7098/J XXIV. GP

Eingelangt am 09.12.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Jarolim

und GenossInnen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend das beschämende Verhalten des österreichischen Botschafters in Berlin Ralph Scheide im

Zusammenhang mit der Nicht-Präsentation des neuen Lendvai-Buches

Ein Auftritt des hoch renommierten österreichischen Journalisten und Buchautors Paul Lendvai an der Frankfurter Johann-Wolfgang-Goethe-Universität wurde abgesagt, weil Hinweise vorlagen, dass ungarischstämmige Rechtsextremisten die Veranstaltung gewaltsam zu stören planten.

Im letztlich in Frankfurt nicht vorgestellten Buch „Mein verspieltes Land“ zieht Lendvai eine nüchterne Bilanz des Scheiterns der Politik in 20 Jahren seit dem Ende des Kommunismus in Ungarn, warnt aber auch zurecht vor dem gefährlichen rechten Populismus des derzeitigen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban.

Sowohl die offen rechtsextreme Partei Jobbik wie auch die rechtspopulistische Regierungspartei FIDESZ führen in Ungarn eine Kampagne gegen das von hoher Sachlichkeit geprägte Buch Lendvais, was beweist, dass diese Parteien der in europäischen Rechtsstaaten ansonsten selbstverständlichen Meinungsfreiheit einen unakzeptabel geringen Stellenwert zuweisen. Der Umstand, dass Ungarn demnächst die Europäische Präsidentschaft antreten wird macht in diesem Lichte besonders betroffen.

Das österreichische Nachrichtenmagazin Profil schreibt in Nr. 48/2010 dazu folgendes:

„Doch die Propagandisten beider Rechtsparteien kreieren ein Klima des Meinungsterrors, das unter den Anhängern Orbans und der Jobbik gleichermaßen eine antisemitische und pseudopatriotische Hysterie wachhält. Drei Tage vor Lendvais abgesagtem Auftritt gab eine Jobbik-Vorfeldorganisation mit Bezug auf die Frankfurter Veranstaltung ein verräterisches Kommuniqué heraus: ,Wie lange kann Paul Lendvai noch seine Diffamierungskampagne gegen Ungarn und die ungarische Nation ungehindert fortsetzen?‘ Der Ruf wurde in Deutschland offenbar erhört. Potentielle Besucher empfanden es als beschämend, dass die Behörden einer Hand voll rechtsextremer Störenfriede nichts entgegensetzen wollten. Beschämend war aber auch die Haltung des österreichischen Botschafters in Berlin, Ralph Scheide: Dieser hatte schon Anfang Oktober eine Präsentation des neuen Lendvai-Buchs in seinen Räumlichkeiten kurzfristig abgesagt. Ausschlaggebend waren damals nicht Drohungen anderer, sondern die eigenen Befürchtungen, dass das ,gute Verhältnis‘ Österreichs zu Orbans Ungarn deswegen leiden könnte.“

Die Tatsache, dass die Veranstaltung in Frankfurt auf Grund von Drohungen aus rechtsextremen und mutmaßlich kriminellen Kreisen nicht stattfinden konnte bzw. die Veranstalter sich zur Absage veranlasst sahen, liegt in der Verantwortung der deutschen Behörden.

 

Das absolut unverständliche Verbot der Präsentation des Lendvai-Buches, welche vom Verlag bereits vorbereitet war, in der österreichischen Botschaft in Berlin liegt allerdings zur Gänze in der Verantwortung eines österreichischen Organwalters.

Paul Lendvai ist einer der international am meisten geachteten österreichischen Journalisten und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sein Buch nicht von höchster Sachlichkeit gekennzeichnet wäre. Deshalb ist es kaum denkbar, dass eine Präsentation in der österreichischen Botschaft ein gutes Verhältnis“ zu einem EU-Partner hätte stören könne, sofern dieser das Gut der Meinungsfreiheit so achtet, wie es dem europäischen Wertekanon entspricht.

Geradezu absurd erscheint deshalb im gegenständlichen Fall die Vorgangsweise des Botschafters: Folgt doch der  Kniefall“, welcher als schwerer Schlag gegen die Meinungsfreiheit gewertet werden muss, wie erwähnt, gegenüber einem EU-Partnerstaat, welcher der Demokratie und den Menschenrechten verpflichtet ist.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten nachstehende Anfrage:

1.        Wurden Sie als Vorgesetzter des österreichischen Botschafters in Berlin von diesem über die geplante Absage der Buchpräsentation im Vorhinein informiert?

2.        Wenn ja: Wie haben Sie darauf reagiert?

3.        Wenn Sie die Frage 1 mit nein beantworten: Wurden Sie über die Absage der Buchpräsentation im Nachhinein von der Botschaft informiert?

4.        Wenn ja: Wie haben Sie darauf reagiert?

5.        Sofern Sie von der Botschaft nicht informiert wurden und aus den Medien von der beschämenden Vorgangsweise des österreichischen Botschafters in Berlin erfahren haben: Hat es eine Reaktion Ihrerseits in dieser Sache gegenüber dem österreichischen Botschafter in Berlin gegeben?

6.        Prof. Paul Lendvai, der auch in schwierigsten Zeiten der Republik Österreich gegenüber höchste Loyalität bewiesen hat, gilt international als hoch renommierter Journalist. Es gibt keinerlei Hinweise dafür, dass sein Buch nicht von höchster Sachlichkeit geprägt wäre. Finden Sie es unter diesen Voraussetzungen nicht als unverständlich, dass die Präsentation dieses Buches an der Botschaft in Berlin das gute Verhältnis“ zu einem EU-Partner, der Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Demokratie zu achten sich verpflichtet hat, in so erheblichem Maß stören könnte, dass der dramatische Schritt des Verbots dieser Präsentation gerechtfertigt wäre?

 

7.     Wie beurteilen Sie das Verhalten des Botschafters in Bezug auf das Ansehen der österreichischen Diplomatie?