6688/J XXIV. GP

Eingelangt am 21.10.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Jarolim und GenossInnen

an die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung, Dr. Beatrix Karl

betreffend

Massive Mängel in der Wahrnehmung der Rechtsaufsicht über die Medizinischen Universität Innsbruck (MUI) & weiterhin unhaltbare Zustände an und in der Führung dieser Universität

Wie aus Zeitungsberichten bereits bekannt, fällt die Universitätsklinik Innsbruck bedauerlicherweise in letzter Zeit vermehrt durch schwere Behandlungsfehler und v.a. eigenartigen Umgang (auch des Spitalsträgers Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH/TILAK) in der Behebung dieser Umstände auf. Nicht die Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen sondern die Aufzeiger der Missstände sollen mit allen Mitteln mundtot gemacht werden. Diesem unverantwortlichen Treiben eines Zirkels von Personen in der Universitätsklinik Innsbruck und der TILAK zum Schaden kranker Menschen ist daher ein Ende zu setzen.

Der auf schwere Behandlungsfehler und Ignoranz einzelner Ärzte zurückzuführende Tod eines dreijährigen Kindes im April 2010 ist eines der unaufgeklärten tragischen Ereignisse an der Medizinischen Universität Innsbruck. Aber nicht nur in der Kinderklinik, sondern auch in der HNO- Abteilung Innsbruck sind die Zustände nach wie vor unhaltbar und erschütternd. Seit rund 1 ½ Jahren ermitteln das Landeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Innsbruck nun schon in der Causa Riechelmann ohne dass die Verantwortlichen auch nur Ansatzweise – außer der Verfolgung der Aufdecker – reagiert hätten:

Der HNO-Chef der Medizinische Universität Innsbruck und Primar des Tiroler Landeskrankenhauses, Prof. Riechelmann, beim Klinikpersonal in Ulm angeblich auch als der "Schlächter von Ulm" bekannt, ist in 26 Fällen der fahrlässigen schweren Körperverletzung und in zwei Fällen der fahrlässigen Tötung beschuldigt. In Anbetracht dieser unerträglichen Situation an der MUI ist die Bereitschaft der TILAK zur Aufklärung der unfassbaren Ereignisse nicht nachvollziehbarerweise außerordentlich gering. Das Vertrauen der PatientInnen in eine funktionierende medizinische Versorgung und eine seriöse Klinikführung ist zu tiefst erschüttert.

Die Witwe des verstorbenen Patienten Bernhardt hat mittlerweile Prof. Riechelmann auch zivilrechtlich in Anspruch genommen.

Ein weiterer Patient - dessen Schicksal nach einer auch von Prof. Riechelmann durchgeführten Tumoroperation mit Kieferspaltung im Strafverfahren noch nicht erwähnt wurde, macht ebenfalls Schadenersatzansprüche gegen Prof. Riechelmann geltend.

Trotz eines anhängigen Ermittlungsverfahrens ist Prof. Riechelmann nach wie vor uneingeschränkt tätig. Eine Überprüfung der ihm im Strafverfahren angelasteten Komplikationen durch die MUI hat nicht stattgefunden. Der Krankenanstaltenträger TILAK hat Prof. Riechelmann dafür mit der Überprüfung der ihm vorgeworfenen Komplikationen beauftragt. Das Überprüfungsergebnis war vorhersehbar.

Hingegen wird Prof. Scholtz, der am 7. April 2009 im Interesse der Patienten den Sachverhalt zur Operation am Patienten Giuliani am 26. März 2009 der MUI, dem Universitätsrat, dem Krankenanstaltenträger TILAK und dem Landeskrimininalamt Tirol bekanntgegeben hat, aufgrund eines „Verzichts“ des Krankenanstaltenträgers TELAK auf seine in der Patientenversorgung (§ 29 Abs 4 Z 1 Universitätsgesetz 2002) seit 16. April 2009 (!) mit Einverständnis der MUI von Prof. Riechelmann in dessen Doppelfunktion als Primar der Landeskrankenanstalt und Ordinarius der MUI an der Patientenversorgung gehindert. Damit wird zwangsläufig und bewusst auch eine eklatante Beeinträchtigung von Prof. Scholtz in Lehre und Forschung erreicht.

