742/J XXIV. GP

Eingelangt am 27.01.2009
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Brunner, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend NÖ Beutegreiferverordnung

 


Kurz vor Weihnachten 2008 wurde von der niederösterreichischen Landesregierung eine neue „Beutegreiferverordnung“ zum Abschuss von 250 Greifvögeln beschlossen. Diese Verordnung soll einen europaweit beispiellosen jagdlichen Eingriff in die heimische Vogelwelt ermöglichen: Bis zum 31. Januar ist es niederösterreichischen Jägern erlaubt, 200 Mäusebussarde und 40 Habichte zu erlegen. Angeblich soll diese Maßnahme in den nächsten sechs Jahren fortgesetzt werden, so dass insgesamt 1200 Mäusebussarde und 240 Habichte freigegeben werden. Die beiden Greifvogelarten sind durch die europäische Vogelschutzrichtlinie geschützt. Die Ausnahmegenehmigung des Landes NÖ soll diesen Schutz teilweise aufheben und einen massiven Eingriff in die niederösterreichischen Bestände von Mäusebussard und Habicht ermöglichen. Diese Verfolgung wird als „vernünftige Nutzung“ bezeichnet - eine europaweit einzigartige Absurdität! Offiziell wird die Maßnahme damit gerechtfertigt, gefährdete Arten – die angeblich auf dem
Speisezettel der Greifvögel stehen – zu schützen.

Gefährdete Arten wie Brachpieper, Smaragdeidechse oder Springfrosch, die zur Legitimation für die Abschüsse herangezogen werden, verschwinden nicht durch Greifvögel, sondern durch die fortschreitende Zerstörung ihrer Lebensräume. Mäusebussarde fressen vorwiegend Mäuse und Aas, der Habicht erbeutet vor allem Vögel bis zur Größe von Krähen, Eichelhähern und Ringeltauben. Bei keiner der 26 Arten, die in der Verordnung aufgezählt sind, ist eine Bedrohung durch Mäusebussard und Habicht wissenschaftlich nachgewiesen. Bei 16 Arten davon fehlt sogar der Nachweis, dass sie überhaupt von den beiden Greifvögeln gefressen werden.

Hinterlegt wird diese Verordnung durch ein – wissenschaftlich fragwürdiges – Gutachten des Forschungsinstitutes für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Fragwürdig auch deshalb, weil die angenommenen Bestandsdichten zumindest beim Habicht deutlich überhöht sein dürften, was darauf zurückzuführen ist, dass die „Greifvogelzählungen“ von den Jägern selbst durchgeführt wurden. Die „vernünftige Nutzung“ wird damit begründet, dass die Motivation der Jäger in Naturschutz zu investieren durch eine Nutzung der Arten gesteigert wird.

Die Beutegreifer-VO öffnet illegaler Greifvogelverfolgung Tür und Tor, weil sie jederzeit eine Ausrede für “irrtümliche” Abschüsse liefert. Im Winterhalbjahr halten sich in Niederösterreich zahlreiche gefährdete Greifvögel auf, die auch bei gutem Willen leicht mit Habicht und Mäusebussard zu verwechseln sind: Sakerfalke, Wanderfalke, Sperber (vor allem Weibchen), Kornweihe, Rohrweihe, Rotmilan, Sumpfohreule und Rauhfußbussard. Die Greifvogelverordnung torpediert damit also auch langjährige Naturschutzbemühungen für die Rückkehr ehemals ausgerotteter Arten nach Österreich. So brüten im Osten des Landes fünf bis sieben Seeadler-Paare. Auch dem sehr seltenen Kaiseradler ist in den letzten Jahren in Niederösterreich mit zwei Brutpaaren ein eindrucksvolles Comeback gelungen.

 

Die Maßnahme stellt bereits den zweiten Versuch dar, in Niederösterreich die EU-Vogelschutzrichtlinie zu umgehen, um die Jagd auf Greifvögel zu ermöglichen. Der erste Anlauf hatte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich zur Folge.

 


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Wie wird sichergestellt, dass nicht durch Fehlabschüsse bedrohte Arten wie Seeadler und Kaiseradler oder andere seltene Arten abgeschossen werden ?

 

  1. Wurden auch andere Fachmeinungen eingeholt als die von der Jagdlobby beauftragten Studie? Wenn ja, welche?

 

  1. Gibt es Fachmeinungen oder Stellungnahmen, die sich detailliert mit der VO und dem Gutachten auseinandersetzen? Wenn ja, welche?

 

  1. Wie stehen Sie zu der EU-weit einmaligen Absurdität einer „vernünftigen Nutzung von Mäusebussard und Habicht“?

 

  1. Gibt es vergleichbare Maßnahmen in anderen Ländern, wonach gefährdete Arten durch Abschussfreigabe von Greifvögeln geschützt werden? Wenn ja, welche?

 

  1. Was unternehmen Sie gegen den Umstand, dass in Österreich noch immer das in der EU bereits verbotene Gift „Carbofuran“ gegen Greifvögel eingesetzt wird?

 

  1. Was unternehmen Sie gegen den Umstand, dass die NÖ Beutegreiferverordnung voraussichtlich ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich nach sich ziehen wird? Welche Kosten wurden durch das letzte Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichteinhaltung der Vogelschutzrichtlinie verursacht?