6792/J XXIV. GP

Eingelangt am 29.10.2010
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ANFRAGE

 

 

 

der Abgeordneten Brunner, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Aktivitäten der Bundesregierung betreffen Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke

 

 

 

Am 28. Oktober 2010 plant die deutsche Bundesregierung ein Gesetzesvorhaben (11. Novelle des deutschen Atomgesetzes) im Bundestag zu beschließen, das die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke (AKW) zwischen acht und vierzehn Jahren verlängert.  Tritt dieses Gesetz in Kraft, bedeutet dies das Ende des deutschen Atomausstiegs.

 

Gleichzeitig plant die deutsche Regierung eine deutliche Senkung des Schutz-niveaus für Atomkraftwerke, die Sicherheitsstandards sollen gesenkt, alte Atomkraft-werke nicht mehr nachgerüstet werden. (12.Novelle des dt. Atomgesetzes)

Hiermit setzt die deutsche Bundesregierung das um, was seit ihrer Regierungs-erklärung erklärtes Ziel ist: die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke.

 

Aktuell besitzen noch 17 Atomkraftwerke in Deutschland eine Betriebsgenehmigung. Das älteste von ihnen, Biblis A, ging bereits vor über 36 Jahren ans Netz. Das RisikoAKW Isar 1, gerade mal 66 km von Österreichs Grenze (hier Braunau/Inn) entfernt, sollte laut noch geltenden deutschem Atomausstieg bereits 2011vom Netz

gehen müssen. Jetzt soll es bis mindestens 2019 weiter betrieben werden.  

 

Wissend dass nach geltendem Atomgesetz die Stillegung von Isar 1 im Jahre 2011 vorgesehen ist, wurden in den letzten Jahren bei dieser Anlage keine nennenswerten Nachrüstungen vorgenommen. Seit den Untersuchungen des deutschen Bundesministeriums für Umwelt und Reaktorsicherheit aus 2002 ist zudem bekannt, dass auch das KKW Isar 1 nicht gegen einen Flugzeugabsturz gesichert ist. Maßnahmen, wie z.B. Vernebelung der Anlage sind für Isar 1 nicht in Diskussion und ob der Tatsache, dass die Anlage in unmittelbarer Nähe zur Anflugroute zum Münchner Flughafen gelegen ist, auch kaum von Wirksamkeit.

 

Die österreichische Bundesregierung hatte gegen den sogenannten deutschen Atombeschluss – die nun im Bundestag liegenden Novellenentwürfe zum deutschen Atomgesetz - Medienberichten zufolge Protest eingelegt. Erst in einem Ministerrats-beschluss wurde erstmalig auch konkret die Schließung des AKW Isar-1 gefordert, sofern „nicht alle Sicherheitsdefizite ausrechend behoben werden“ (Ministerratsvortrag, 28-9-2010). Zudem wurden weitere konkrete Informationen zur Laufzeitverlängerung der übrigen Reaktoren und zu den geplanten Maßnahmen zur sicherheits-technischen Nachrüstung gefordert. BM Berlakovich betonte, ihm gehe es um „maximale Sicherheit für Österreich“ (APA, 28-9-2010).

Inzwischen hat eine erste Begegnung zwischen österreichischen und deutschen Beamten unter dem Bilateralen Nuklearinformationsabkommen stattgefunden (Bonn, 19.10.10). Ob es sich hierbei um ein offizielles Konsultationstreffen gehandelt haben mag, ist ob der Aussagen vom BM Berlakovich im Umweltausschuss vom 13.10.2010bislang ungeklärt. Mit dem Ergebnis des Treffens zeigte sich BM Berlakovich Medienberichten vom 19. und 20.10.2010 zufrieden. Alle offenen Fragen seien „nachvollziehbar und offen“ beantwortet worden. Die Antworten seien „nachvollziehbar, konsequent und überzeugend“ gewesen (Der Standard, 20.10.2010). Gegenüber der deutschen Presse Agentur sagte der Minister: „Unsere deutschen Nachbarn haben alle unsere Fragen beantwortet“. Durch in Deutschland geplante schärfere Gesetze zur Atomsicherheit habe Österreich vorerst auch keine Bedenken gegen den Weiterbetrieb von Isar I mehr. („Österreich akzeptiert Laufzeitverlängerung“, dpa 20.10.2010).

Für die Grünen sind diese Aussagen nicht nachvollziehbar. Laut den Ergebnissen einer aktuellen Studie von Wolfgang Renneberg, ehemaliger Leiter der deutschen Atomaufsichtsbehörde, wäre keines der im Betrieb befindlichen AKW in Deutschland heute noch genehmigungsfähig. Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass keine der in Betrieb befindlichen Anlagen die Anforderungen für Neuanlagen aus dem Jahre 1994 erfüllen würde.

 

Eine verbindliche Pflicht zur Nachrüstung der AKW nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik sieht das dt. Atomrecht bislang nicht vor. In Deutschland gibt es zwar ein neues kerntechnisches Regelwerk (KTR), doch dieses ist bislang unverbindlich, weil sich die deutschen Bundesländer gegen eine Verbindlichungs-machung wehren. Insofern sind die Beschwörungen deutschen Regierungsvertreter das neue Atomgesetz würde eine Verschärfung der Sicherheitsstandards bewirken, nicht nachvollziehbar.

 

Weiters sieht die deutsche Atomgesetz-Novelle vor, Flugzeugabstürze nur mehr als "Restrisiko" einzustufen. Die AKW-Betreiber der bislang nicht gegen Flugzeugabstürze gesicherten Kraftwerke (wie z.B. Isar 1) müssten demnach keine entsprechenden Schutzmaßnahmen mehr ergreifen.

