6612/J XXIV. GP

Eingelangt am 15.10.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Dr. Martin Graf

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

 

betreffend Ständige Vertretung Österreichs bei der EU in Brüssel

 

"…Österreich lag mit 141 Beschäftigten (Vollbeschäftigungsäquivalente) in der Ständigen Vertretung bei der EU in Brüssel im Vergleich von 15 Staaten der EU an vierter Stelle. Weitere rd. 146 Mitarbeiter (Vollbeschäftigungsäquivalente) waren in den Koordinationsabteilungen der Bundesministerien in Österreich tätig. Jährliche Tätigkeits–, Leistungs– oder Erfolgsberichte fehlten. Neben der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU bestanden in Brüssel drei weitere Vertretungen und acht eigenständige Büros der Bundesländer an insgesamt zwölf verschiedenen Standorten. Alle Vertretungen beschäftigten insgesamt rd. 219 Mitarbeiter (Vollbeschäftigungsäquivalente); sie verursachten Ausgaben von mindestens rd. 25 Mill. EUR jährlich. Darüber hinaus bestand noch eine Vielzahl weiterer Repräsentanzen österreichischer Institutionen in Brüssel. Synergien bei den Standorten wurden unzureichend ausgeschöpft ….",

so die Kurzfassung des am 19.08.2010 unter RH GZ 860.107/002-S3-1/10 (III-172 dB NR XXIV GP) veröffentlichten Rechnungshofberichtes.

Dieser bestätigt in vielen Belangen die freiheitichen Befürchtungen welche bereits durch eine Serie von parlamentarischen Anfragen an das BMEIA dokumentiert wurden.

 

Dieser Rechnungshofbericht führt weiter aus:

 

"….Ziele der Überprüfung waren die Beurteilung der Organisation sowie der Aufgabenerfüllung der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU in Brüssel (Ständige Vertretung) einschließlich Schnittstellen zu anderen präsenten Vertretungen sowie die Evaluierung des Ressourceneinsatzes für Angelegenheiten der EU in Brüssel und in Österreich.

 

 Die Vertretungen in Brüssel beschäftigten insgesamt rd. 219 Mitarbeiter (Vollbeschäftigungsäquivalente); dies verursachte Ausgaben von mindestens rd. 25 Mill. EUR jährlich.

 

Der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU gehörten Vertreter aller Bundesministerien, der Verbindungsstelle der Bundesländer sowie der Sozialpartner und Interessenvertretungen an. Im Jahr 2008 waren in der Ständigen Vertretung 141 Vollzeitbeschäftigte tätig. Seit 1995 erhöhte sich die Anzahl der Mitarbeiter um rd. 40 %. Lediglich das BMeiA sowie das BMWFJ verringerten ihren Mitarbeiterstand.

 

Eine österreichische Besonderheit stellte allerdings dar, dass auch die Sozialpartner und die Interessenvertretungen Teile der Ständigen Vertretung waren. Diese Sonderstellung sicherten die damaligen Regierungsparteien den Sozialpartnern 1994 in einem Abkommen zu. Von 1995 bis 2008 erhielten diese vom Bund für ihre Aktivitäten bei der EU insgesamt rd. 36,4 Mill. EUR.

 

Es fehlte ein Tätigkeits–, Leistungs– oder Erfolgsbericht samt Kenn­zahlen, um die Leistungen und den Beitrag der Ständigen Vertretung im Rahmen der Willensbildung und Rechtsetzung der EU in Bezug zum Ressourceneinsatz transparent darzustellen. Auch der Internetauftritt zur Präsentation der Aufgaben und Leistungen sowie zur Darstellung der Strukturen und Arbeitsweise der EU barg Verbesserungspotenzial.

 

Das BMeiA bzw. die fachlich zuständigen Bundesministerien koordinierten jeweils die innerstaatlichen Positionen und übermittelten diese an die Ständige Vertretung Österreichs. Gemäß einer Auswertung vom November 2008 langten allerdings 14 % der Weisungen weniger als zwei Stunden vor der Sitzung der Ständigen Vertreter und 15 % erst während der Sitzung ein. Die Referenten (Attachés) der Ständigen Vertretung Österreichs nahmen unterschiedlich häufig an Sitzungen teil. Die Schwankungsbreite betrug 2008 zwischen durchschnittlich 45 und 146 absolvierten Sitzungen je Referent. 39 % der Sitzungen wurden von Wien aus beschickt.

