731/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.01.2009
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend verweigerter Polizeischutz vor Politmord

 

 

Am 13.1.2009 wurde in Wien ein Mann, dem in Österreich Asyl gewährt worden war, von bisher unbekannten Tätern auf offener Straße mit mehreren Schüssen ermordet.

 

In den Medien wurden mittlerweile nachvollziehbare Vorwürfe erhoben, dass das Mordopfer bereits seit dem Sommer 2008 bei der Polizei angegeben habe bedroht zu werden und mehrfach um Personenschutz angesucht habe. Der Betroffene war Zeuge in einem Verfahren gegen den Präsidenten der Republik Tschetschenien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und stand darüber hinaus auf einer „Todesliste“, welche sogar im Internet frei abrufbar ist und von Experten als echt eingeschätzt wird.

 

Die österreichischen Polizeibehörden haben sich in den vergangenen Tagen bezüglich der Ansuchen um Personenschutz in Widersprüche verstrickt:

 

In einer Pressekonferenz am 15.1.2009 erklärte Walter Nevoral vom LVT:

 

„Es gibt einen E-Mailverkehr  von Ende Dezember bis Jänner des Flüchtlingshelfers des Getöteten mit unserer Dienststelle, wo eine vage Bedrohungslage angedeutet wird, die aus damaliger Sicht keine Sofortmaßnahmen notwendig machten.“

 

Dazu der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien, Gerhard Jarosch, auf derselben Pressekonferenz:

 

          „Das Opfer habe sich beobachtet gefühlt, das war´s.“

 

In der APA Meldung 647 vom 15.1.2009 über diese Pressekonferenz wird weiter berichtet:

 

„Bereits im Sommer 2008 wandte sich der Ermordete an die Behörden: Er sei genötigt worden, seine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zurückzuziehen. Darin soll es laut Medienberichten um Folter in Tschetschenien gehen. Bei der damaligen Beschwerde habe es keinen Strafbestand gegeben, betonte Jarosch.“

 

In der Ausgabe vom 21.1.2009 berichtet die Wochenzeitung „Falter“, dass am 10.6.2008 ein Agent des Präsidenten der Republik Tschetschenien, Kadyrow Ramsan,  direkt bei der Polizei vorgesprochen und bekannt gegeben habe, dass er den Auftrag erhalten habe, den jetzt Ermordeten „zu beseitigen“. Er habe die Beamten gebeten, das Opfer in Sicherheit zu bringen, die Beamten lehnten jedoch ab. Laut „Falter“ wurde statt dessen der Agent angezeigt und in weiterer Folge abgeschoben.

 

Weiters sei bereits am 9.6.2008 ein Schreiben einer „westlichen Menschenrechts-organisation“ an das BVT gerichtet worden, in welchem auf die Gefährdung des jetzigen Opfers als Kronzeuge im Prozess hingewiesen wurde, und „eindringlich“ um Schutz für das nunmehrige Opfer ersucht wurde.

 

Darüber hinaus stellten laut Falter die Anwälte des Mordopfers am 8.7.2008 und am 7.1.2009 Ansuchen um Personenschutz. Auch der Flüchtlingsbetreuer habe wiederholt um Schutz ersucht, und zuletzt am 7.1.2009 an die Behörden geschrieben:

 

„Es wäre schon gut, wenn Handlungen zum Schutz von Herrn I. nicht erst dann gesetzt werden, wenn es zu spät ist.“

 

Laut Falter verzichtete der Beamte im LVT, der den Fall bearbeitete, darauf diese Mails weiterzuleiten, sondern hielt fest:

 

Es gebe „tatsächlich und objektiv betrachtet keine Anhaltspunkte“ für eine Gefährdung. Im Ernstfall könne man ja einfach „den Notruf wählen.“ 

 

Der Falter zitiert auch einen nicht namentlich genannten Sprecher des Ministeriums wie folgt:

 

„Der Personenschutz war zu teuer, die Gefährdungslage war ja viel zu vage.“ Man könne ja nicht jeden schützen, der sich verfolgt fühle.

