7034/J XXIV. GP
Eingelangt am 01.12.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Jarolim, Keck,
Genossinnen und Genossen,
an die Bundesministerin für Inneres
betreffend "Gesetzwidrige Methoden der SOKO Bekleidung gegen Tierschützer"
Nach wie vor stehen 13 TierschützerInnen wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft den AktivistInnen vor, Mitglieder einer kriminellen Organisation zu sein oder diese zumindest zu fördern. Die Ungereimtheiten in dem als Schauprozess verschrienen Verfahren reißen nicht ab und nähren den Verdacht der politischen Willkür gegen unliebsame AktivistInnen. Vier Jahre Ermittlungstätigkeit und neun Monate der Prozessführung scheinen bisher keine konkreten Beweise hervorzubringen, sondern stürzen die Angeklagten - darunter mehrfache Familienväter - an den finanziellen und psychischen Ruin. Mit dem sogenannten Mafiaparagraph wollte der Gesetzgeber der Justiz ein Instrument zur Bekämpfung organisierter Schwerkriminalität (z.B. Menschenhandel) in die Hand geben, an Tierschützer, auch wenn diesen Sachbeschädigungen oder Nötigungen vorgeworfen werden, wurde dabei nicht gedacht.
Rechtswidrige Infiltrierung durch einen Spitzel
Im jüngsten Kreuzfeuer der Kritik steht zum wiederholten Male das Vorgehen der eigens eingerichteten Sonderkommission (SOKO Bekleidung), welche die AktivistInnen dreieinhalb Jahre verfolgte. Die Methoden der SOKO waren dabei mannigfaltig und reichten vom Abhören von Telefongesprächen und Mitlesen des Mailverkehrs bis zum Observieren von Personen mit Peilsendern. Damit nicht genug soll eine Spionin ohne Genehmigung der Staatsanwaltschaft 16 Monate lang bis ins Herz des VGT eingeschleust worden sein. Damit hätte die SOKO ihre Ermittlungen teilweise rechtswidrig durchgeführt, wie der VGT behauptet. Laut dem Hauptangeklagten DDr. Martin Balluch hat die Ermittlerin den VGT dabei selbst dazu angetrieben, „konspirativ vorzugehen, Codeworte zu benutzen und am
Telefon nicht über Aktionen zu sprechen." Da die Spionin eine wichtige Beweisfunktion haben könnte, erscheint die Klärung dieser Sachlage dringendst geboten.
Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht
Darüber hinaus hat die SOKO den Beschuldigten das Recht auf Akteneinsicht bis heute verweigert, was bereits im Februar 2009 vom Landesgericht Wr. Neustadt festgestellt wurde. Trotz Anweisung Akteneinsicht zu gewähren, tat sie dies angeblich mit der Begründung nicht, das würde einen „enormen unvertretbaren Ressourcenaufwand“ bedeuten. Nun bestätigt das LG Wiener Neustadt am 14. Oktober 2010 noch einmal, dass die SOKO Angeklagte durch Verweigerung der Akteneinsicht in ihrem Recht auf eine faire Verteidigung verletzt hat - laut dem VGT zufolge aber ohne Konsequenzen, da die Angeklagten weiterhin keine Akteneinsicht bekommen und stattdessen auf den Anwaltskosten für dieses Akteneinsichtsverfahren sitzen bleiben. Die Richterin des LG Wiener Neustadt soll dem Hauptangeklagten DDr. Martin Balluch zufolge deswegen keinen weiteren Auftrag zur Akteneinsicht erteilt haben, da der Staatsanwalt behauptet haben soll, dass die Ermittlungen der SOKO bereits abgeschlossen seien. Nun soll sich herausgestellt haben, dass es ein Monat nach dem Abschlussbereich der SOKO einen weiteren Ermittlungsauftrag gegeben hat, der noch immer anhängig sein soll. Laut dem Hauptangeklagten müsste die SOKO daher sofortige Akteneinsicht gewähren.
