6800/J XXIV. GP
Eingelangt am
04.11.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Hassparolen und Gewaltaufrufe im Internet - Strafrecht gegen diese
Websites?"
Rechtsextreme, Hassprediger, militante Islamisten u.a. sind im Cyberspace (z.B. in Online- Magazinen) verstärkt auf dem Vormarsch. Auf Webseiten wird offen zu Gewalt und Hass aufgerufen und Terrortipps verbreitet. In einschlägigen Internet-Foren wird eine militante Ideologie vertreten und menschenverachtende, rassistische und fremdenfeindliche Botschaften ausgetauscht. So rät beispielsweise Al-Quaida in seinem englischsprachigen, peppig aufgemachten Online-Magazin „Inspire" seinen Anhängern, mit Kleinlastwagen in Menschenmengen zu rasen.
Die deutsche Bundesregierung hat nun aktuell Initiativen gesetzt, „Hass im Internet" stärker zu bekämpfen. So wurden im August 2010 zwei Gesetzesentwürfe zur Ratifizierung und Umsetzung des Zusatzprotokolls zur Cybercrime-Konvention des Europarates beschlossen. Diese sehen eine Kriminalisierung „rassistischer und fremdenfeindlicher Handlungen" vor, die über Computersysteme begangen werden.
Dieses zitierte Zusatzprotokoll verlangt, dass jede Vertragspartei die vorsätzliche Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Materials über Computersysteme unter Strafe stellt. Darunter soll jedes Schriftgut fallen, jedes Bild oder jede andere Darstellung von Ideen oder Theorien, die beispielsweise Hass, Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der Religion gegen eine Person oder eine Gruppe befürworten oder fördern oder dazu aufstacheln.
Einige Länder wie die USA haben sich im Rahmen ihrer nationalen Umsetzung der Übereinkunft zur Bekämpfung von Computerkriminalität gegen die Ratifizierung des Zusatzprotokolls entschieden. Sie fürchten zu weitgehende Eingriffe in die Meinungsfreiheit.
Auch aus dem Jahresbericht, den die gemeinsame Stelle der deutschen Bundesländer für den Jugendschutz, jugendschutz.net, kürzlich veröffentlicht hat, geht hervor, dass Rechtsextremisten mit ihren Hassparolen immer stärker im Internet aktiv werden und dort versuchen Jugendliche für ihre Propaganda zu gewinnen.
Diese Stelle registrierte im vergangenen Jahr 1872 deutschsprachige Websites aus der Neonazi-Szene - das waren 237 mehr als im Jahr 2007 und 839 mehr als noch 2005.
Jugendschutz.net beobachtet auch, dass sich Neonazis immer stärker über eigene Communities im Internet vernetzen. Nach Angaben von jugendschutz.net verdreifachten sich die deutschsprachigen neonazistischen Netzwerke innerhalb eines Jahres nahezu auf mehr als 90. Auch die Zahl der registrierten NPD-Angebote stieg um knapp 30 Prozent auf 242.
Zudem werden aktuell abertausende rechtsextreme Beiträge in sozialen Netzwerken wie Facebook und auf Videoplattformen wie YouTube erfasst. Es sind mittlerweile so viele, dass der Leiter des Bereichs „Rechtsextremismus" von jugendschutz.de, Stefan Glaser, daraus den Schluss zog, die rechtsextremen Aktivitäten verlagern sich zunehmend in das Web 2.0. Jugendschutz.net beobachtet seit dem Jahr 2000 den Rechtsextremismus im Internet und versucht in Deutschland Gegenstrategien zu entwickeln.
In Deutschland wurde am 11.10.2010 die Kampagne „Soziale Netzwerke gegen Nazis" gestartet. Diese Aktion wird von über 20 großen und kleinen Netzwerken, darunter die VZ- Netzgruppe, MySpace, Wer-kennt-wen und Google unterstützt, nicht jedoch vom größten internationalen Netzwerk „Facebook" (!). Initiiert hat diese Kampagne „Soziale Netzwerke ohne Nazis" die Amadeu Antonio Stiftung, die das Informationsportal www.netz-gegen- nazis.de betreibt, sowie die Wochenzeitung „Die Zeit", da Rechtsradikale verstärkt soziale Netzwerke nutzen und ihre menschenverachtenden Botschaften verbreiten. „Sie suchen Gefolgschaft, werben für ihre Gesinnung und verbreiten Propaganda. Gerade Musik, Videos und Blogs werden häufig von Rechtsextremen als „Einstiegsdroge" eingesetzt.
