6981/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.11.2010
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ANFRAGE

des Abgeordneten Dr. Karlsböck

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Gesundheit

betreffend Frühgeburten – Österreich ist trauriger Spitzenreiter

 

Die WHO definiert Frühgeborene als lebend geborene Kinder vor der Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche und mit einem Geburtsgewicht über 500g. Kinder, die mit einem Geburtsgewicht unter 1500g und vor der Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, gelten als frühe Frühgeborene. Laut dem europäischen Bericht zur Perinatalgesundheit liegt Österreich mit der Häufigkeitsrate von Frühgeburten mit 11,4 % weit über dem EU-Durchschnitt von 7,1%.

 

Die Frühgeburten stellen für sich genommen die hauptsächliche (aber oft vermeidbare) Ursache für die Kindersterblichkeit dar. Frühgeborene, die die Geburt überstehen, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, kurz- oder langfristig unter gesundheitlichen Folgen zu leiden. Insbesondere die unreifen Organe von Frühgeborenen können zu zahlreichen Komplikationen führen. Beispielsweise leiden Frühgeborene häufiger nach der Geburt unter Atemnotsyndrom, Herzrhythmusstörungen, Nierenunterfunktion, Hirnblutungen, nekrotisierenden Darmentzündung und Netzhautschäden. Österreichische Daten über das Outcome von Frühgeborenen, die einer Intensivmedizinischen Betreuung bedurften, existieren nicht, genauso wenig wie österreichweite Daten zu Entwicklungsstörungen. Es gibt keine österreichweiten einheitlichen Standards für Entwicklungsdiagnostik. Darüber hinaus sind auch die möglichen Spätfolgen einer Frühgeburt zu erwähnen. Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass langfristig gesehen Kinder, die vor der 26. Schwangerschaftswoche geboren wurden, häufiger gesundheitliche Beeinträchtigungen entwickeln als andere Kinder. Beispielsweise wurden in einer amerikanischen Studie 219 ehemals frühgeborene Kinder im Alter von acht Jahren untersucht. Hierbei fanden sich bei 21% Asthmaerkrankungen (im Gegensatz zu 9% in der Kontrollgruppe), bei 47% motorische Störungen (im Gegensatz zu 10% in der Kontrollgruppe) und bei 38% ein Intelligenzquotient von weniger als 85 (im Gegensatz zu 15% in der Kontrollgruppe). Darüber hinaus häuft sich die Evidenz für verminderte Lungenfunktion und ein Nichtaufholen der Lungenentwicklung bis ins Erwachsenenalter. Auch Lese-Rechtschreib-Schwächen, Rechenschwächen, psychische Störungen (wie z. B. Depressionen und Angststörungen) und Verhaltensauffälligkeiten wie ADS kommen bei extremen Frühgeburten sehr viel häufiger vor als unter Reifgeborenen. Finanzielle Unterstützung für entwicklungsfördernde Maßnahmen wie Logopädie oder Physiotherapie werden von der Krankenversicherung nicht übernommen, die Förderung ist vom Einkommen der Eltern abhängig.

 

Aufgrund des merklichen europaweiten Anstiegs von Frühgeburten sind deren Folgen eine immer größere Belastung für Kleinkinder und ihre Familien. Auch die zunehmende Anzahl von so genannten Wunschkaiserschnitten hebt die Frühgeburtenrate in Österreich und nimmt wenig Rücksicht auf pädiatrische Zielsetzungen. Darüber hinaus sind auch weiterreichende Kostenauswirkungen für die Gesundheits- und Sozialsysteme (darunter die direkten und indirekten medizinischen Kosten) sowie für Wirtschaft und Gesellschaft zu befürchten. Frühgeburten stellen somit eine ernsthafte und stetig steigende Gefahr für die Gesundheit und das Wohl der zukünftigen Bevölkerung dar.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Gesundheit folgende

 

ANFRAGE

 

 

1.    Warum liegt die Häufigkeitsrate von Frühgeburten in Österreich weit über dem EU-Durchschnitt?

 

2.    Existieren speziellen Gesundheitsprogramme für Schwangere denen eine Frühgeburt droht (insb. Screening und Präventionsprogramme)?

 

3.    Wann ja, welche und wie sehen diese konkret aus?

 

4.    Wenn nein, warum existieren keine?

 

5.    Gibt es derzeit spezielle Gesundheitsprogramme zur Frühgeborenenversorgung in Österreich?

 

6.    Wann ja, welche und wie sehen diese konkret aus?

 

7.    Wenn nein, warum existieren keine?

 

8.    Wann wird es eine einheitliche Entwicklungsdiagnostik und Entwicklungsförderungsprogramme in Österreich geben und wie wird die Finanzierung sichergestellt?

 

9.    Warum gibt es keine österreichische Studien bzw. umfassende Daten, die sich mit den verursachten kurz- und langfristigen Gesundheitsrisiken, -folgen und

-versorgung von Frühgeburten auseinandersetzen?

 

10. Gibt es österreichische Studien bzw. umfassende Daten, mit denen sich die gesundheitsökonomischen Auswirkungen von Frühgeburten (insbesondere die langfristigen Kosten für die Familie oder die Gesundheits- und Sozialsysteme) beziffern ließen?


 

11. Wann ja, zu welchen Ergebnisse kommen sie?

 

12. Wenn nein, warum nicht?

 

13. Gibt es Überlegungen eine einheitliche europäische Datenquelle für aktuelle, verlässliche und vergleichbare Informationen zur Häufigkeit, Sterblichkeit und Morbidität im Zusammenhang mit Frühgeburten zu erstellen?

 

14. Wenn ja, wann ist mit deren Umsetzung zu rechnen?

 

15. Wenn nein, werden Sie auf EU-Ebene für eine Einführung einer solchen Datenquelle eintreten?

 

16. Welche finanziellen Mittel wurden für die Erforschung zur Vermeidung von Frühgeburten, für die notwendige spezielle Infrastruktur und für die fachliche Ausbildung über die Prävention, Behandlung und langfristige Fürsorge in den letzten Jahren bereitgestellt?

 

17. Welche weiteren Maßnahmen wurden gesetzt, um die Gesundheit von Neugeborenen zu verbessern?

 

18. Welche finanziellen Mittel wurden bzw. werden dafür bereitgestellt?

 

19. Wie und mit welchem Ergebnis wurden diese Maßnahmen bzw. deren Strukturen evaluiert, um eine Qualitätskontrolle der Neugeborenen-Versorgung, der strukturierten Nachsorge und weiterer unterstützender medizinischer Maßnahmen zu gewährleisten?