7423/J XXIV. GP
Eingelangt am
20.01.2011
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Steuerausfall und grobe Verzerrung der Preise im Mobilitätsmarkt durch Firmenwagen-Privilegien
Durch die derzeit geltenden steuerlichen Regelungen für die Kfz-Nutzung und nochmals durch ihren finanzbehördlichen Vollzug werden zahlreiche Schieflagen zulasten der Umwelt – und oft auch der Verteilungsgerechtigkeit – produziert. Viele Beispiele untermauern dies:
So anerkennen Finanzbehörden bei EinzelunternehmerInnen die Verrechnung von dienstlich gefahrenen Strecken mit km-Geld nur dann, wenn mindestens 50% der Gesamt-Kilometerleistung privat gefahren werden. D.h. die Betroffenen werden steuerlich quasi gezwungen, auch in der Freizeit fleißig das Auto zu verwenden, um nicht finanziell draufzuzahlen.
Auch die Frage, wieso die via UStG und EStG verordnete Vorsteuerabzugsberechtigung an Größe und Form des Kfz anknüpft statt am Verbrauch/CO2-Ausstoß und so alle Energieeffizienz-, Klima- und Schadstoffziele konterkariert, ist offen. In ihrer derzeitigen Form kommt diese Regelung einer Van-, SUV- und Pickup-Förderung gleich und zwingt Firmen, zB für AußendienstmitarbeiterInnen, die oft nicht mehr als ihre Notebook-Tasche transportieren müssen, riesige und unnötig verbrauchs- und schadstoffintensive Kfz als Firmenwagen anzuschaffen.
Speziell für viele Dienstleister ist diese Regelung ungeeignet, eine ambitionierte CO2-Obergrenze wäre in jeder Hinsicht zweckdienlicher, nicht zuletzt auch für die österreichische Klimabilanz, deren Zustand – siehe Zertifikatsankaufprogramme und potenzielle Strafzahlungen – auch beträchtliche budgetäre Folgen hat.
Das Firmenwagen-Thema verdient jedoch im Hinblick auf umfangreiche ökologisch und verteilungspolitisch kontraproduktive Steuerprivilegien generell besondere Zuwendung.
Mitte 2010 wurde die von der renommierten Beraterfirma "Copenhagen Economics" im Auftrag der für Steuern und Zollunion zuständigen GD TAXUD der EU-Kommission erstellte europäische Vergleichsstudie "Company Car Taxation: Subsidies, Welfare and Environment" präsentiert.
Die in englischer Sprache vorliegende Studie widmet sich dem Thema der Firmenwagen/Dienst-Kfz (definiert als Personen-Kfz, welche von Unternehmen gekauft oder geleast und von Angestellten dieser Unternehmen für Dienst- bzw. Privatfahrten genutzt werden). Konkret untersucht die Studie, inwieweit in den Mitgliedstaaten - die meisten Aussagen beruhen auf einer EU-18-Basis - die Nutzung von Firmenwagen durch die nationalen Steuerregelungen subventioniert wird und welche steuerlichen, wirtschaftlichen und Umwelt-Folgen dies bewirkt.
Insgesamt übt die Studie aus volkswirtschaftlicher und umweltpolitischer Sicht deutlich Kritik an Gestaltung und Ausmaß der steuerlichen Begünstigung von Firmenwagen.
Der Untersuchung zufolge sind Steuerbegünstigungen für Firmenwagen in der EU sehr verbreitet und haben einen direkten Steuermittelausfall von bis zu 54 Mrd. Euro zur Folge, das ist etwa ein halbes Prozent des EU-BIP! EU-weit wird ein Wohlfahrtsverlust von 15 bis 35 Mrd. Euro pro Jahr durch die Förderung von Firmenwagen geschätzt.
Die Förderung von Firmenwagen kommt der Studie zufolge überwiegend gut und sehr gut verdienenden Haushalten zugute und ist daher sozial und verteilungspolitisch ungerecht.
Die Förderung führt weiters zur Anschaffung deutlich (um mehrere tausend Euro) teurerer Fahrzeuge und steigert die Jahresfahrleistung der Begünstigten je Kfz im vierstelligen Kilometerbereich.