Bereits am 28. November 2008 wurde der Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom Rat angenommen. Der Rahmenbeschluss sieht eine Mindestharmonisierung von Strafvorschriften zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vor. Im Mittelpunkt steht das Verbot der öffentlichen Aufstachelung zu Gewalt und Hass gegen Menschen anderer Rasse, Hautfarbe, Religion oder anderer nationaler wie auch ethnischer Abstammung. Der Rahmenbeschluss ist bis zum 28. November 2010 in nationales Recht umzusetzen.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage:
1. Welche Stelle beobachtet in Österreich konsequent rechtsextremistische Tendenzen im Internet und versucht Gegenstrategien zu entwickeln?
Welche Ergebnisse liegen dazu aktuell vor?
2. Wie kann in Österreich generell gegen Personen strafrechtlich vorgegangen werden, die mit Schriftgut, Bildern oder einer anderen Darstellung von Ideen oder Theorien, die beispielsweise Hass, Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der Religion gegen eine Person oder eine Gruppe befürworten oder fördern oder dazu aufstacheln?
3. Warum ist in Österreich die vorsätzliche Verbreitung von rassistischen und fremdenfeindlichen Material über Computersysteme nicht ausdrücklich unter gerichtliche Strafe gestellt?
Reichen dafür aus Sicht des Ressorts die Bestimmung von § 283 StGB (Verhetzung) und das „Wiederbetätigungsgesetz" aus?
4. Was spricht in Österreich dagegen, diesbezüglich das Zusatzprotokoll zur Cybercrime- Konvention des Europarates vollständig umzusetzen?
5. Ist der Rahmenbeschluss 2008/9138/JI des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Österreich bereits vollständig umgesetzt?
6. Zu wie vielen Strafanzeigen nach § 283 StGB kam es in den Jahren 2007, 2008 und 2009 (Aufschlüsselung nach Jahren sowie nach Bezirksgerichte, Landesgerichte und Staatsanwaltschaften)?
Wie viele betrafen Websites?
Wie sieht die Tendenz für 2010 aus?
7. Wie sieht für die Jahre 2007, 2008 und 2009 die Verurteilungsstatistik nach § 283 StGB insgesamt aus (Aufschlüsselung nach Jahren sowie nach Bezirksgerichte, Landesgerichte und Staatsanwaltschaften)?
8. Wie wurden die gerichtlichen Strafanzeigen nach § 283 StGB in den Jahren 2007, 2008 und 2009 erledigt (Aufschlüsselung nach Jahren sowie nach Bezirksgerichte, Landesgerichte und Staatsanwaltschaften)?
9. Wie viele dieser Strafanzeigen wurden in diesen Jahren jeweils zurückgelegt (Aufschlüsselung nach Jahren sowie nach Bezirksgerichte, Landesgerichte und Staatsanwaltschaften)?
10. Wie viele dieser Verfahren wurden in diesen Jahren eingestellt (Aufschlüsselung nach Jahren sowie nach Bezirksgerichte, Landesgerichte und Staatsanwaltschaften)?
11. In wie vielen Fällen wurden in diesen Jahren die diversionsrechtlichen Bestimmungen angewandt?
Welche Maßnahmen wurden jeweils konkret aufgetragen (Jeweils Aufschlüsselung nach Bezirksgerichte, Landesgerichte und Staatsanwaltschaften)?
12. Zu wie vielen rechtskräftigen Verurteilungen nach § 283 StGB kam es in den Jahren 2007, 2008 und 2009?
Welche Strafen wurden konkret ausgesprochen (Jeweils Aufschlüsselung nach Jahren sowie nach Bezirksgerichte, Landesgerichte und Staatsanwaltschaften)?
13. Wie viele Verfahren sind derzeit noch offen (Jeweils Aufschlüsselung nach Jahren sowie nach Bezirksgerichte, Landesgerichte und Staatsanwaltschaften)?
14. Halten Sie zusätzliche gesetzliche Maßnahmen auf europäischer Ebene zur Strafverfolgung derartiger Internetseiten für notwendig?
Welche Möglichkeiten gibt es gegenüber Drittstaaten (z.B. USA)?
15. Werden Sie zusätzliche Maßnahmen zur strafrechtlichen Bekämpfung (Kriminalisierung) von Internetseiten vorschlagen, die zu Gewalt und Hass gegen Menschen anderer Rasse,
Hautfarbe, Religion oder anderer nationaler wie auch ethnischer Abstammung, aufrufen?