681/J XXIV. GP

Eingelangt am 21.01.2009
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ANFRAGE

 

Der Abgeordneten Grosz, Ing. Westenthaler, Hagen, Petzner, Tadler

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend „die organisierte Bettelkriminalität in Österreich“

 

Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF bestätigt in einem Bericht anlässlich des im Oktober 2007 stattgefundenen „EU-Tages gegen den Menschenhandel“, dass weltweit jährlich 1,2 Millionen Kinder zu Opfern von Kinder- bzw. Menschenhandel werden. Dieser Kinderhandel macht, so UNICEF, auch vor Österreich nicht halt. In diesem Bericht wird die organisierte Bettelkriminalität in Österreich, insbesondere in den österreichischen Großstädten, als Basis dieses Kinder- bzw. Menschenhandels kritisiert. Aus diesem Bericht kann man deutlich erkennen, dass sämtliche Bestrebungen gegen ein Bettelverbot auch eine politische Vorleistung für den Menschenhandel sind.

Im Blickwinkel dieser Erkenntnis seitens der Vereinten Nationen ist ein allgemeines Bettelverbot auch ein geeignetes Mittel, um den Kinder- bzw. Menschenhandel zu unterbinden.

 

Viele Städte im Osten Österreichs, vor allem die beiden Großstädte Wien und Graz, aber auch unzählige Bezirksstädte, sind seit Jahren von einem organisierten „Betteltourismus“ betroffen.

Mehrmals wurde seitens des BZÖ, zuletzt in einer parlamentarischen Anfrage vom April 2007 an den Bundesminister für Inneres, auf dieses Problem hingewiesen. In seiner Anfragebeantwortung vom 21.06.2007, 712/AB XXIII. GP, bestätigte der damalige Bundesminister für Inneres, Günther Platter, dass es sich in Österreich sehr wohl um organisierte Bettelei handelt. Zitat: „Die Erscheinungsform der Bettelei wird Österreich in der Bundeshauptstadt Wien, in fast allen Landeshauptstädten und auch in Bezirkstädten in den Bundesländern betrieben. Es sind vorwiegend Gruppen bis zu 8 Personen - aus dem Raum Hostice in der Slowakei, aber auch aus Ländern wie Rumänien und Bulgarien. Sie werden organisiert in den Morgenstunden mit Pkw´s oder Kleinbussen in Ballungszentren gebracht und am Abend wieder abgeholt“.

 

Bis dato wurde seitens des Bundesministeriums für Inneres keine wirksamen behördlichen Gegenmaßnahmen – wie bundesweite Schwerpunktaktionen – gesetzt. Dies ist umso bedauerlicher, als mittlerweile schon seit gut drei Jahren feststeht, dass es sich nicht um einzelne ausländische Bettler handelt, sondern um eine organisierte Bettelei größeren Maßstabs, deren Gewinne keineswegs bei den Bettlern verbleiben, sondern fast ausschließlich bei den Organisatoren verbleiben und die zweifellos armen Bettler trotz erheblicher Einnahmen fast nicht von ihrer Bettelei profitieren.

 

Im März 2006 beschließt der Fürstenfelder Gemeinderat auf Initiative des BZÖ gemeinsam mit der ÖVP eine Verordnung über das Verbot organisierter Bettelei. Mit Entscheidung vom Dezember 2007 wurde die Verordnung der Stadtgemeinde Fürstenfeld vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben da es sich, so der VfGH, um das nicht aufdringliche „passive“ Betteln handelte.

 

Ein chronologischer Überblick soll die Defizite bei der Bekämpfung und die Initiativen des BZÖ in Bezug auf die Bettelkriminalität in den letzten Jahren darstellen:

 

 

27.3.2006:     Das steirische BZÖ übermittelt dem Grazer Bürgermeister Nagl (ÖVP) sowie allen Gemeinderatsfraktionen einen konkreten Verordnungsentwurf für die Stadt Graz auf Grundlage der Fürstenfelder Verordnung und tritt gleichzeitig für bessere Hilfsmaßnahmen für arme Mitbürger ein.

 

13.4.2006:     Bürgermeister Nagl teilt dem BZÖ mit, dass er den BZÖ-Verordnungsentwurf durch die zuständigen Referate des Magistrats Graz prüfen lassen wird. Eine Unterstützung lässt Nagl offen.

 

6.7.2006:       Bürgermeister Nagl (ÖVP) befürwortet erstmals den BZÖ-Vorschlag und gibt bekannt, ihn diesen Herbst im Grazer Gemeinderat beschließen zu wollen. Das BZÖ spricht sich angesichts des fertigen Verordnungsentwurfs gegen eine weitere Verzögerung aus und appelliert für einen Beschluss noch im Sommer.

 

21.7.2006:     Das steirische BZÖ bringt eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen organisiertem Menschenhandel in Zusammenhang mit der Bettelei in Graz ein.

 

14.8.2006:     Eine 20-jährige Rumänin wird in Wien vor der rumänischen Botschaft von fünf Personen brutal und trotz erheblicher Gegenwehr ihres Bruders und Vaters entführt und kann erst nach einem großangelegten Polizeieinsatz auf der Westautobahn befreit werden. Hintergrund ist, dass die noch Unmündige vor einigen Jahren von ihrer Familie einer anderen Roma-Familie – laut Polizei gewerbsmäßigen Kriminellen – in Deutschland verkauft und in der Folge zum Stehlen und Betteln angehalten wurde. Der Pass wurde ihr weggenommen. Anfang August flüchtete sie und wollte in der Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat besorgen, als der „Bettlerklan“ versuchte, sie mit Gewalt nach Deutschland zurückzubringen. Auch in Graz kommt es zu Gewalttaten im Bettlermilieu mit Festnahmen.