Die Steuerbegünstigungen haben laut der Studie auch insofern eine negative Umwelt-Wirkung, da sie erstens die Zahl der zugelassenen Kfz erhöhen und zweitens eindeutig das Fahren größerer Fahrzeuge mit höherem Verbrauch und höheren Emissionen fördern – je größer das Auto, desto höher der Firmenwagen-Anteil an den Gesamtzulassungen, das Verhältnis kehrt sich laut Studie von 31% Firmenwagenanteil in der kleinsten PKW-Klasse zu 76% in der größten mehr als um.
Die Gesamtzahl der PKW in Europa wird der Studie zufolge durch die Subventionierung von Firmenwagen um mehrere Millionen erhöht, der Treibstoffverbrauch in Europa wird um 4 bis 8 Prozent erhöht.
Die damit verbundene zusätzliche Umweltbelastung hat beträchtliche Ausmaße: Der Feinstaubausstoß wird um 1.000 bis 2.000 Tonnen pro Jahr gesteigert, der NOx-Ausstoß um 25.000 bis 50.000 Tonnen, der CO2-Ausstoß um 21 bis 43 Mio Tonnen pro Jahr, das entspricht dem Ein- bis Zweifachen der gesamten Klimagasemissionen des Sektors Verkehr in Österreich!
All dies widerspricht offensichtlich und auch der Studie zufolge klar den nationalen und EU-weiten klima- und energiepolitischen Zielen.
Die Studienautoren weisen auch auf längerfristige „Nebeneffekte“ dieser Subventionspolitik hin, etwa das solcherart künstlich produzierte Überangebot an leistungs-, verbrauchs- und emissionsintensiven großen PKW auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Dieser lässt die marktverzerrenden Wirkungen der ursprünglich nur in einzelnen Ländern (wie Österreich und Deutschland) besonders ausgeprägten Subventionierung von Firmenwagen letztlich über Gebrauchtwagen-Exporte europaweit „durchsickern“ und erschwert damit das Erreichen u.a. von Verbrauchsreduktionszielen langfristig und europaweit.
Die Studie enthält neben diesen grundlegend kritischen Aussagen auch noch einige speziell aus Sicht der österreichischen SteuerzahlerInnen alarmierende Aussagen:
· Für Österreich wird ein Steuerausfall von ca. 1,6 Mrd. Euro pro Jahr (!) durch die Förderung von Firmenwagen geschätzt, das entspricht etwa 0,6% des BIP.
· Der Firmenwagenanteil an den Neuzulassungen ist in Österreich der Studie zufolge mit 52% (!) im Spitzenfeld und deutlich über dem EU-Durchschnitt.
· Österreich ist bei der Subventionierung der Privatnutzung von Firmenwagen im europäischen Spitzenfeld, auch bei großen PKW findet sich Österreich – u.a. aufgrund von Steuer-Deckelungen – in der Spitzenkategorie (über 30% Förderung) zusammen mit wenigen anderen „Umweltmusterländern“ von Griechenland und Portugal bis Ungarn.
Weiters macht die Studie deutlich, dass andere EU-Staaten in ihrer wie auch immer dimensionierten Besteuerung von Firmenwagen wesentlich zeitgemäßere Regelungen kennen, etwa eine nach dem CO2-Ausstoß differenzierte Besteuerung wie in Großbritannien.
Der VCÖ wies im Dezember 2010 auf Basis aktueller österreichischer Zulassungsdaten darauf hin, dass das Problem weiter im Anwachsen ist, 2010 ist die Zahl der von Firmen und Institutionen (und nicht von Privatpersonen) gekauften Pkw im Vergleich zum Vorjahr um nicht weniger als ein Viertel angestiegen.
Die vorliegenden Daten erlauben dabei auch die Aussage, dass der hohe Nicht-Privatkauf-Anteil von fast 50% bei Pkw (in Wien 63,5% im Jahr 2010!) großteils weder mit den Kurzzulassungen durch den Autohandel noch mit Leasing-Fahrzeugen erklärt werden kann, sondern dass es sich tatsächlich zum weit überwiegenden Teil (gut 75% der Nicht-Privatkauf-Pkw!) um echte Firmenwagen mit den entsprechenden Steuerausfällen für die Allgemeinheit handelt.
