6515/J XXIV. GP
Eingelangt am 05.10.2010
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ANFRAGE
des Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend unzureichende Qualitätskontrolle von Sachverständigen-Gutachten am Beispiel Primar Univ.-Prof. Dr. Haller
In den letzten Jahren häufen sich – auch in den Medien - die Vorwürfe gegen Sachverständige und Gutachter in Gerichtsverfahren. Immer wieder heißt es, dass vereinzelt Gutachten erstellt werden, die schon lange nicht mehr „State of the Art“ seien.
Immer wieder werden auch Fälle an den Antragsteller herangetragen, bei denen das Erstgutachten durch ein Zweitgutachten widerlegt wird und das Erstgutachten als „unprofessionell“ oder „...von der methodischen Konzeption unzureichend und zum Teil äußerst unkorrekt...“ bezeichnet wird. Unmittelbare Konsequenzen für die Erstgutachter scheint es aber deswegen nicht zu geben.
Für besonderes Aufsehen sorgte in letzter Zeit die angebliche Praxis der Gutachtenserstellung des gerichtlich beeideten Sachverständigen Herrn Primar Univ.-Prof. Dr. Reinhard Haller. Ihm wird vorgeworfen, bei der Erstellung des Prognosegutachtens des im Maßnahmenvollzug festgehaltenen Häftlings Juan C. C. die Mindestanforderungen für Prognosegutachten bei weitem nicht eingehalten zu haben. Hierzu heißt es in de „Neuen Zeitschrift für Strafrecht“: „Für Prognosegutachten sind die Eignung und die Validität psychologischer Tests von besonderer Bedeutung und müssen im Gutachten dargelegt werden“ (NStZ, 2006, S.542). Die Standards für psychologisches Testen gelten auch für projektive Verfahren (Häcker et al., 1998, S.5) und sind bei rechtlichen Auseinandersetzungen unvermeidlich (Häcker et al., 1998, S.3).
Entgegen dem Stand der empirischen Wissenschaft und der Rechtswissenschaften soll der Gerichtssachverständige Univ.-Prof. Dr. Haller „bei allen bedeuteten Kriminalverfahren der letzten Jahre“ (siehe Klage vom 27.10.2009, S.4) projektive Testverfahren, welche den o.a. Standards nicht im Entferntesten genügen, verwendet haben. Dies ergebe sich auch aus den einschlägigen Rechtspublikationen (z.B. NStZ, 2005, S.57-62; NStZ, 2006, S.537-544, etc.).
Auch kursieren Gerüchte, dass der Gerichtssachverständige Univ.-Prof. Dr. Haller Gutachten ähnlich einer Fließbandarbeit erstellen würde. Hier sollen die verschiedenen Passagen wie Bausteine mittels Copy/Paste zusammengestellt werden und teilweise sogar auf das Ausbessern der betreffenden Namen vergessen werden.
Im Jahr 2008 wurde die Zertifizierung von Herrn Univ.-Prof. Dr. Haller für weitere 10 Jahre verlängert.
Es stellte sich deshalb schon mehrmals die Frage, wie das Erreichen der notwendigen Qualitätsstandards bei der Gutachtenserstellung gewährleistet werden kann bzw. welche Sanktionsmechanismen bei Verstößen gegen die Standesregeln der Sachverständigen greifen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Sind Ihnen die Vorwürfe gegen Herrn Univ.-Prof. Dr. Haller bekannt?
2. Wenn ja, seit wann sind Ihnen diese Vorwürfe bekannt?
3. Wie wurden die Vorwürfe gegen Herrn Univ.-Prof. Dr. Haller überprüft?
4. Wie viele Kriminalprognosegutachten hat Univ.-Prof. Dr. Haller abgefasst?
5. In wie vielen dieser Gutachten, kam Univ.-Prof. Dr. Haller zu einer positiven Prognose?
6. Wurden bei der Rezertifizierung von Herrn Univ.-Prof. Dr. Haller Stellungnahmen jeder Richterinnen und Richter eingeholt in deren Verfahren Herr Univ.-Prof. Dr. Haller tätig geworden ist?
7. Wenn nein, warum nicht?
8. Wurde Herr Univ.-Prof. Dr. Haller beim Rezertifizierungsverfahren um Mitteilung ersucht, welche Fortbildungsaktivitäten er in seinem Fachgebiet unternommen hat?
9. Wenn nein, warum nicht?
10. Wurde Herr Univ.-Prof. Dr. Haller im Rahmen des Rezertifizierungsverfahrens aufgefordert einen Bildungs-Pass oder sonstige entsprechende Unterlagen und Bestätigungen über absolvierte Fortbildungen oder eigenen Vortragstätigkeiten sowie eigene Publikationen vorzulegen?
11. Wenn nein, warum nicht?
12. Wurden im Rezertifizierungsverfahren betreffend Herrn Univ.-Prof. Dr. Haller darüber hinausgehende Ermittlungen angestellt, ein Gutachten der Kommission gemäß § 4a SDG oder eine Äußerung eines qualifizierten Mitglieds dieser Kommission eingeholt?
13. Wenn nein, warum nicht?
14. Halten sie einheitliche Durchführungsbestimmungen für die Qualitätskontrolle im Zertifizierungs- und Rezertifizierungsverfahren für sinnvoll?
15. Wenn ja, welche Maßnahmen wurden von ihrem Ressort bereits ergriffen um einheitliche Kriterien bei der Qualitätskontrolle festzulegen?
16. Wenn nein, warum nicht?