Die Tatsache, dass Prof. Scholtz mit Billigung der MUI, TILAK und BM.WF in seiner Lehr- und Forschungstätigkeit nicht nur über das unhaltbare Verbot der Versorgung von Patienten, sondern auch durch Entzug von Forschungsmittel und der Forschung dienender Geräte faktisch zu einem funktionslosen Bundesarzt verstümmelt werden soll, ist nicht zu übersehen.

Es scheint, als wäre das BM.WF offensichtlich nicht bereit, bekannte Missstände an der MUI im Rahmen der Rechtsaufsicht abzustellen:

-      Eine Reaktion des BM.WF auf die Beschwerde des Prof. Scholtz über die Zerstörung des Beschleunigungsschlittens im Herbst 2009 erfolgte ein Jahr später mit der lapidaren Bemerkung, dass kein Grund für ein aufsichtsbehördliches Einschreiten vorlag.

-      Eine Reaktion des BM.WF darauf, dass die MUI auf rufschädigendes Verhalten von Prof. Riechelmann gegenüber Prof. Scholtz nicht tätig wird, ist nicht feststellbar.

-      Eine Erledigung der Berufung des Prof. Scholtz gegen den Bescheid des Amtes der MUI vom 29. März 2010 ist immer noch nicht feststellbar, obwohl für eine derartige Verzögerung kein Grund besteht – sieht man davon ab, dass der Schaden, der Prof. Scholtz zugefügt wird dadurch größer wird.

-      Obwohl dem BM.WF das HNO-fachärztliche Gutachten von Prof. Brusis, das im Auftrag der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) erstellt wurde, und damit die Tatsache, dass Prof. Scholtz am 26. März 2009 lege artis gehandelt hat, hat man es weder für notwendig befunden, entweder ein Gutachten durch das Amt der MUI einholen zu lassen oder den Ausführungen des von der GÖD eingeholten Gutachtens zu folgen und Prof. Scholtz unverzüglich anzuweisen, seine Tätigkeit in der Patientenversorgung aufzunehmen.

-      Aufgrund der Missstände an der MUI wurde schon einmal eine parlamentarische Anfrage (Nr. 4469/1-NR/2010) gestellt. Diese wurde vom BM für Wissenschaft und Forschung jedoch unvollständig und zum Teil unter Berücksichtigung falscher Tatsachen beantwortet.

Aspekte einer von Prof. Riechelmann mit Billigung durch die MUI und TILAK beabsichtigten exemplarischen Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und beruflichen Karriere von Prof. Scholtz als anerkannter HNO-Experte sind offenkundig. Jeder Arzt, der in Hinkunft auf die Idee kommen sollte, Patienteninteressen zu wahren, wird sich dies überlegen. Derart feudalistische, rückschrittliche und patientenfeindliche Strukturen sind mit den Zielsetzungen des Universitätsgesetzes und Patientenrechten völlig unvereinbar.

Unter Berücksichtigung der unvollständigen und zum Teil Tatsachenwidrigen Beantwortung der Anfrage Nr. 4469/1-NR/2010 stellen die unterzeichnenden Abgeordneten daher folgende Anfrage:

1.               Seit wann ist dem BM.WF bekannt, dass es über das Verhalten von Prof. Riechelmann während der OP am 26. März 2009 zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Prof. Scholtz und Prof. Riechelmann kam?

2.               Welche konkreten Veranlassungen wurden deshalb vom BM.WF gegenüber der MUI getroffen und wenn ja wann und wenn nein, wieso nicht?

3.       Seit wann ist dem BM.WF bekannt, dass gegen Prof. Riechelmann ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässig schwerer Körperverletzung in mehreren Fällen bzw. fahrlässiger Tötung in zwei Fällen geführt wird?

4.               Welche konkreten Veranlassungen wurden deshalb vom BM.WF gegenüber der MUI getroffen und wenn ja wann und wenn nein, wieso nicht??

5.        Welche konkreten Veranlassungen der MUI gegen Prof. Riechelmann sind dem BM.WF aufgrund des gegen diesen geführten Ermittlungsverfahrens zur Wahrung von Patienteninteressen und Einhaltung der Bestimmungen des § 29 UG 2002 an der HNO Innsbruck bekannt?