Die Ständige Vertretung Österreichs bestand aus sechs Abteilungen des BMeiA sowie insgesamt 22 Abteilungen der Bundesministerien und der anderen vertretenen Einrichtungen. Einzelne Abteilungen bestanden nur aus einem oder zwei Bediensteten bzw. Referenten. Die zahlreichen kleinen Abteilungen erschwerten einen flexiblen Personaleinsatz und ein Nutzen von Synergieeffekten.

Das Personalverwendungsverzeichnis enthielt nur die Bediensteten des BMeiA, nicht aber die von den Bundesministerien und anderen Einrichtungen entsandten Mitarbeiter und deren Tätigkeitsbereiche.

Für die von den einzelnen Bundesministerien in unterschiedlicher Form und Höhe ausbezahlten Gehaltszuschläge für Öffentlichkeitsarbeit und Kontaktpflege fehlte eine gesetzliche Grundlage.

Das BMeiA und andere Bundesministerien gewährten die Zuschläge für Öffentlichkeitsarbeit und Kontaktpflege in Form von monatlichen Vorschüssen.

Die Zuerkennung von Wohnkostenzuschüssen, Funktionszuschlägen und Überstundenvergütungen entsprach nicht immer den gesetzlichen Bestimmungen.

In den Koordinationsabteilungen der Bundesministerien in Wien waren zwischen 2005 und 2008 rd. 146 und in jenen der Bundesländer rd. 19 Beschäftigte (Vollbeschäftigungsäquivalente) tätig.

Eine Übersicht über die Ausgaben für Auslandsdienstreisen der Bun­desministerien zu Gremien der EU fehlte.

Die Bundesministerien verzichteten auf die vom Rat der EU zur Verfügung gestellte Möglichkeit zum Ersatz von Ausgaben für Aus­landsdienstreisen in Höhe von rd. 109.000 EUR, weil sie entsprechende Anträge nicht stellten.

Das Nutzungsentgelt je m2 für die Räumlichkeiten der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU (6.703 m2) war sowohl im Vergleich zu anderen vom Bund in Brüssel angemieteten Räumlichkeiten als auch zu den aktuellen Richtpreisen für Büromieten deutlich höher. Statt einer Indexierung war eine fixe jährliche Erhöhung vereinbart.

Da nicht alle Vertreter der Bundesministerien im Gebäude der Ständigen Vertretung untergebracht waren, entstanden für den Bund durch zusätzliche Anmietungen auch zusätzliche Ausgaben. Durch die getrennte Unterbringung der Ständigen Vertretung und der Österreichischen Botschaft konnten Synergien nicht entsprechend genutzt werden.

Die Betriebsausgaben für das Gebäude der Ständigen Vertretung waren im Vergleich zu anderen vom Bund angemieteten Räumlichkeiten überdurchschnittlich hoch. Rund 60 % der Betriebsausgaben entfielen auf den Sicherheitsdienst und die Gebäudereinigung. Das BMeiA überprüfte die Betriebsausgaben nicht.

Der Leiter der Ständigen Vertretung wohnte während des Umbaus seiner Residenz vom Mai 2004 bis Dezember 2005 in einem Hotel, wofür Hotelkosten von rd. 67.000 EUR anfielen.

Der Bund verfügte über vier Residenzen und zwei Amtswohnungen in Brüssel. Eine Residenz der Militärvertretung stand leer. Überprüfungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Eignung für Repräsentationszwecke erfolgten nicht. …"

 

Der Rechnungshof zeigt somit abermals und wiederholt Missstände im Wirkungsbereich des BMEIA auf. Das BMEIA hingegen weist Vorwürfe von sich und antwortet nur ausweichend auf konkret gestellte parlamentarische Anfragen. Auch werden geforderte vorhandene Grundlagenpapiere seitens des BMEIA nicht herausgegeben und somit das Interpellationsrecht der Abgeordneten geschmäht.

