6743/J XXIV. GP
Eingelangt am 22.10.2010
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ANFRAGE
des Abgeordneten Werner Neubauer
und weiterer Abgeordnete
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Meinungsfreiheit in Italien am Beispiel politischer Werbeplakate in Südtirol
zum 90. Jahrestag der Annexion Südtirols durch die „Süd Tiroler Freiheit“
„Besen-Plakate
beschlagnahmt – Ermittlungen gegen Klotz und Knoll“
Presseaussendungen der Südtiroler Landtagspartei „Süd-Tiroler Freiheit“ ist Folgendes zu entnehmen:
„Mit der Plakataktion, die die Bewegung Süd-Tiroler Freiheit zum 90. Jahrestag der Annexion Südtirols vorgestellt hat, sind die Landtagsabgeordneten Eva Klotz und Sven Knoll ins Visier der Bozner Staatsanwaltschaft geraten.
800 Plakate wurden gestern beschlagnahmt. Gegen Klotz und Knoll wird wegen „Schmähung der italienischen Fahne“ ermittelt.
Die Staatsanwaltschaft hat die Beschlagnahme bei Untersuchungsrichterin Isabella Martin beantragt, weil „durch die Verfügbarkeit die konkrete Gefahr bestehe, die Folgen der strafbaren Handlung zu erschweren.“
Beamte der Digos und der Carabinieri zogen daraufhin rund 800 Plakate beim Plakatierungsdienst „Südpla“ ein.
Stein des Anstoßes ist die Abbildung eines Besens auf den Plakaten, der die italienische Fahne vor sich herschiebt und eine weiß-rote Tiroler Spur nach sich zieht. „Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dass sich Italien aus Südtirol zurückziehen soll: 90 Jahre sind genug,“ so Klotz.
Die Ermittler deuten das anders. Der Besen fege die italienische Fahne „wie Schmutz weg, was zweifellos einer Verunglimpfung“ gleichkomme.
Laut Verfügung werde dadurch „die Fahne verächtlich gemacht und herabgewürdigt“, es werde „beschimpfender Unfug“ an der Flagge verübt.
Diese Missachtung werde in „rohem Maße für alle erkennbar, die das Plakat sehen.“ Das Recht auf Meinungsfreiheit komme nicht zum Tragen, da das Recht der Institutionen und Symbole verletzt werde, ihr Ansehen nicht herabgesetzt zu sehen.
„Ein Kehraus ist in der deutschen Sprache keine Beleidigung: Sonst würde man ja auch den Fasching beim Kehraus beleidigen. Es bedeutet nur, dass man etwas wegkehrt. Wir würden mit dem Plakat auch die Tiroler Fahne beleidigen, sie ist ja auch mit dem Besen zu sehen,“ sagt Eva Klotz.
Auch Sven Knoll steht weiterhin voll hinter der Aktion. „Sie trägt dazu bei, der Gesellschaft einen Spiegel vors Gesicht zu halten, wie es um die freie Meinungsäußerung bestellt ist“, meint er.
Die Reaktion auf die Plakate zeige auch, „wie das Recht gedehnt wird: In Gastlokalen sind Zuckerpäckchen im Umlauf, auf denen Mussolini abgebildet ist und wieder andere, auf denen steht: Duce, sei sempre nel mio cuore (Duce, du bist immer in meinem Herzen). Das stört offensichtlich niemanden, hier wird mit zweierlei Maß gemessen.“
Dem Ausgang der Ermittlungen wegen Verstoßes gegen Artikel 292 des italienischen Strafgesetzes (Schmähung der italienischen Fahne) sieht Klotz gelassen und gewappnet entgegen – „und nicht nur mit einem Besen.“
Man werde Geldbußen und die Androhung von Haftstrafen ertragen, wenn diese der Preis für freie Meinungsäußerung seien. "Keinesfalls werden wir uns von Italien jedoch das Recht nehmen lassen, offen auszusprechen, was wir von einem solchen Staat halten", bekräftigt die Bewegung "Süd-Tiroler Freiheit" in einer Aussendung.
Der Rechtsanwalt und Parlamentsabgeordnete der Südtiroler Volkspartei Dr. Zeller zeigte sich bestürzt über die nach seiner Meinung nach, weit überzogene Reaktion Italiens auf die Plakataktion der „Südtiroler Freiheit“.“
Die unterfertigten Abgeordneten weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei dem Artikel 292 des italienischen Strafgesetzes (Schmähung der italienischen Fahne) um einen Politparagraphen des alten faschistischen Strafgesetzbuches von 1931 handelt, welcher inhaltlich unverändert in Kraft geblieben ist, lediglich das Strafmaß wurde in den letzten Jahren durch eine Novellierung von bis zu 3 Jahren Haft auf schwere Geldstrafen geändert.
Die unterfertigten Abgeordneten verweisen auch darauf, dass der Faschismus und faschistisches Gedankengut in immer stärkerem Ausmaß das öffentliche Leben in Italien zu prägen beginnen, was Auswirkungen auf das Leben der deutschen und ladinischen Sprachgruppe in Südtirol hat.
Vor allem die mit Anhängern faschistischen Gedankengutes durchsetzte italienische Justiz wird zunehmend gegen aufrechte Demokraten unter Anwendung von Bestimmungen des immer noch in Geltung befindlichen faschistischen Strafgesetzbuches („Codice Rocco“) tätig. Erst unlängst wurde gegen den Alpenverein Südtirol (AVS) strafrechtlich vorgegangen, einschließlich Hausdurchsuchung in dessen Büro durch die Carabinieri. Das geschah deshalb, weil der Alpenverein bei der Ausschilderung von alpinen Wegen und Steigen nicht die erfundenen faschistischen Orts- und Flurnamensbezeichnungen, sondern die historischen ladinischen und deutschen Namen verwendet hat.
In Zusammenhang mit dem Vorgehen der italienischen Justiz gegen unsere Südtiroler Landsleute wegen des Plakates stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten folgende
Anfrage:
1. Was gedenken Sie als zuständiges Mitglied der österreichischen Bundesregierung in Ausübung der Schutzfunktion Österreichs für Südtirol aus diesem gegebenen Anlass heraus zum Erhalt der Meinungsfreiheit in Südtirol konkret zu unternehmen?
2. Auf welche Weise und in welcher Form wird der Staat Österreich in Hinkunft generell seine Schutzfunktion gegenüber Südtirol wahrnehmen?
3. Wird Österreich in Beobachtung der Schutzfunktion Österreichs und auch aus generellen menschenrechtlichen Erwägungen Initiativen zur Abschaffung der faschistischen Politparagraphen des italienischen Strafgesetzbuches setzen, wenn ja, auf welchen Ebenen? Wenn Nein, warum nicht?
4. Gehen Sie in Beobachtung Ihrer aus der Schutzfunktion Österreichs resultierenden Pflichten konform mit der Kritik Dr. Zellers (SVP), dass die Aktion Italiens der Beschlagnahme der genannten Plakate und der Verfolgung von Landtagsabgeordnete nach alten faschistischen Polit-Paragraphen weit überzogen ist und werden Sie diese Meinung öffentlich äußern?