 

22.8.2006:     Die Wiener Polizei gibt bekannt, dass in Wien Bettlerbanden nach dem Modell Aufpasser und Abkassierer in Gruppen von drei bis fünf Mitgliedern aus Großfamilien arbeiten. Auch hier ist die Vortäuschung von Behinderungen eine nachgewiesene Methode. Die Polizei geht davon aus, dass die Bettler teils aus persönlicher Not, teils aber auch unter Zwang tätig sind. Die Wiener Polizei konnte dieses Bettlerunwesen durch ständige Kontrollen (tägliche Streifen durch drei Beamte) eindämmen. Josef Lipp von der Grazer Polizei bestätigt hingegen, dass die organisierte Bettelei in Graz im Gegensatz zu Wien gleich bleibend ist.

29.8.2006:     Der steirische BZÖ-Chef Gerald Grosz und die damalige Nationalratsabgeordnete Dr. Magda Bleckmann geben in einer Pressekonferenz den Start der Unterschriftenaktion gegen organisierte Bettelei bekannt, um angesichts der zögerlichen Haltung der anderen Fraktionen den notwendigen politischen Druck für eine Bettlerverordnung nach Fürstenfelder Vorbild zu erzeugen.

 

Die Staatsanwaltschaft Graz legt die Anzeige des BZÖ im November 2006 mit der Begründung zurück, es sei nach „umfassenden Ermittlungen“ der Polizei „keine organisierte Struktur und Ausbeutung der in Graz aufhältigen Bettler“ festgestellt worden.

Ganz im Widerspruch dazu stehen die Äußerungen des Leiters der Sicherheits- und kriminalpolizeilichen Abteilung in Graz, Herrn Dr. Gerhard Lecker, vom 01.03.2007 in der Wochenzeitung Graz im Bild. Er wird wie folgt zitiert:

„Wir gehen davon aus, dass in Graz in kleinerem Rahmen ähnliche Strukturen wie in Wien aufgebaut sein könnten. Ermittlungen laufen, beobachten konnten wir Familienverbände mit bis zu acht Personen, die betteln. Dazu kommen die von Pfarrer Pucher unterstützten Bettler aus der Slowakei. Einen sogenannten Capo konnten wir bis jetzt aber noch nicht überführen. Weil die Bettler nicht kriminell auffallen, also kein Sicherheitsrisiko sind, wurde bis jetzt darauf verzichtet, eine eigene Sonderkommission für sie einzurichten. Wir haben dafür einfach nicht genug Personal. Wir brauchen die Beamten anderswo viel dringender“. Die von Dr. Lecker zitierten „ähnlichen Strukturen wie in Wien“ hatten in Wien am 06.03.2007 zur Folge, dass durch eine große Schwerpunktaktion insgesamt 35 Anzeigen gegen sogenannte „Bettlerbanden“ erstattet wurden.

 

In vielen europäischen Städten wurden in den letzten Jahren erfolgreiche Regelungen zum Verbot der Bettelei entschlossen. Die Stadtregierung Bern hat im Sommer 2007 bekanntgegeben, dass sie Bettelei innerhalb ihres Stadtgebiets verbieten werde und mit bis zu Franken 5000 Bußgeld belege. Ein Bettelverbot für den Bahnhof Bern trat am 01. Oktober 2008 in Kraft und wird genau evaluiert.

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen in diesem Zusammenhang an die Bundesministerin für Inneres folgende

 

Anfrage

 

  1. Welche konkreten Schritte wurden seitens des Innenministeriums zur Bekämpfung des Kinder- und Menschenhandels in Bezug auf die organisierte Bettlerkriminalität in Österreich im Jahr 2008 gesetzt?

 

  1. Welche konkreten Schritte werden Sie zur Bekämpfung des Menschen- und Kinderhandels in Bezug auf die organisierte Bettlerkriminalität in Österreich im Jahr 2009 setzen?

 

  1. In welchen Städten Österreichs wird derzeit organisierte Bettlerei betrieben?

 

  1. Welche konkreten Maßnahmen wurden von der Polizei in den betroffenen Städten im Jahr 2008 jeweils gesetzt, um die organisierte Bettlerei auf strafrechtlich relevante Hintergründe zu prüfen?

 

  1. Wie Beurteilen Sie die Qualifizierung  der organisierten Bettlerei als Form eine des nicht aufdringlichen „passiven“ Bettelns?

 

  1. Welche Ergebnisse hatten insbesondere die Schwerpunktaktionen in Wien im Jahr 2008?

 

  1. Wird es 2009 weitere Schwerpunktaktionen gegen die Bettelkriminalität und den Betteltourismus auf Bundesebene geben?

 

a)     Wenn ja? Wo und Wann?

 

b)     Wenn nein? Warum nicht?

 

  1. Wie beurteilen Sie Bemühungen zur Erlassung von Verboten gegen die organisierte Bettlerkriminalität in den Landes- und Bezirkshauptstädten in Österreich?