Geringe Besteuerung von Firmen-/Dienstwagen wie in Österreich gibt Unternehmen und ArbeitnehmerInnen einen starken Anreiz, einen Teil des Gehalts in Form eines Firmenwagens „auszuzahlen“ bzw. zu akzeptieren, weil damit beiderseits massiv Steuern gespart werden können. Es werden wegen der Steuerersparnis höherpreisige Kfz mit tendenziell mehr Treibstoffverbrauch und Schadstoffausstoß angeschafft, bis hin zur absurden Konsequenz, dass von bestimmten Luxus- und Sportwagenmarken angeblich 90% und mehr der Zulassungen Firmenwagen sind.
Die Nutzung umweltverträglicher Verkehrsmittel von den Öffis bis zum Fahrrad wird demgegenüber im Vergleich steuerlich benachteiligt - verkehrs- und umweltpolitisch müsste es genau umgekehrt sein.
Wie spielt sich die verteilungspolitisch und ökologisch höchst kontraproduktive und im Europa-Vergleich hohe Subventionierung von Firmenwagen in Österreich konkret ab:
· Die Unternehmen können nach dem EStG und nach den Einkommensteuerrichtlinien PKW und Kombi mit Anschaffungskosten bis max. 40.000,- Euro (sh. Rz. 4771 EStR) auf 8 Jahre verteilt (vgl. § 8 EstG 1988) von der Steuer absetzen. Diese Angemessenheitsgrenze steigt zudem laufend, allein in den letzten ca. 15 Jahren um 50 Prozent – was mit Sicherheit weit über der Entwicklung der Einkommenssituation sowohl der allermeisten Unternehmen als auch vor allem der allermeisten Beschäftigten liegt.
· Häufig werden diese Autos dann leitenden Angestellten, auch wenn sie nicht im Außendienst tätig sind, als Firmenwagen mit der Bewilligung zur Privatbenützung zur Verfügung gestellt, was steuerlich bei Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin einen Sachbezug in Höhe von 1,5% der 40.000,- Euro pro Monat auslöst, also maximal 600,- Euro. Selbst bei Anwendung des Grenzsteuersatzes von 50% - also hohem und höchstem Verdienst - müssen nie mehr als 300,- Euro (an ESt) pro Monat für einen 40.000-Euro-Wagen aufgewendet werden, ein Wert, von dem normalsterbliche Normalverdiener ohne Firmenwagenprivileg bestenfalls träumen können.
· Sehr häufig wird mit diesen Autos zusätzlich in der Firmentankstelle getankt oder es bestehen Vereinbarungen mit einer nahe gelegenen Tankstelle, auf Lieferschein zu tanken, was auf Seite des Unternehmens wieder steuerlichen Aufwand verursacht.
· Weiters fährt die/der ArbeitnehmerIn abends mit dem Auto nach Hause und ist am nächsten Morgen wieder da, wofür steuerlich der Verkehrsabsetzbetrag zusteht (291,- Euro pro Jahr), mit dem der Aufwand für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte pauschal abgegolten wird. Es existiert aber dank Firmenwagen gar kein derartiger Extra-Aufwand! Im Gegenteil wird mit dem entsprechenden Kfz auch auf Urlaub gefahren etc. Da seitens des BM für Finanzen technisch keine entsprechenden Sperren dies verhindern, werden betreffende ArbeitnehmerInnen doppelt gefördert. Es gibt gesetzlich keine Pflicht der Unternehmen, in den Lohnzetteln ihrer ArbeitnehmerInnen die Sachbezüge extra auszuweisen, es muss nur das Bruttogehalt fehlerfrei ermittelt werden.
· Es gibt weiters nicht einmal eine Sperre dagegen, dass jemand ein Pendlerpauschale (also steuerlich nichts anderes als pauschale Werbungskosten) in Anspruch nimmt, obwohl sie/er einen Firmenwagen hat und keine Kosten erwachsen! Während sich somit die Masse der Pendler bemühen muss, an ein halbwegs gerechtes Pendlerpauschale zu kommen, das den (in den letzter Jahren vor allem beim Öffentlichen Verkehr überproportional gestiegenen) Kosten einigermaßen entspricht, hat eine (gar nicht so kleine) "Oberschicht" auf Kosten der Gesamtheit der SteuerzahlerInnen den doppelten Vorteil, denn: Würde der Arbeitgeber kein Firmenauto zur Verfügung stellen, sondern ein entsprechend höheres Gehalt anbieten, wäre die steuerliche Situation viel ungünstiger, auch für die/den ArbeitnehmerIn.
· Und nach (spätestens) 8 Jahren geht das Spiel mit dem nächsten Firmenwagen wieder von vorne los.