 

Der neue §7d AtG (Atomgesetz) wird von der deutschen Bundesregierung als eine Verschärfung der Sicherheitsauflagen angeführt. Dies ist nicht korrekt. Der Betreiber wird durch §7d lediglich zu kosmetischen Handlungen verpflichtet. Behördliches Einschreiten, gar die Vorschreibung wichtiger Nachrüstungen, die sich aus der Anwendung des neuen KTR ergeben würden sind nicht zu erwarten. Laut dem in Schleswig-Holstein für Justiz und Atomaufsicht zuständigen Minister Emil Schmalfuß, führe die mit §7d AtG geplante  „Sorgepflicht“ im Ergebnis nicht zu einem höheren Schutzniveau, sondern könne vielmehr zu einer Absenkung des verfassungsmäßig gebotenen Schutzniveaus führen (Schreiben an BMU Röttgen, 22.9.2010).  Zweifelsfrei wäre eine zwingende Anwendung des neuen kerntechnischen Regelwerks die bessere Alternative gewesen. Die Möglichkeit das KTR im Zuge der 11 und 12. ATG-Novelle im Bundesanzeiger zu verlautbaren wurde bzw. wird nicht aufgegriffen, weshalb der Weiterbetrieb der deutschen. Reaktoren nicht zwingend zu sicherheitsrelevanten Nachrüstungen führen wird, die dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1)    Auf Basis welcher bilateraler Vereinbarung fand das am 19.10.2010 stattgefundene Treffen zwischen Österreich und Deutschland statt?

2)    a) Welche Sachverhalte wurden bei dem Treffen vom 19.10.10 in Bonn konkret verhandelt? Bitte um Auflistung sämtlicher Punkte.
b) Auf welche Tagesordnung hat sich wer mit wem im Vorfeld (wann) geeinigt?

3)    Welche Person war „head of delegation“ des Treffens auf deutscher und auf österreichischer Seite? Welche Beamten welcher Ministerien und welche Experten nahmen an dem Treffen in Bonn teil?

4)    Wie lange dauerten die Verhandlungen insgesamt an?

5)    Dem Vernehmen nach gab es für das Treffen einen von österr. Seite ausgearbeiteten konkreten Fragenkatalog. Wird dieser Fragenkatalog dem Parlament umgehend zugänglich gemacht? Wenn nein, warum nicht?

6)    Sie haben sich gegenüber den österreichischen und deutschen Medien mit den Antworten speziell zu Sicherheitsbelangen der deutschen Kollegen zufrieden gezeigt. Wie soll ihrer Einschätzung nach ein hoher Stand an nuklearer Sicherheit in Deutschland und damit auch in Österreich gewährleistetet werden, wenn das neue kerntechnische Regelwerk bislang und auch auf weitere unbestimmte Zeit nicht verbindlich geworden ist bzw. sein wird?

7)    Hat die österr. Delegation nach diesem Sachverhalt gefragt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie kann die Antwort als „zufriedenstellend“ bewertet worden sein?


8)    In einer Aussendung vom 20.10.10 sagten Sie wörtlich: "Ein Erfolg für Österreich ist, dass Deutschland zusätzlich zu den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eine neue gesetzliche Verpflichtung für ergänzende Sicherheitsmaßnahmen plant“. Ist mit dieser Aussage die Ergänzung des deutschen Atomgesetzes um §7d in der 12. Novelle des AtG gemeint? Wenn nein, um welche „ergänzenden Sicherheitsmaßnahmen“ handelt es sich hier konkret?

9)    Die Deutsche Presse Agentur meldete nach dem Treffen, Sie haben vorerst keine Bedenken mehr gegen den Weiterbetrieb von Isar 1 (dpa, 20.10.10). Sie dementierten diese Aussage daraufhin in einer Aussendung (OTS, 20.10.10). Hat Österreich während des Treffens mündlich seine Bedenken gegen den Weiterbetrieb von Isar 1 bzw. anderer Reaktoren der Baulinie SWR 69 sowie der Druckwasserreaktoren der 2. Baulinie deponiert? Wenn ja, ist dies im Protokoll festgehalten? Wenn nein, warum nicht?

10) Wird das Protokoll des Treffens dem Parlament bzw. dem Umweltausschuss zugänglich gemacht? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja,  bis wann wird das Protokoll übermittelt werden?

11) Sie haben weitere Treffen unter dem Bilateralen Nuklearinformations-abkommen angekündigt. Am 28.10.2010 soll die Atomgesetz-Novelle im deutschen Bundestag beschlossen werden. Wann sind nächste Treffen mit Deutschland vorgesehen? Sind für die ihrerseits angekündigten weiteren Treffen thematische Festlegungen getroffen bzw. bereits bilateral vereinbart worden?

12) Wer wird von österreichischer Seite in die folgenden Besprechungen eingebunden sein? Werden UmweltsprecherInnen der politischen Parteien, die Vorsitzende des Umweltausschusses, werden externe Experten sowie NGO-Vertreter an den Treffen beteiligt sein? Wenn nein, warum nicht? Bitte um getrennte Beantwortung für verschiedene Personengruppen.

13) Wer wird von österreichischer Seite in die Vorbereitung der weiteren Bilateralen eingebunden werden? Werden UmweltsprecherInnen der politischen Parteien, die Vorsitzende des Umweltausschusses, werden externe Experten sowie NGO-Vertreter an den Treffen beteiligt sein? Wenn nein, warum nicht? Bitte um getrennte Beantwortung für verschiedene Personengruppen.