6833/J XXIV. GP
Eingelangt am
10.11.2010
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ANFRAGE
des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Waldverwüstung durch Forststraßenbau im Tennengebirge
Die Ostseite des Tennengebirges war bis vor wenigen Jahren ein noch weitgehend unberührtes Kleinod an Bergwelt, in dem auch noch heute eine vielfältige Flora und Fauna anzutreffen ist. Jedoch wurde diese Idylle schon in den letzten Jahren durch einen Straßenbau auf den Karkogel (genutzt als Downhillstrecke im Sommer und als Rodelbahn im Winter) sowie den weiteren Straßenbau zur Gsengalm gestört und unberührter Bergwald abgeholzt. Nur eine seit 1926 befindliche Selbstversorgerhütte des Deutschen Alpenvereins, die nur durch einen Bergsteig erreichbar ist, war bislang die einzige größere Erschließung in diesem Teil (Gemeinde Abtenau) des Tennengebirges. Noch bevor der Gebirgszug durch die Bergsteiger erschlossen wurde, betrieb man auf dem Tennboden am Fuße des Fritzerkogels schon Almwirtschaft und Sennerei. Seit jeher führte deshalb ein Steig von Abtenau bzw. später von der auf ca. 1000Hm gelegenen Karalm durch den Bergwald und das Kar über das Törleck zur Hütte. Hunderte BergsteigerInnen und BesucherInnen erfreuen sich Jahr für Jahr an dieser Bergidylle, die bisher nicht durch übermäßige Erschließung mit Straßen oder gar Liftanlagen getrübt wurde.
Der Straßenbau zur Bergstation der Karkogelbahn erfolgte allerdings schon unter dem Gesichtspunkt, dass eine eigentlich gewollte Rodelbahn keine behördliche Genehmigung erfahren hätte. So deklarierte man das Vorhaben als Forststraße, die mehr oder weniger problemlos errichtet werden kann und verlegte ganz nebenbei gleich die Versorgungskabel für eine durchgehende Beleuchtung der Bahn, respektive natürlich der Forststraße.
Im letzten Jahr hatte sich der Betreiber der dortigen Bergbahnen auf den Karkogel und eine Genossenschaft aller betroffenen Grundstücksanrainer unter Aufsicht der Gemeinde Abtenau entschlossen, vom Ortsteil Au bzw. der Talstation der Bergbahn westlich des Skigebiets einen befestigten (geteerten) Güter“weg“ mit Stichstraßen zum Kohlhof und zur Karalm einzurichten. Um allen möglichen Fahrzeugen, insbesondere auch den Lkw‘s der Österr. Bundesforste AG (ÖBf), jederzeit die Zufahrt zu ermöglichen, wurde die Straße entsprechend breit und mit wenig Steigung geplant. Das Planungsergebnis ist eine fast 4 Kilometer lange Straße durch den unberührten Bergwald bzw. auf dem alten Bergsteig von der Karalm nach Abtenau. Die Kosten hierfür belaufen sich auf ca. 1,1 Millionen Euro, wovon allein 900.000 Euro aus EU-Fördermitteln stammen. Ein beträchtlicher Förderanteil also für eine neue Straße durch Bergwald zu einzelnen Gehöften, die ohnehin schon durch eine Straße erschlossen waren.
Um Holz aus dem Bergwald zwischen Karalm und Wandalm zu gewinnen, wurde nun noch vor Baubeginn dieses eigentlichen „Güterweges“ von Au zur Karalm durch die ÖBf mit dem Bau einer kilometerlangen Forststraße durch den unberührten Bergwald von der Karalm bis zum Kar unterhalb der Wandalm begonnen. Von heute auf morgen waren Bagger, Laster und Walzen vor Ort und holzten ab, was das Zeug hielt. Auch hier ist die Prämisse, breit genug und ohne nennenswerte Steigung eine Straße für die Forstfahrzeuge zu errichten.
Vor Ort ergeben sich Bilder verheerender Naturzerstörung:

Mit dieser brachialen Vorgangsweise verstößt die Österreichische Bundesforste AG gravierend gegen § 5 Bundesforstegesetz, wonach die Gesellschaft u.a. insbesondere folgende Zielsetzungen zu beachten hat: die Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungswirkungen des Waldes bestmöglich zu sichern und weiterzuentwickeln und die öffentlichen Interessen an ökologisch besonders wertvollen oder sensiblen Gebieten und Naturdenkmälern zu wahren.
Die Erhaltung des Waldes, seiner multifunktionalen Wirkungen und ökosystemaren Leistungen durch eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ist auch das zentrale Ziel des österreichischen Forstgesetzes. Insofern widerspricht der o.a. Forststraßenbau auch den Bestimmungen des Forstgesetzes.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Mit welcher Begründung verletzt die ÖBf AG ihren gesetzlichen Auftrag, die Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungswirkungen des Waldes bestmöglich zu sichern und weiterzuentwickeln sowie die öffentlichen Interessen an ökologisch besonders wertvollen oder sensiblen Gebieten und Naturdenkmälern zu wahren?
