6939/J XXIV. GP
Eingelangt am 18.11.2010
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend „Deutschland: Diplomaten - Willfährige Unterstützer des Nazi-Regimes“
Es
gibt viele schwerwiegende Hinweise auf die braune Vergangenheit von Diplomaten
im
Auswärtigen
Amt der Bundesrepublik Deutschland.
In der -
noch vom ehemaligen Außenminister Joschka Fischer beauftragten - 900
seitigen
Forschungsarbeit „Das Amt und die Vergangenheit - Deutsche Diplomaten im
Dritten Reich
und in der Bundesrepublik“ wird dargelegt, wie sich die Diplomaten willig
in den Dienst der
Nazis stellten. Sie
waren u.a. an der Deportation von Juden beteiligt, sie beschäftigten sich
auch mit der Organisation moderner
Sklavenarbeit und mit Kunstraub. Vizekanzler und
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kommentierte deren Tätigkeit jüngst
mit dem
Hinweis: „In diesem Amt konnte man Mord als Dienstgeschäft
abrechnen“.
Nach dem
Krieg wiederum wurde systematisch Reinwaschung dieser Diplomaten betrieben
und
ehemaligen Diplomaten des Dritten Reiches „Persilscheine“
(Entnazifizierungsdokumente) für ihre zukünftigen Tätigkeiten in
der Bundesrepublik
Deutschland zugesprochen.
Im Jänner
2010 stellte ein österreichisches Forschungsteam - bestehend aus dem
Diplomaten
Rudolf Agstner, der
Zeithistorikerin Gertrude Enderle-Burcel und der Archivarin Michaela
Follner seine Erkenntnisse zu den Diplomaten des Höheren Auswärtigen
Dienstes der Jahre
1918 bis 1959 vor, kommentiert vom
Außenminister a.D. Dr. Peter Jankowitsch, einem
Zeitzeugen und profunden Kenner der österreichischen
Außenpolitik. Diese Studie enthält
jedoch weder eine zusammenfassende Darstellung der Tätigkeit der
österreichischen
Diplomaten im deutschen
Außenministerium während des Nationalsozialismus, noch für die
Zeit nach 1945.
Erste
Vorarbeiten zu dem Thema Elitenkontinuität aus der NS-Zeit im
österreichischen
auswärtigen Dienst nach 1945 leistete der Zeithistoriker Oliver Rathkolb
in einem
Forschungsbericht
1988, der dann in verkürzter Form in den USA erschienen ist (Oliver
Rathkolb, "The Austrian Foreign
Service and the Anschluss in 1938," German Studies
Review 13 (1990): 55-84). Das damalige Bundesministerium für
auswärtige Angelegenheiten
hat bereits
damals den Aktenzugang verweigert und auch versucht, die Veröffentlichung
der
Studie für das Bundesmisterium für Wissenschaft und Forschung zu
behindern.
Die
unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für
europäische und
internationale
Angelegenheiten nachstehende
Anfrage:
1. Ist dem
Ressort die Forschungsarbeit „Das Amt und die Vergangenheit -
Deutsche
Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“ bekannt?
Wenn
ja, enthält diese Forschungsarbeit auch Namen oder Hinweise auf
Österreichische
Staatsbürger oder ehemalige österreichische Diplomaten?
Wenn ja, welche?
2.
Wenn nein, werden Sie eine entsprechende Forschungsarbeit und Analyse
in Auftrag
geben?
3.
Welche
Schlussfolgerungen ergeben sich für das Ressort aus der im Einleitungstext
zitierten Studie zu den Diplomaten des
Höheren Auswärtigen Dienstes der Jahre 1918 bis
1959 in Österreich?
4.
In welcher Form und in welchem Umfang wurde diese Studie von ihrem
Ressort
unterstützt?
5.
Werden Sie im Sinne der Wissenschaft für Zeithistoriker
den notwendigen Aktenzugang
in ihrem Ressort
ermöglichen, damit eine umfassende Studie erstellt werden kann?
6.
Ist dem
Ressort eine vom Anspruch der deutschen Studie vergleichbare Studie über
österreichische Diplomaten in
Nazideutschland (Dritten Reich) und in Österreich bekannt?
Wenn nein, werden Sie eine diesbezügliche Studie in Auftrag geben?
Wenn nein, warum nicht?
7.
Wie viele österreichische Diplomaten
bzw. MitarbeiterInnen des Außenministeriums
wurden nach der Okkupation Österreichs
durch Nazideutschland außer Dienst gestellt,
gekündigt oder entlassen?
8.
Wie viele österreichische Diplomaten
bzw. MitarbeiterInnen des Außenministeriums
wurden nach der Okkupation und den
Anschluss Österreichs an Nazideutschland in das
Auswärtige Amt Deutschlands übernommen?
9. Wie und in
welchen Staaten waren diese österreichischen Diplomaten in
Nazideutschland
eingesetzt?
Welche Aufgaben wurden diesen Diplomaten von Nazideutschland übertragen?
10.
Wie viele Personen, die ehemals im diplomatischen Dienst
Nazideutschlands standen,
wurden
nach 1945 in Österreich in den diplomatischen Dienst bzw. in das
Außenministerium oder andere Bundesministerien aufgenommen?
11.
Wie wurde in Österreich nach 1945 sichergestellt,
dass keine Personen mit
nationalsozialistischer Vergangenheit in
das österreichische Außenministerium oder in
den diplomatischen Dienst aufgenommen wurden?