Die Abgeordneten möchten auch festhalten, daß aufgrund der leider in letzter Zeit nicht immer kooperationsvollen Informationspolitik des BMEIA nur das Interpellationsrecht genutzt werden kann. Der in den Kulissen transportierte "Mehraufwand" ist aufgrund der vorhandenen Vernetzungen durch ELISA/ELAK sowie der BMEIA Statistiken eindeutig nicht zutreffend

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten nachstehende

 

Anfrage:

 

1.                            Welche Kostenersätze haben die Sozialpartner und Interessensvertretungen für die Nutzung von Büroräumen und Besprechungsräumen in den Jahren 2005 bis 2008 der Ständigen Vertretung respektive dem BMEIA erstattet?

                        a.) Wenn keine, warum nicht?

 

2.                            Welche Auslandsdienstreisekosten sind Ihrem Ressort in den Jahren 2005 - 2008 spezifisch für Reisen von und nach Brüssel entstanden?

 

3.                            Wie viele Beamte Ihres Ressorts sind aus Wien, wie oft und wie lange zu welchen Sitzungen nach Brüssel in den Jahren 2005 - 2008 gefahren?

a.) Wie wurde sichergestellt, dass die Aufgabe nicht durch einen Kollegen der Ständigen Vertretung hätte wahrgenommen werden können?

 

4.                            Warum konkret wurde auf die vom Rat der EU gestellte Möglichkeit zum Ersatz von Ausgaben für Auslandsdienstreisen am Antragsweg seitens Ihres Ressorts verzichtet?


                          a.) Wie hoch beziffert sich der in Ihrem Ressort in den Jahren 2005 - 2008 und 2009 entstandene Fehlbetrag?

 

5.                            Wie wurde bisher konkret der bereits 1995 seitens des BMEIA eingebrachte MR Vortrag zur Personaleinsatzoptimierung im Sinne des BHG seitens Ihres Ressorts umgesetzt?

 

6.                            Welche Maßnahmen haben Sie in Ihrem Ressort getroffen um die Tätigkeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichte samt Kennzahlen in Bezug zum Ressourceneinsatz bei der Ständigen Vertretung transparent darzustellen?

a.) Wie sieht der Tätigkeits-, Leistungs- oder Erfolgsbericht samt Kennzahlen in Bezug Ihres Ressorts bei der Ständigen Vertretung aus?

b.) Welche konkreten Maßnahmen haben Sie getroffen um das ELISA System in das ELAK System einzufügen?

 

7.                            Wie erklären Sie konkret die unterschiedliche Form und Höhe von ausbezahlten Gehaltszuschlägen ohne gesetzliche Grundlage an Mitarbeiter Ihres Ressorts bei der Ständigen Vertretung?

                        a.) Wie werden Sie die fälschlich ausgezahlten Beträge wieder einbringen? Wenn keine Einbringung, warum nicht?

 

8.                            Wie erklären Sie konkret die Praxis von monatlichen Vorschüssen für gewährte Zuschläge an Mitarbeiter Ihres Ressorts bei der Ständigen Vertretung?

 

9.                            Wie erklären Sie konkret die nicht immer den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Zuerkennung von Wohnkostenzuschüssen, Funktionszuschlägen und Überstundenvergütungen an Mitarbeiter Ihres Ressorts bei der Ständigen Vertretung?

                        a.) Welche Maßnahmen haben Sie diesbezüglich getroffen? Wenn keine, warum nicht?

                        b.) Wie werden Sie die fälschlich ausgezahlten Beträge wieder einbringen? Wenn keine Einbringung, warum nicht?

 

10.                         Können Sie anhand eines Belegungskalenders die durchschnittliche Nutzung durch Interessensvertreter wie AK und ÖGB der Besprechungsräume in der Av. Cortenbergh der letzten vier Jahre beibringen?

a.) Wie kommt es, dass die Besprechungs- und Sitzungsräume mehrheitlich von Interessensvertretungen genutzt werden?

b.) Welche Abgeltungen wurden für diese Nutzungen der Ständigen Vertretung respektive dem BMEIA erstattet?