2. Wie ist zu rechtfertigen, dass ein intakter Bergwald, der sich neben einem Naturschutzgebiet befindet, aus Profitgründen durch einen derart devastierenden Eingriff erschlossen wird?
3. Wie lässt sich die o.a. zerstörerische Vorgangsweise mit der Behauptung auf der Homepage der ÖBf in Einklang bringen wonach Nachhaltigkeit für die ÖBf das Leitprinzip ihres unternehmerischen Handelns sei? Inwiefern ist dieser brachiale Eingriff mit dem Image der ÖBf vereinbar?
4. Wie lässt sich die o.a. Waldverwüstung mit der Behauptung auf der Homepage der ÖBf in Einklang bringen, wonach es den ÖBf als öffentliches Unternehmen ein Anliegen sei, die breite Öffentlichkeit über ihre Aktivitäten für Natur, Gesellschaft und Wirtschaft zu informieren?
5. Welche Maßnahmen werden Sie als Umweltminister ergreifen, um einen derartig massiven Eingriff in den Bergwald, der sich neben einem Naturschutzgebiet befindet, hintanzuhalten?
6. Inwiefern wurde beim angeführten Forststraßenbau das Erhaltungsziel „Erhaltung der Schönheit/Einzigartikeit der Landschaft“ gemäß den Kriterien der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa (MCPFE) berücksichtigt? Inwiefern wurde das Schutzziel Biodiversität berücksichtigt?
7. Das betroffene Bergwaldgebiet liegt direkt neben dem ausgewiesenen Naturschutzgebiet des Tennengebirges, so dass ein derart gravierender Eingriff nicht zu rechtfertigen ist. Gibt es daher bei diesen Baumaßnahmen eine naturschutzrechtliche Begleitung oder Kontrolle? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?
8. Über 40 Prozent der im Land Salzburg vorhandenen Waldfläche befinden sich im Eigentum der ÖBf AG. Wie viel davon wird von den Bundesforsten als Wirtschaftswald, wie viel davon als Schutzwald in Ertrag genützt und welche Flächen stehen unter Naturschutz?
9. Das Tennengebirge als Naturschutzgebiet älteren Ursprungs wird in der MCPFE-Klassifizierung (Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa, in welchem Richtlinien, Kriterien und Indikatoren nachhaltiger Forstwirtschaft entwickelt werden) unter Klasse 1.3 geführt. Demnach wäre eine Bewirtschaftung mit aktiven Eingriffen nur erlaubt, um ein bestimmtes Erhaltungsziel auf der Waldschutzfläche zu erreichen. Wird diese Vorgabe in der Praxis auch umgesetzt? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, warum nicht?
10. Der o.a. Fall ist nur ein Beispiel für Waldverwüstungen beim Forststraßenbau, der in den letzten Jahren in ganz Österreich massiv betrieben wurde. Inwieweit wird beim Forststraßenbau den neueren Erkenntnissen und Erfordernissen des Naturschutzes Rechnung getragen?
11. Wurden in o.a. Zerstörungsprojekt auch öffentliche Gelder von Land, Bund oder der EU investiert? Wenn ja, wie viele und mit welcher Begründung?
12. Hat sich die ÖBf AG beim genannten Forststraßenbau zumindest verpflichtet, den teilweise zerstörten Bergsteig der Sektionen Lammertal bzw. Laufen wieder instandzusetzen? Wenn ja, welcher Beitrag soll geleistet werden? Wenn nein, gehen die ÖBf davon aus, dass die erforderliche Instandsetzung nun wieder Sache der Alpenvereine ist?
13. Wie viel an öffentlichen Geldern des Bundes ist in den letzten fünf Jahren in den Forststraßenbau geflossen (bitte um eine Auflistung nach Bundesländern)?
14. Derzeit befinden sich 659.000 Hektar Wald in Schutzgebieten. In wie viel dieser Waldflächen sind keine oder nur minimale Eingriffe erlaubt?
15. Laut Neunten Umweltkontrollbericht gibt es bundesweit 197 Naturwaldreservate mit einer Fläche von rund 8.570 Hektar (Basis: Vertragswaldschutz). Stimmt es, dass dieses Netzwerk erweitert werden soll? Wenn ja, welche Maßnahmen sind geplant?
16. Im November 2009 fand in Guilin/China unter chinesisch-österreichischem Vorsitz ein internationaler Workshop zur Rolle nationaler Waldprogramme in der Umsetzung nachhaltiger Waldbewirtschaftung statt. Welche Position haben Sie dort im Wesentlichen vertreten? Und wie setzen Sie diese Nachhaltigkeitsforderungen beim Forststraßenbau in Österreich um?