7319/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.12.2010
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Gartelgruber

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend die WIG - Wörgler Infrastruktur GmbH

 

Im Jahr 2003 wurde in zwei Besprechungen mit Finanzamtsvertretern (HR Dr. Johannes Steinbacher und HR Dr. Peter Staudacher, Fachbereich des sachlich und örtlich zuständigen Finanzamtes Kufstein Schwaz) die umsatzsteuerrechtliche Konzeption der WIG erörtert. Diese Erörterung endete in einer schriftlichen Anfrage vom 05.12.2003 betreffend die steuerliche Behandlung. Mit Schreiben vom 17.12.2003 wurde die Beantwortung dahingehend vorgenommen, dass die rechtliche Konstruktion in der beschriebenen Form steuerlich anerkannt wird. Dementsprechend wurden die steuerlichen Veranlagungen des Finanzamtes in diesem Sinne vorgenommen.

 

In der Folge wurde im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung die Tätigkeit der WIG nicht mehr umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig klassifiziert und als nichtunternehmerische Tätigkeit vergleichbar einem Hoheitsbetrieb eingestuft. Dies führte zur Aberkennung des Vorsteuerabzuges sowie der beantragten Investitionszuwachsprämien. Gegen diese Bescheide wurden innerhalb offener Frist Berufungen erhoben. Diese Berufungen wurden vom Finanzamt Kufstein Schwaz mittels Berufungsvorentscheidung abgewiesen. Daraufhin wurde seitens der WIG beantragt, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz (UFS) zur Entscheidung vorzulegen.

 

Auf Grund der hohen finanziellen Auswirkungen, die mit der Berufungsentscheidung verbunden sind, wurde zusätzlich ein Kontakt zum Bundesministerium für Finanzen hergestellt. Am 18.03.2010 erfolgte schließlich in Wien im Finanzministerium mit Frau Mag. Baumann als Vertreterin des BMF und dem ehem. Herrn Bürgermeister Arno Abler, den Geschäftsführern Ing. Dietmar Günther und Helmut Mussner sowie dem Steuerberater, Dr. Braito, eine Besprechung in dieser Angelegenheit. Frau Mag. Baumann, die sich über diesen Fall umfänglich vorinformiert hat, sah das Anliegen der Gemeinde Wörgl grundsätzlich als berechtigt an und teilte den Anwesenden mit, dass diese von ihr eine entsprechende Mitteilung erhalten werden. Diese Sitzung wurde von den genannten Vertretern der GmbH und des Gesellschafters mit einem positiven Gefühl verlassen.


In der Folge wurde der Steuerberater Dr. Braito von Herrn Dr. Ferdinand Rössler, dem stellvertretenden Leiter des bundesweiten Fachbereiches für Umsatzsteuer, im Auftrag von Frau Mag. Baumann zurückgerufen. Dieser teilte mit, dass sich das BMF und dem folgend der bundesweite Fachbereich Umsatzsteuer „seit geraumer Zeit“ darauf festgelegt haben, dass Vorsteuerabzüge bei Straßenbauten - auch bei entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen - nicht mehr zugelassen werden. In der Sache selbst wird daher seitens des Ministeriums an das Finanzamt keine Weisung erteilt. Dies insbesondere deshalb, da in einem früheren Umsatzsteuerprotokoll die Versagung des Vorsteuerabzuges für Straßenbauten vom damaligen Minister Mag. Molterer ausdrücklich angeordnet worden ist. Dieses Umsatzsteuerprotokoll ist jedoch erst einige Jahre nach der Gründung der WIG verfasst worden. Auf Grund des Umstandes, dass das Finanzamt der steuerlichen Konstruktion der WIG ursprünglich zugestimmt hat, sieht Herr Mag. Ferdinand Rössler in verfahrensrechtlicher Hinsicht (Grundsatz von Treu und Glauben) für die WIG gute Chancen im Rechtsmittelverfahren Recht zu bekommen.

 

Abschließend verweist er aber nochmals darauf, „ …dass es seitens des BMF keine "Einmischung" in die Finanzamtsangelegenheit geben wird. Im Ergebnis ist daher die Entscheidung des UFS Innsbruck abzuwarten. Bei der mündlichen Verhandlung werden insbesondere die Grundsätze des Vertrauensschutzes (Treu und Glauben) einzuwenden sein.“

 

Bezüglich der Chronologie der Ereignisse wird auf nachfolgende Darstellung verwiesen:

 

05.12.2003    Anfrage wegen steuerlicher Behandlung

17.12.2003    Beantwortung der Anfrage durch OR Dr. Staudacher

22.06.2005    Veranlagung 2003

30.11.2006    Veranlagung 2004

05.03.2007    Bescheid über Festsetzung der Investitionszuwachsprämie 2004

05.03.2007    Bescheid U 10-12/2006

06.03.2007    vorläufige Veranlagung 2005

06.03.2007    Bescheid U 1-9/2006

06.04.2007    Berufung gegen IZP 2004 (Bescheid vom 05.03.2007). U 2005

(Bescheid vom 06.03.2007), U 1-9 /2(006 (Bescheid vom 06.03.2007) und 10·1212006 (Bescheid vom