Es muss verhindert werden, dass der Tierschutz pauschal kriminalisiert wird bzw. dass die rechtmäßige Arbeit legaler zivilgesellschaftlicher Vereine durch eine exzessive Auslegungspraxis beeinträchtigt wird.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen an die Bundesministerin für Inneres daher
nachstehende Anfrage:
1. Trifft es zu, dass die SOKO Bekleidung eine Spionin ohne die notwendige Genehmigung der Staatsanwaltschaft in den VGT eingeschleust hat?
a. Wenn ja: Welche Konsequenzen wird das rechtswidrige Vorgehen der SOKO für die verantwortlichen Beamten nach sich ziehen? Wird der erlittene Schaden für den VGT ausgeglichen?
b. Wenn nein: Auf welcher Grundlage wurde die Genehmigung erteilt?
2. Falls die Verdeckte Ermittlung aufgrund des SPG erfolgte, ist das SPG überhaupt anwendbar, da es im vorliegenden Fall schon konkrete Verdächtigte gab?
3. In welchem Rahmen dürfen Ermittlungen nach dem SPG durchgeführt werden und war das aktive Mitwirken der Spionin beim VGT von diesem gedeckt?
4. Über welchen Zeitraum hat sich die verdeckte Ermittlungstätigkeit erstreckt?
5. Aus welchem Grund wurde die verdeckte Ermittlung wieder eingestellt?
6. Zu welchen Ergebnissen gelangte die SOKO über die verdeckte Ermittlungstätigkeit?
7. Haben die Ermittlungsergebnisse Entlastungsfunktion für die Angeklagten?
8. Wie hoch waren die Kosten, die durch die Ermittlungen der SOKO Bekleidung angefallen sind, inklusive der Arbeitszeit der Beamten?
9. Wieso war es überhaupt notwendig, eine Sonderkommission im gegenständlichen Fall einzurichten?
10. Aus welchen Gründen hat die SOKO den Angeklagten ihr Recht auf Akteneinsicht verweigert?
11. Trifft es zu, dass es bereits zwei gerichtliche Feststellungen der Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht durch die SOKO gibt?
12. Falls die SOKO wegen Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht gerichtlich verurteilt wurde, welche Konsequenzen haben diese Beschlüsse für die SOKO nach sich gezogen?
13. Trifft es zu, dass die SOKO trotz dieser Gerichtsbeschlüsse den Angeklagten bis heute immer noch keine vollständige Akteneinsicht gewährt hat?
a. Wenn ja: Aus welchen Gründen und auf welcher Rechtsgrundlage, insbesondere nach dem Gerichtsbeschluss vom Februar 2009? Trifft es zu, dass keine Möglichkeit zur Akteneinsicht geboten wurde, weil das mit einem „enormen unvertretbaren Ressourcenaufwand“ verbunden wäre? Finden Sie, dass der Ressourcenaufwand ein Grund dafür sein kann, das Recht auf Akteneinsicht und eine faire Verteidigung zu verletzen?
b. Wenn nein: Wann werden die Angeklagten vollständige Akteneinsicht erhalten?
14. Entspricht es den Tatsachen, dass die SOKO immer noch Ermittlungen gegen den Hauptangeklagten DDr. Balluch durchführt?
a. Wenn ja: Müsste nach der geltenden Rechtslage in diesem Fall nicht umgehend Akteneinsicht gewährt werden? Wieso hält die SOKO Ermittlungen noch immer für notwendig?
15. Entsprechen die Aussagen des Staatsanwaltes über die Ermittlungstätigkeit vor Gericht den Tatsachen?
16. Trifft es zu, dass nach wie vor Polizeischüler Platzkarten für den Prozess in Wr. Neustadt erhalten und mit einem Polizeibus hingefahren werden, um dort während ihrer Unterrichtszeit im Zuschauerraum zu sitzen?
a. Wenn ja: Aus welchen Motiven und aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage? Wird dadurch die interessierte Öffentlichkeit in ihrem Recht dem Prozess beizuwohnen eingeschränkt? Was ist das Lernziel dieser Exkursion?
17. Ist es üblich Polizeischüler regelmäßig zu Prozessen zu schicken?
a. Wenn ja, mit welcher Motivation? Zu welchen Prozessen wurden Polizeischüler in den letzten fünf Jahren geschickt?
18. Legen die Behörden den § 278a Ihrer Meinung nach zu exzessiv aus?
19. Bedarf es legistischer Korrekturen des § 278a um eine Anwendung im Sinne des Gesetzgebers zu ermöglichen?