6.               Sollten solche bekannt sein, um welche konkreten Maßnahmen handelt es sich und sind diese nach Meinung des BM.WF ausreichend, um der Rechtsaufsicht zu entsprechen?

7.               Weshalb stellt die willkürliche Zerstörung eines Beschleunigungsschlittens, der für eine verbesserte Gleichgewichtsdiagnostik und Forschung mit Bundes-, Landes- und privaten Mitteln von Prof. Scholtz entwickelt und jahrelang verwendet wurde keine Handlung dar, die aufsichtsbehördliches Einschreiten erfordert?

8.               Seit wann ist dem BM.WF bekannt, dass Prof. Riechelmann die Firma Hennig telefonisch aufgefordert hat, Prof. Scholtz keine Geldmittel mehr zur Verfügung zu stellen und die Zusammenarbeit mit Prof. Scholtz auf dem Gebiet der Gleichgewichtsdiagnostik und Forschung einzustellen?

9.               Welche Veranlassungen wurden vom BM.WF aufgrund der rechtswidrigen Vorgangsweise des Prof. Riechelmann zur Herstellung des gesetzlichen Zustands durch die MUI getroffen?

10.  Haben Sie Kenntnis davon, dass die zur Beantwortung der Frage 4 (Anfrage Nr. 4469/1- NR/2010: Wie beurteilen Sie die Disziplinierung der beteiligten Oberärzte? Halten Sie diese für gerechtfertigt?) wiedergegebene Stellungnahme der MUI nicht den Tatsachen entsprach?

a.     Wenn ja: Aus welchem Grund werden dem Parlament unrichtige Stellungnahme übermittelt?

b.     Wenn nein: Welche Maßnahmen wurden oder werden gesetzt, um das diesbezügliche Verhalten der/s verantwortlichen Organe(s) der MUI gegenüber dem BM.WF zu sanktionieren?

11.  Wann wurde die von der MUI dem BM.WF zur Beantwortung der Anfrage Nr. 4469/1- NR/2010 tatsachenwidrig bekannt gegebene Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Prof. Scholtz notwendige Disziplinaranzeige an die die Disziplinarkommission beim BM.WF erstattet?


12.  Haben Sie Kenntnis davon, dass der MUI und dem Universitätsrat der MUI seit Mitte Mai 2009 eine Liste von mehr als 20 Komplikationen bei Eingriffen von Prof. Riechelmann vorliegt, die auch zwei Todesfälle beinhaltet?

a.     Wenn ja: Seit wann und welche Überprüfungsmaßnahmen wurden seitens der MUI gesetzt bzw. vom BM.WF veranlasst?

b.     Wenn nein: Welche Maßnahmen werden in diesen Fällen gesetzt?

13.  Haben Sie Kenntnis von den näheren Umständen, die zur Berufung von Prof. Richelmann an die MUI führten und ob dabei die entsprechenden Formalerfordernisse eingehalten wurden, insbesondere ob die Angaben von Prof. Richelmann in dessen Bewerbungsunterlagen über die von ihm bisher durchgeführten Operationen einer Plausibilitätskontrolle unterzogen wurden und die für eine Prüfung einer Bewerbung vorgesehene Vor- Ort- Überprüfung am Universitätsklinikum Ulm stattgefunden hat?

a.     Wenn ja: Seit wann?

b.     Wenn nein: Welche Maßnahmen dürfen vom BM.W_F zur Überprüfung dieser Umstände erwartet werden?

14.         Ist dem BM.WF bekannt, dass Prof. Scholtz aus der rechtswidrigen Verhinderung der Patientenversorgung bereits ein enormer finanzieller Nachteil entstanden ist und durch Aufrechterhaltung dieses gesetzwidrigen Zustands weiter entsteht?

15.         Wie hoch ist der bisherige Verdienstentgang von Prof. Scholtz und wer hat nach Meinung des BM.WF für diesen Schaden und weitere finanzielle Nachteile aufzukommen?

16.         Ist dem BM.WF bekannt, dass von der MUI Bundesstellen an Personen vergeben wurden, die, wie aus der Medienberichterstattung zu entnehmen ist, in Aussagen vor Gericht, MUI oder TILAK für Prof. Riechelmann Stellung bezogen haben?