17.01.2008    Bescheid über Festsetzung der InY6Slitionszuwachsprämie 2003

17.01.2008    Wiederaufnahme und Neuveranlagung 2003

17.01.2008    Wiederaufnahme und Neuveranlagung 2004

17.01.2008    endgültige Veranlagung 2005

17.01.2008    Veranlagung 2006

17.01.2008    Bescheid U 1·9/2007

15.02.2008    Berufung gegen IZP 2003. U 2003-2006. K 2003-2006. U 1-9/07 (Bescheide vom 17.01.2008)

07.03.2008    Bescheid 1Q.-12/2007

31.03.2008    Berufung gegen U10-12/2007 (Bescheid vom 07.03.2008 )

18.06.2008    Vorlage der Berufung vom 10.04.2007 bzw. 31.03.2008 an den UFS

08.10.2008    Bescheid U 1-612008

04.11.2008    Berufung gegen U 1-6/2008 (Bescheid vom 08.10.2008)

03.03.2009    Veranlagung 2007. U 7-12/2008

16.03.2009    Berufung gegen K 2007. U 2007 und U 7·12/2008

(Bescheide vom 03.03.2009 )

07.04.2009    Vorlage der Berufung vom 4.11.2008 bzw. 16.03.2009 an den UFS

11.09.2009    Bescheid U 1-612009

18.09.2009    Berufung gegen U 1-6/2009 (Bescheid vom 11.09.20(9)

19.02.2010    Veranlagung 2008. U 7-1212009

22.02.2010    Berufung gegen K 2008. U 2008 und U 7·1212009

(Bescheide vom 19.02.2010)

08.03.2010    Vorlage der Berufung vorn 18.09.2009 bzw. 22.02.2010 an den UFS

01.09.2010    Veranlagung 2009. U 1-6/2010

01.10.2010    Berufung gegen K 2009. U 2009 und U 1-6/2010

(Bescheide vorn 01.09.2010)

25.10.2010    Vorlage der Berufung vorn 01.10.2010 an den UFS

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Inwieweit haben Rechtsauskünfte fachlich zuständiger Organe einer Behörde, in diesem Fall das Finanzamt Kufstein Schwaz, Bindungswirkung?

 

2.    Genießt ein Steuerpflichtiger auf eine behördliche Auskunft einen (verfassungsrechtlich garantierten) Vertrauensschutz oder nicht?

 

3.    Inwiefern besitzt eine (angeblich existierende) interne Weisung bzw Richtlinie eines ehemaligen Bundesministers dergestalt bindenden Charakter, als dass sie eine bereits offiziell und schriftlich erteilte Auskunft des zuständigen Finanzamtes außer Kraft zu setzen vermag?

 

4.    Offenkundig hat in der Frage der Beurteilung beim Finanzministerium ein Sinneswandel eingesetzt, diese geänderte Rechtsauffassung wurde erst im Zuge einer abgabenbehördlichen Betriebsprüfung kundgetan. Seitens der WIG wurde in vollem Vertrauen auf die ursprüngliche Anfragebeantwortung des Finanzamtes Kufstein vertraut und mit Millionenaufwand eine gesellschaftsrechtliche Lösung generiert. Darf ein Finanzamt seine rechtliche Beurteilung, nachdem es die gesellschaftsrechtliche Gestaltung im Veranlagungswege (durch entsprechende Sach- und Verfahrensbescheide) bereits mehrere Jahre anerkannt hat, bedingt durch eine Auffassungsänderung einfach über Bord werfen?

 

5.    Stützt sich die offenkundig neue Rechtsauffassung der Außenprüfung des Finanzamtes auch auf zwischenzeitliche gesetzliche Änderungen oder eine geänderte Rechtssprechung des VwGH oder kommt man durch den angesprochenen Sinneswandel - allem Anschein nach in vorauseilendem Gehorsam - alleine der Anordnung des Ministerbüros nach?

 

6.    Sollte keine zwischenzeitliche gesetzliche Änderung oder geänderte Rechtssprechung des VwGH existieren - auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt dann die dem offiziell geäußerten Standpunkt des zuständigen Finanzamtes diametral entgegengesetzte Erledigung durch die Außenprüfung, die schließlich ein sachlich und organisatorisch in das Finanzamt Kufstein Schwaz eingegliedertes und an die Erledigungen des zuständigen Fachbereiches gebundenes Organ ist?


7.    Welche normative Kompetenz besitzt der angeführte „bundesweite Fachbereich“, der auf das gegenständliche Verfahren offenkundig massiven Einfluss genommen hat?

 

8.    Auf welcher Rechtsgrundlage wird der „bundesweite Fachbereich“ tätig?

 

9.    Warum muss sich nach Ansicht der Finanzverwaltung das zuständige Finanzamt der Ansicht des „bundesweiten Fachbereiches“ unterordnen?

 

10. Welche Bindungswirkungen entfalten seine Ansichten, insbesondere im direkten Verhältnis zu Abgabenpflichtigen und konkreten Sachverhalten?

 

11. Kann eine – wie auch immer zu qualifizierende – Rechtsansicht des „bundesweiten Fachbereiches“ eine Auskunft, die das zuständige Finanzamt einem Abgabenpflichtigen offiziell erteilt, in irgendeiner Form überstimmen oder ungültig machen?

 

12. Entstehen durch den angesprochenen Sinneswandel der Organe des Finanzamtes Ansprüche auf Schadenersatz für die WIG aufgrund der im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskünfte getätigten umfassenden Investitionen?