6644/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.10.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Musiol, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend

 

betreffend Das verschwundene Armutskapitel im Familienbericht 1999-2009

 

Am 14. Juni 2010 präsentierte Familienstaatssekretärin Marek den Familienbericht 1999-2009 in der Orangerie in Schönbrunn. Der letzte Familienbericht wurde vor 10 Jahren verfasst. Am 14. September 2010 wurde der Familienbericht im Familienausschuss behandelt. Zudem fand im Ausschuss ein ExpertInnenhearing dazu statt.

 

Entgegen der ursprünglichen Ankündigung der ÖVP, zum Familienbericht auch eine Debatte im Plenum des Nationalrats abhalten zu wollen, änderte die ÖVP im September 2010 ihre Meinung und wollte den Bericht im Familienausschuss „enderledigen“, d.h. ihn per Beschluss im Ausschuss zur Kenntnis nehmen, ohne öffentliche Debatte im Nationalratsplenum.

 

Erst auf Druck und Antrag der Grünen wurde der Bericht schließlich am 22. September 2010 auf die Tagesordnung des Nationalratsplenums gesetzt. Bereits damals haben die Grünen darauf hingewiesen, dass wesentliche Problem-Themen stark unterbeleuchtet bzw. ausgespart wurden. Neben Integration und Jugendwohlfahrt fanden sich vor allem kaum Informationen zum Thema Familienarmut.

 

Nach Informationen, die den Grünen vorliegen, wurde seitens des BMFWJ ein Kapitel zum Thema Familienarmut in Auftrag gegeben. Jenes Kapitel wurde dem Ministerium seitens der AutorInnen (SFS – Sozialökonomische Forschungsstelle) auch übermittelt. Im Familienbericht 1999-2009, der dem Nationalrat am 22.September 2010 zur Abstimmung vorgelegt wurde, war das Kapitel zum Thema „Armut und Armutsbekämpfung“ jedoch nicht mehr enthalten. Ebenso vorenthalten wurden dem Nationalrat die Kurzfassung (Teil B) des Familienberichtes, welche nach Vorgaben des Familienministeriums mit sämtlichen AutorInnen der Teilberichte (Teil A des Familienberichtes) abgestimmt wurde, sowie weitere ursprünglich in Auftrag gegebene Kapitel des Familienberichts.

Der Familienbericht wurde um zentrale Daten zur Armutssituation von Familien und Kindern bereinigt. Abgestimmt wurde demnach über eine unvollständige, zensierte Fassung des 5. Familienberichts.

 

Im Kurier 2.10.2010 hält Familienstaatssekretärin fest: „Dieser Bericht ist nie an mein Büro übermittelt worden.“ Als Begründung, warum sich das beauftragte Kapitel nicht im Familienbericht fand, führte StS Marek im Kurier am 2.10.2010 an, dass „der Auftragnehmer laut Auffassung der Experten im Familienministerium nicht in ausreichender Qualität gearbeitet habe. Dem Ersuchen, das Kapitel zu überarbeiten, sei er nicht nachgekommen.“

 

Unserer Information nach sind die AuftragnehmerInnen der Aufforderung nach Überarbeitung bereits im Sommer 2009 nachgekommen und haben im Sommer 2009 einen nach den Vorgaben des für die Koordination des Berichtes verantwortlichen Beamten überarbeiteten Bericht in pdf Form übermittelt, auf Wunsch des Ministeriums im Herbst 2009 noch einmal als Word-Datei.

 

In der Zeit im Bild am 2.10.2010 wird StS Marek zitiert: „Hier handelt es sich um einen Bereich, der nicht einmal annähernd den Qualitätskriterien entsprochen hat.“

Von welchen Qualitätskriterien StS Marek spricht, führt sie nicht weiter aus.

Fakt ist, dass mit den AuftragnehmerInnen ISPM und SFS keine Qualitätskriterien vertraglich festgelegt worden waren, sondern vereinbart war, die jeweiligen Berichte als „state of the art“ bestehender Untersuchungen zu formulieren. Es war zu keinem Zeitpunkt des Projektes Familienbericht die Rede davon, dass Primärdaten seitens der AuftragnehmerInnen erhoben werden sollten. Zugesichert war ursprünglich ferner, dass kein Eingriff in das Urheberrecht sowie die textliche Darstellung der AutorInnen vorgenommen werden dürfe.

 

Im Kurier 2.10.2010 sowie in der Zeit im Bild am 2.10.2010 kommt auch jener Auftragnehmer zu Wort, der für diesen Teil des Familienberichts zuständig war. Nikolaus Dimmel (Institut für Social Profit Management – ISPM) wurde nach einem Vergabeverfahren im Jahr 2008 mit 40% des Familienberichts beauftragt. Gemäß seiner Aussagen wurde der Vertrag mit ISPM Mitte November 2009 rückwirkend 2 Monate nach erfolgter Abgabe des Endberichtes (Kurzfassung des Familienberichtes) am 15.9.2009 gelöst und für die geleistete Arbeit kein Honorar bezahlt. Der ausstehende Betrag liegt laut Dimmel im Kurier bei knapp 43.000 Euro, die das Ministerium dem ISPM schuldet. Ebenfalls ausständig ist die vollständige Begleichung der Honorarnote des SFS für die Vorlage des Teilberichtes zur Armut von Familien.

 

In der Zeit im Bild (2.10.2010) sagt Nikolaus Dimmel dazu, dass das Kapitel „Armut und Armutsbedrohung“ von Autorinnen und Autoren geschrieben worden ist, von deren ein anderes Bericht in den Familienbericht aufgenommen worden ist. Laut Bericht der Zeit im Bild vom 1.10.2010 handelt es sich dabei um das Kapitel „Wohn- und Lebenswelten von Familien“. Fakt ist, dass das Kapitel über die Armut von Familien mehrfach seitens des Bundesministeriums (Dr.Filler) mit dem Auftraggeber des Teilberichtes, Prof. Tom Schmid/SFS sowie mit Nikolaus Dimmel abgesprochen und nach Vorgaben des Bundesministeriums fristgerecht überarbeitet wurde.

