6485/J XXIV. GP

Eingelangt am 29.09.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Jarmer, Grünewald Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend Kommunikationsdefizite in der Gesundheitsversorgung von Menschen mit Gehörlosigkeit

 

„Patient taub – keine Anamnese möglich“ – dieser Ausspruch war  lange Zeit im Gesundheitssystem zu hören und zu lesen. Mit der Gründung von Gehörlosenambulanzen konnte die Situation zwar verbessert werden, es erreichen uns jedoch immer wieder Berichte über mangelnde Kommunikationsbedingungen im Gesundheitswesen von gehörlosen  PatientInnen.

In Österreich leben ca. 10.000 gehörlose Menschen. Die österreichische Gebärdensprache wurde im Jahr 2005 als eigenständige Sprache in die Verfassung aufgenommen. Die in der Gesellschaft kaum vorhandene Kenntnis darüber spiegelt sich bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen wieder.

Kommunikationsdefizite im Gesundheitswesen haben für gehörlose Menschen gravierende Folgen: mangelnde Aufklärung, Fehldiagnosen, Fehlbehandlungen und daher schlechterer Krankheitsverlauf.

Das Risiko einer unbefriedigenden Kommunikation im Gesundheitswesen oder gar deren Abbruch wird von Fachleuten als sehr hoch eingeschätzt. (Studie von Steinberg et al., Deaf woman: experiences and perceptions of healthcare system access, 2002.

Zusätzlich zum menschlichen Leid erhöht das Fehlen einer klaren Kommunikationsmöglichkeit, wie z.B. über professionelle DolmetscherInnen, nachweislich den Kostenaufwand im Gesundheitssektor.

(Studie von Hampers and McNulty,2002). So behandeln Ärzte PatientInnen, mit denen sie nicht gut kommunizieren können, generell konservativer und nehmen überwiegend stark gerätemedizinische Zusatzuntersuchungen vor.

Angesichts der demografischen Entwicklung werden in Zukunft immer mehr gehörlose Menschen Gesundheitseinrichtungen oder Langzeitpflegeeinrichtungen frequentieren. Es besteht derzeit noch großer Handlungsbedarf um diese Patientengruppe wertfrei und im Sinne der Kommunikation barrierefrei zu behandeln.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1)    Wie viele Gehörlosenambulanzen gibt es derzeit in Österreich?

(Bitte auch um Auflistung der Standorte)

 

2)    Wie ist eine barrierefreie Notfallbehandlung für gehörlose Menschen mit Hilfe von Gebärdensprachdolmetschern außerhalb der Öffnungszeiten der Gehörlosenambulanzen geregelt?

 

3)    Wie ist sichergestellt, dass ÄrtzInnen auch in  allen anderen Ambulanzen und Krankenhäusern ihrer ärztlichen Aufklärungspflicht gegenüber gehörlosen Menschen nachkommen können?

 

4)    Gibt es einen eigenen Pool an GebärdensprachdolmetscherInnen für den Gesundheitsbereich?

 

5)    Wurden Maßnahmen gesetzt, um professionelle Gebärdensprachdolmetscher für den Gesundheitsbereich auszubilden?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

 

6)    Wie stehen Sie zum Einsatz von Angehörigen (z.B. Kinder) als ÜbersetzerInnen bei Arztgesprächen bzw. Gesprächen mit dem Gesundheitspersonal?

 

7)    Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um ÄrztInnen und Pflegepersonal für den Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu schulen?

 

8)    Was wurde diesbezüglich in den Qualitätsmanagementsystemen der Krankenhäuser verankert?

 

9)    Welche Maßnahmen wurden gesetzt, damit niedergelassene ÄrztInnen bei Bedarf Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung haben?

 

10) Wurden zu diesem Thema Gespräche mit den Gebietskrankenkassen und den Ländern geführt?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

 

11) Wohin bzw. an wen kann sich ein niedergelassener Arzt, der Übersetzungshilfe benötigt, wenden?

 

12) Wer trägt in einem solchen Fall die Kosten der angeforderten GebärdensprachdolmetscherIn?

 

13) Wer haftet nach derzeitigem Rechtsstand für mangelnde Aufklärung, Fehlbehandlungen oder Fehldiagnosen, wenn diese durch eine mangelhafte Übersetzung hervorgerufen wurden?

 

14) Welcher Ablauf ist derzeit in Krankenhäusern vorgesehen, wenn eine gehörlose Patientin/ein gehörloser Patient in die Ambulanz kommt?

 

15) Wer ist derzeit für die Organisation eines Gebärdensprachdolmetschers in Krankenanstalten verantwortlich?

 

16) Wer trägt die Kosten für Gebärdensprachdolmetschdienste im Gesundheitswesen?

 

17) Wo ist diese Kostentragung derzeit gesetzlich geregelt?

 

18) Werden den Krankenhäusern sowie den niedergelassenen ÄrtztInnen von Ihrem Bundesministerium Gelder für Gebärdensprachdolmetschkosten zur Verfügung gestellt?

 

19) Wie viele GebärdensprachdolmetscherInnen sind derzeit österreichweit im Gesundheitswesen eingesetzt?

 

20) Werden von Ihrem Ministerium Maßnahmen zur Qualifikation dieser GebärdensprachdolmetscherInnen angeboten?

 

21) Ist es derzeit für gehörlose Menschen möglich, in den Apotheken in Gebärdensprache beraten zu werden?

 

22) Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit gehörlose Menschen auch in Apotheken barrierefrei in Gebärdensprache  beraten werden können?

 

23) Psychotherapie in Gebärdensprache ist in Österreich erst in den Kinderschuhen. Welche Maßnahmen werden sie setzen, um gehörlosen Menschen dieses Angebot zur Verfügung zu stellen?

 

24) Wie werden Sie die Finanzierung dieses Angebotes regeln?

 

25) Werden Sie spezielle Aus- und Weiterbildung für Gebärdensprachdolmetscher, die in der Psychotherapie tätig sind, sicherstellen?