung eine Lawine
lostreten
könnte. Gleichzeitig ruhen aber zahllose Verfahren an den
Instanzgerichten, weil
man auf eine Entscheidung vom BGH wartet (z.B. Anlegerklagen).
„Daneben hat es auch eine kostenrechtliche Bewandtnis: Die Parteien
sparen sich die
Gebühr eines Urteils beim BGH, was aber angesichts der bereits
aufgelaufenen Kosten zu
vernachlässigen ist. Die Motivation, einen Urteilsspruch zu
vermeiden, hat meiner Meinung
nach andere Gründe" (BGH Richter
Wolfgang Eick).
In
Deutschland ist diese Praxis besonders bei Banken- und Versicherungsprozessen
feststellbar.
Für
Österreich liegen noch keine Zahlen und diesbezügliche Erkenntnisse
vor.
Die
unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für
Justiz
nachstehende
Anfrage:
1. Wie viele Vergleiche hat es in
Verfahren vor dem OGH vor der höchstrichterlichen
Entscheidung
in den Jahren 2008 und 2009 gegeben (Aufschlüsselung auf Jahre)?
2.
In wie vielen Fällen wurde in Verfahren vor dem OGH vor der
höchstrichterlichen
Entscheidung
die Klagsforderung in den Jahren 2008 und 2009 anerkannt
(Aufschlüsselung auf Jahre)?
3.
In wie vielen Fällen wurde in Verfahren vor dem OGH vor der
höchstrichterlichen
Entscheidung
die Klage oder das Rechtmittel in den Jahren 2008 und 2009 zurückgezogen
(Aufschlüsselung
auf Jahre)?
4.
Sehen Sie eine derartige Praxis - gerade in Anbetracht anderer ruhender
Verfahren - als
eine besondere Form des Rechtsmissbrauchs?
5.
Sollte aus Sicht des Ressorts in Fällen von
übergeordneter Wichtigkeit in der ZPO eine
Möglichkeit
vorgesehen, dass der OGH zu der im Rechtsstreit gestellten Frage gleichwohl
offiziell
Stellung nehmen darf, obwohl sich der Prozess ohne Urteilsspruch durch
Parteienentscheidung
erledigt hat?