 

Weiters interessant ist die Information von Nikolaus Dimmel im Kurier 2.10.2010 wonach das Ministerium nicht nur in diesem Berichtsteil über Armut und Armutsbedrohung, sondern in einer ganzen Fülle anderer Teile Dinge herausgestrichen hat. Fakt ist, dass zu sämtlichen Teilberichten im Vorlauf des Projektes nirgendwo vorher bekannt gegebene oder vertraglich vereinbarte externe Gutachter in Erscheinung getreten sind, welche Änderungen von Textpassagen urgiert haben. So hat etwa im Abschnitt / Teilbericht über familienpolitische Leistungen der Bundesländer der niederösterreichische Sektenbeauftragte Peter Pitzinger mehrfach Änderungen urgiert.

Laut Bericht der Zeit im Bild (2.10.2010) fehlen sämtliche kritische Ausführungen über sozial benachteiligte Familien in Österreich.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Wie viel hat die Erstellung des Familienberichts gekostet?

 

  1. Wer koordinierte die Berichtserstellung namentlich seitens des BMWFJ?

 

  1. Wer beurteilte namentlich im BMWFJ über die Qualität der einzelnen Berichtsteile?

 

  1. Welche externen Gutachter hat das BMWFJ herangezogen, um die Qualität der einzelnen Teile des Familienberichtes zu beurteilen?

 

  1. Nach welchen Gesichtspunkten wurden diese Gutachter rekrutiert? 

 

  1. Waren diese externen Gutachten mit den AuftragnehmerInnen des Familienberichtes vertraglich vereinbart?

 

  1. Wer waren die einzelnen AuftragnehmerInnen zur Erstellung des Familienberichts?

 

  1. Welche Themenbereiche sollten laut Ausschreibung 2008 im Familienbericht 1999-2009 enthalten sein?

 

  1. Wie lautete die Ausschreibung des Familienberichts 2008 wortwörtlich?

 

  1. War von den ExpertInnen laut Ausschreibung 2008 auch gewünscht, dass diese in den einzelnen Bereichen auch Empfehlungen abgeben?

 

  1. Welche Qualitätskriterien, die StS Marek in der Zeit im Bild vom 2.10.2010 anspricht, sollten von den ExpertInnen erfüllt werden?

 

  1. Welche Fristen (Abgabe) waren für die Erstellung des Familienberichtes (Teil A; B) vertraglich vereinbart?

 

  1. Hat sich das BM Wirtschaft, Familie und Jugend an diese Fristen gehalten?

 

  1. Welche Qualitätskriterien wurden im konkreten Fall des Kapitels „Armut und Armutsbedrohung“ nicht eingehalten?

 

  1. Wann wurde das Kapitel „Armut und Armutsbedrohung“ an das Ministerium übermittelt?

 

  1. In welcher Form wurde den AutorInnen ein Nachbesserungsauftrag erteilt?

 

  1. Welche Punkte wurden beanstandet?

 

  1. Was sollte SFS konkret verändern und in welcher Weise hat sie es verändert?

 

  1. Wann erhielt das Ministerium die überarbeitete Version des Kapitels von SFS?

 

  1. In welcher Form wurde der Vertrag mit SFS und ISPM rückwirkend gekündigt?

 

  1. Aus welchem Grund?

 

  1. Welche Kapitel wurden seitens des Ministeriums ohne Nachbesserungsaufträge in den Familienbericht aufgenommen?

 

  1. Bei welchen Kapiteln erteilte das Ministerium Nachbesserungsaufträge?

 

  1. Was wurde jeweils beanstandet? Aus welchen Gründen?

 

  1. Ist es üblich, dass das Ministerium bzw. die BeamtInnen des Ministeriums, ohne das politische Büro des Ressorts zu informieren, inhaltliche Änderungswünsche nach Erhalt eines beauftragten Kapitels stellt?

 

  1. Wurde ein Mediator für den Fall von auftretenden Auffassungsunterschieden im Familienbericht nominiert (bitte um Angabe der Person)?

 

  1. Warum wurde dieser Mediator nicht tätig?

 

  1. Werden ExpertInnen für Nachbesserungen extra bezahlt oder sind diese Teil der Vereinbarung?

 

  1. Gibt es neben dem Kapitel „Armut und Armutsbedrohung“ noch weitere Teile, die in den Bericht nicht aufgenommen wurden?

 

  1. Wenn ja, wie lauten sie?

 

  1. Aus welchem Grund wurden sie nicht aufgenommen?

 

  1. Von welchen ExpertInnen wurden diese erarbeitet?

 

  1. Wird die ausstehende Summe von 43.000 Euro an ISPM noch überwiesen?

 

  1. Wenn ja, wann?

 

  1. Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Gibt es weitere Auftragnehmer, die für den Familienbericht gearbeitet haben, dafür aber finanziell nicht entschädigt wurden?

 

  1. Wie werden Sie gewähren, dass das Thema „Armut und Familie“ aus Sicht Ihres Ressorts wissenschaftlich aufgearbeitet und in den politischen Diskurs gebracht wird?

 

  1. Wie haben Sie insbesondere vor, Ihrer Berichtspflicht an den Nationalrat bezüglich des Themenbereiches „Familie und Armut“ nach zu kommen?

 

  1. Glauben Sie schließlich, dass diese Angelegenheit gerade im Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung dem internationalen Ansehen Ihres Ressorts zuträglich ist und wieso?