 

11.                         Welche Maßnahmen haben Sie in Ihrem Ressort oder mit dem BMEIA, getroffen um eine Verbesserung des Internetauftrittes respektive deren Vereinheitlichung zur Verbesserung der Präsentation der Aufgaben und Leistungen sowie zur besseren Darstellung der Strukturen (inkl. Personalverwendungsverzeichnis) und Arbeitsweisen der EU zu bewirken?

a.) Wenn keine Maßnahmen, warum nicht?

 

12.                         Wie erklären Sie sich, trotz ministerieller und interministerieller Abstimmung, dass 14% der Weisungen weniger als 2 Stunden vor der Sitzung der ständigen Vertreter einlangen?

a.) Welche diesbezüglichen Maßnahmen haben Sie für die Hinkunft getroffen?

b.) Wenn keine Maßnahmen, warum nicht?


13.                         Wie erklären Sie sich, trotz ministerieller und interministerieller Abstimmung, dass 15% der Weisungen erst während der Sitzung der ständigen Vertreter einlangen?

a.) Welche diesbezüglichen Maßnahmen haben Sie für die Hinkunft getroffen?

 

b.) Wenn keine Maßnahmen, warum nicht?

 

14.                         Wie erklären Sie die Notwendigkeit der Beschickung der Sitzungen aus Wien mit rund 39% obwohl die Ständige Vertretung selbst einen hohen Personalstand aufweist?

 

15.                         Wie erklären Sie sich die deutlich höhere Richtpreismiete des Nutzungsentgeltes pro m² für Räumlichkeiten welche von der Ständigen Vertretung genutzt werden?

a.) Warum wurde statt einer üblichen Indexierung eine fixe jährliche Mieterhöhung vereinbart?

 

16.                         Wie erklären Sie das Zustandekommen der hohen Hotelkosten des Leiters der Ständigen Vertretung während des 8 monatigen Umbaus der Residenz anstatt diesen gesondert woanders anzumieten oder einstweilen eine der vorhandenen leeren Residenzen der Militärvertretung zu nutzen?

 

17.                         Welche Prüfungen der Residenzen und Amtswohnungen, hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Eignung für Repräsentationszwecke, wurden wie durchgeführt?

a.) Wenn keine Prüfung, weshalb nicht?

 

18.                         Weshalb hat das BMEIA die Betriebsausgaben, welche zu 60% aus Sicherheitsdienst- und Reinigungskosten bestehen, nicht überprüft?

a.) Wie hoch beziffern Sie den der Republik Österreich daraus entstandenen Schaden?

 

19.                         Welche Förderungen für "Integrationspolitische Tätigkeiten" erhielten die Landwirtschaftskammer, die Bundesarbeitskammer, sowie der Gewerkschaftsbund, tabellarisch pro Jahr und Zweck dargestellt, in den Jahren 2005 - 2008 seitens Ihres Ressorts?

a.) Welche Förderungen erhielten die o.a. seit 2009 seitens Ihres Ressorts?

 

20.                         Welche Maßnahmen haben oder werden Sie, durch ministerielle oder interministerielle Abstimmung oder Ähnlichem treffen um die durchschnittliche Delegationsgröße bei EU-Ministerräten oder Ratsarbeitsgruppen zu reduzieren?

a.) Wenn keine Maßnahmen, warum nicht?

 

21.                         Sind Sie der Auffassung, dass das Europa-Abkommen 1994 v. 22. 04. 1994 von SPÖ und ÖVP mit den Sozialpartnerorganisationen und deren dauerhafte Einbindung in die Ständige Vertretung, nach erfolgter Europäischer Integration Österreichs in die EU, noch zeitgemäß und unabdinglich ist?

a.) Wenn ja, begründen Sie dies?

b.) Wenn nein, warum nicht?

c.) Welche direkten und indirekten Kosten entstehen Ihrem Ressort jährlich aufgrund dieser Einbindung?

 

22.                  Welche Maßnahmen werden Sie aus diesem RH Bericht auch für die Ständigen Vertretungen in Genf und New York ableiten und konkret setzen?