713/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.01.2009
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Anfrage

der Abgeordneten Ursula Haubner, Rainer Widmann

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend Begrenzung des Anteils nicht deutschsprachiger Schülerinnen und Schüler an den oberösterreichischen Pflichtschulen auf 30%

 

Die Beherrschung von Sprache ist eine zentrale Kompetenz. Sie ist die Voraussetzung für gelungene Integration, für einen positiven Schulabschluss und für adäquate Chancen am Arbeitsmarkt. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nicht deutscher Muttersprache lag in den oberösterreichischen Pflichtschulen im Schuljahr 2006/07 bei rd. 19%. Bei Betrachtung verschiedener Schultypen und Orte zeigen sich jedoch starke Segregationstendenzen. So liegt in Wels der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nicht deutscher Muttersprache in den Volks- bzw. Hauptschulen bei rd. 48 % bzw. rd. 50 %, in den Polytechnischen Schulen sogar bei rd. 56%[1]. Diese Werte liegen weit über dem österreichischen Durchschnitt.

Die Zahlen finden in der Folge vor allem am Arbeitsmarkt ihren Niederschlag, haben steigende Tendenz und werden in Hinblick auf Nutzung vorhandener Potentiale und Fähigkeiten der Betroffenen von der Verantwortlichen wenig oder gar nicht wahrgenommen. Zwei- oder Mehrsprachigkeit wäre ein grundsätzlicher Vorteil auf dem Arbeitsmarkt bzw. der Integration förderlich, gerät aber aufgrund fehlender Sprachkompetenz in Deutsch und in der Sprache des Herkunftslandes auch bei Migranten der zweiten Generation zum gravierenden Nachteil.

„In Österreich unterscheiden sich Migrantinnen und Migranten der 1. und 2. Generation in ihrer Leseleistung wenig (nicht signifikant), wobei wegen des längeren Aufenthaltes in Österreich von Migrant/innen der 2. Generation eigentliche bessere Leistungen als von Migrant/innen der 1. Generation (die im Ausland geboren wurden) zu erwarten wären. Dies deckt sich mit den PISA-Ergebnissen und zeigt den geringen Effekt der Sozialisations- und Enkulturationsbemühungen.“[2]

Der o. a. Verweis der geringen Effektivität der bisherigen Sozialistations- und Enkulturationsbemühungen in Österreich muss zu intensivierten Integrationsmaßnahmen von österreichischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund führen.

Nicht zuletzt aufgrund der immer stärker werdenden Segregationstendenzen an den oberösterreichischen Pflichtschulen erhalten Privatschulen derart regen Zulauf, dass viele deutschsprachige Eltern bereit sind, ihre Kinder bis zu zwei Jahre vor Schuleintritt bei Privatschulen anzumelden. Darüber hinaus nehmen Eltern die Belastung weiter Schulwege in Kauf, um ihren Kindern eine Ausbildung auf entsprechendem Niveau bieten zu können und sind bereit, bis zu € 1.500 pro Jahr Schulgeld zu zahlen. Diese hohen Kosten machen den Besuch von Privatschulen für Kinder aus sozial schwachen Familien nahezu unmöglich. Ihnen bleibt nur die öffentliche Pflichtschule, die mit ihrem derzeitigen, unverhältnismäßig hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Muttersprache von den Schulverantwortlichen zum Instrument einer bildungs- und sozialpolitischen Negativauslese gemacht wurde.

In der XXII GP des Nationalrates stellten auf Initiative des BZÖ die Abgeordneten Mares Rossmann, Werner Amon, Kolleginnen und Kollegen einen Entschließungsantrag, der eine gleichmäßige Verteilung der Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Muttersprache in Parallelklassen sowie in Schulen mit gleicher Erreichbarkeit vorschlug, um die Pflichtschulen für Schülerinnen und Schüler mit deutscher Muttersprache wieder attraktiver zu machen. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur folgende

Anfrage:

  1. Ist Ihnen der oben angeführte Antrag der Abgeordneten Rossmann und Amon bekannt?
  2. Wurde die vom Nationalrat mehrheitlich beschlossene Entschließung umgesetzt?

a)      Wenn ja, welche Ergebnisse hat die Überprüfung gebracht?

b)      Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?

  1. Wie hoch ist der aktuelle Anteil an Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Muttersprache in den verschiedenen Schultypen in den Städten Linz, Wels und Steyr? (Angaben bitte absolut und prozentuell nach Bezirken bzw. Stadtteilen gegliedert)
  2. Welche sind die zehn Schulen in Oberösterreich mit dem höchsten Anteil an Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Muttersprache und wie hoch ist der jeweilige prozentuale Anteil?
  3. Welche Maßnahmen aus ihrem Wirkungsbereich sind Ihnen bekannt, die geeignet wären, den Segregationstendenzen an den oberösterreichischen Pflichtschulen entgegenzuwirken und welche werden derzeit angewandt?
  4. Halten Sie diese Maßnahmen für ausreichend?

a)      Wenn ja, welche Überlegungen bzw. Ergebnisse veranlassen sie zu dieser Bewertung?

b)      Wenn nein, welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um den Segregationstendenzen an den oberösterreichischen Pflichtschulen entgegenzuwirken?

  1. Welche konkreten Notwendigkeiten sehen Sie für das österreichische Schulsystems aufgrund der Aussage der Studienautoren (PIRLS 2006), dass die Sozialisations- und Enkulturationsbemühungen in Österreich einen nur geringen Effekt aufweisen?
  2. Wie beurteilen Sie den stärker werdenden Zulauf an den Privatschulen?
  3. Halten Sie diese Entwicklung für sozial verträglich?
  4. Halten Sie den Vorschlag des BZÖ in jeder Pflichtschule eine Klasse mit zumindest 70% Schülerinnen und Schüler deutscher Muttersprache verpflichtend zu führen für umsetzbar?

a)      Wenn ja, wie sieht das diesbezügliches Durchführungskonzept aus?

b)      Wenn nein, warum nicht?

  1. Wann wird die BZÖ - Forderung nach dem bundesweit verpflichtenden letzten Kindergartenjahr umgesetzt, damit allen Kinder gleiche Chancen aufgrund ausreichender sprachlicher Kompetenzen geboten werden?
  2. Wie hoch wird der finanzielle Anteil sein, den der Bund bei der Umsetzung des verpflichtenden letzten Kindergartenjahres übernehmen will?

 

 



[1] Quelle: Statistik Austria

[2] PIRLS 2006 Internationaler Vergleich von Schülerleistungen