 

Demgegenüber verkündeten Sie am 20.1.2009 in der ORF-Sendung Mittagsjournal, dass nach „Ihren Erstinformationen, die aber noch verifiziert werden müssten,“ ein Personenschutz vom Ermordeten abgelehnt worden sei.

 

Angesichts dieser eklatant widersprüchlichen Angaben und der augenscheinlichen schweren Mängel im Schutz gefährdeter Personen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Haben Sie in der ORF Sendung Mittagsjournal vom 20.1.2009 die Unwahrheit gesagt, als Sie bekannt gaben, dass der Ermordete Personenschutz abgelehnt habe?

 

  1. Falls ja: weshalb?

 

  1. Falls nein: Wie sind Ihre „Erstinformationen“ vom 20.1.2009 mit den im Falter vom 21.1.2009 berichteten Umständen, dass die Anwälte des Ermordeten sowie sein Flüchtlingshelfer und auch eine Hilfsorganisation ausdrücklich Personenschutz beantragt haben in Einklang zu bringen, wobei diese Umstände im Wesentlichen bereits in einer Vorabmeldung vom 19.1.2009 veröffentlicht wurden?

 

  1. Bitte schlüsseln Sie exakt auf, wann die Exekutivbehörden (Polizei, LVT, BVT) jeweils von wem über welche Aspekte der Bedrohungsszenarien betreffend das nunmehrige Mordopfer informiert wurden.

 

  1. Bitte schlüsseln Sie exakt auf, wann Anträge auf Personenschutz gestellt wurden.

 

  1. Wie wurde über diese Anträge entschieden?

 

  1. Von wem?

 

  1. Wann?

 

  1. Mit welcher Begründung?

 

  1. Entspricht es der üblichen Vorgehensweise, dass derartige Anträge von Einzelbeamten alleine entschieden werden?

 

  1. Halten Sie den Hinweis auf die Möglichkeit, „den Notruf zu wählen“ für eine geeignete Reaktion der Behörden auf die Todesangst eines Verfolgten?

 

  1. Haben die Kosten für Personenschutz eine Rolle bei der Entscheidung gespielt?

 

  1. Wann hat nach Ihren „Erstinformationen“ der Ermordete die Gewährung von Personenschutz abgelehnt?

 

  1. Ab wann war den Exekutivbehörden bekannt, dass sich der Name des Ermordeten auf einer im Internet veröffentlichten „Todesliste“ befindet?

 

  1. Ab wann war den Exekutivbehörden bekannt, dass der Ermordete als Zeuge in einem Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auftritt?

 

  1.  Wie lauten die Namen und Dienstränge der Angehörigen des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, die Beamten des BVT Besuche abgestattet haben?

 

  1. Wann haben diese Besuche stattgefunden?

 

  1. Wer waren die Beamten des BVT, die mit dem FSB zusammengearbeitet haben?

 

  1. Ist es richtig, dass zwischen BVT und FSB zum Bereich "Tschetschenen" zusammengearbeitet wurde?

 

  1. Sind Berichte zutreffend, wonach der russische Geheimdienst wiederholt im Innenministerium um Bekanntgabe der Daten tschetschenischer Asylwerber bzw. Asylberechtigter ersucht hat?

 

  1. Falls ja: wurde diesem Ersuchen Folge geleistet?

 

  1. War der Direktor des BVT Mitglied der österreichisch-russischen Gesellschaft?

 

  1. Welche Funktionen hatten der Direktor des BVT, Innenminister Strasser und sein Kabinettschef Ulmer in der österreichisch-russischen Gesellschaft?

 

  1. Welche disziplinären Maßnahmen werden Sie gegen die involvierten Beamten angesichts der augenscheinlich gewordenen Mängel im Schutz verfolgter Personen ergreifen?

 

  1. Welche organisatorischen Maßnahmen werden Sie setzen, um zukünftig den Schutz politisch verfolgter Asylwerber und Asylberechtigter in Österreich zu gewährleisten?