Verteilungs- wie umweltpolitisch wären rigide Obergrenzen für die steuerliche Anerkennung von Firmen-PKW, das Ausweisen von Dienstnehmer-Sachbezügen wie Firmenautos in den Lohnzetteln durch die Dienstgeber sowie gesetzliche Vorsorge und technische Sperren zwecks steuerlicher Gleichbehandlung und Beendigung von Doppelsubventionierung nötig.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie viele Firmenwagen existieren derzeit – bzw. zum letztverfügbaren Stand – in Österreich? Welche Definition liegt Ihrer Angabe zugrunde?
2. Wie viele Firmenwagen wurden in den letzten Jahren jeweils neu zugelassen?
3. Welche Informationen liegen Ihnen zur Einstufung dieser Fahrzeuge nach Motorleistung, Verbrauch oder CO2-Ausstoß sowie Diesel-/Benzin-Anteil vor?
4. Welche Informationen liegen Ihnen zum Thema Firmenwagen in verteilungspolitischer Hinsicht vor, etwa zur Aufteilung der Firmenwagen-Nutzer auf Einkommensklassen?
5. Wie viele ArbeitnehmerInnen verfügen über einen Firmen-/Dienstwagen a) mit, b) ohne Recht auf Privatnutzung?
6. Wie viele ArbeitnehmerInnen verfügen demgegenüber über vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Zeit- oder Netzkarten des Öffentlichen Verkehrs?
7. Laut der in der Anfragebegründung erwähnten Studie von „Copenhagen Economics“ im Auftrag der EU-Kommission liegt die Subventionierung von Firmenwagen in Österreich im europäischen Vergleich im Vorderfeld und verursacht einen Steuerausfall von rund 1,6 Mrd Euro pro Jahr. Ist diese Zahl korrekt?
8. Wenn nein: Wie hoch ist der jährliche bundesweite Steuerausfall durch die dienstgeber- wie dienstnehmerseitige steuerliche Subventionierung von Firmenwagen tatsächlich? Wir ersuchen soweit möglich um Zuordnung des Steuerausfalls zur Dienstgeber- und Dienstnehmerseite. Sollten Ihnen wider Erwarten keine konkreten Zahlen vorliegen, bitte um Schätzung incl. Angabe der Schätzgrundlagen.
9. Auf welche konkreten einkommensteuerrechtlichen oder sonstigen Regelungen ist welcher Anteil dieses Steuerausfalls zurückzuführen? Sollten Ihnen wider Erwarten keine konkreten Zahlen vorliegen, bitte um Schätzung incl. Angabe der Schätzgrundlagen.
10. Wie erklären Sie die offensichtlich massiv zu niedrige Bewertung des Sachbezugs „Firmenwagen“, und wer hat diese veranlasst?
11. Wie stellt sich die Besteuerung von durch den Dienstgeber zur Verfügung gestellten Zeitkarten für den Öffentlichen Verkehr im Vergleich zu derjenigen eines zur Verfügung gestellten Firmenwagens a) bis 31.12.2010, b) seit 1.1.2011 dar?
12. Wie erklären Sie, dass es insbesondere auch nach der steuerlichen Neuregelung bei durch den Dienstgeber zur Verfügung gestellten Zeitkarten für den Öffentlichen Verkehr mehrere Einschränkungen gibt, die beim Sachbezug „Firmenwagen“ nicht bestehen?
13. Trifft es zu, dass ArbeitnehmerInnen, die über einen Firmenwagen incl. Privatnutzung verfügen können, zugleich dennoch der allgemeine Verkehrsabsetzbetrag zusteht, mit dem somit Aufwand abgegolten wird, der gar nicht entsteht?
14. Wenn ja, wie erklären Sie diese Doppelsubventionierung und welchen finanziellen Umfang hat diese?
15. Wenn ja: Wieso werden seitens Ihres Ressorts keine entsprechenden Sperren technisch vorgesehen, die diese Doppelsubventionierung ausschließen?
16. Trifft es zu, dass es gesetzlich keine Pflicht der Unternehmen gibt, in den Lohnzetteln ihrer ArbeitnehmerInnen die Sachbezüge – wie zB Firmenwagen – extra auszuweisen?
17. Wenn ja: Was werden Sie bis wann unternehmen, um dies zu ändern und so den Grundstein für mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit in diesem Bereich zu legen?
18. Falls Sie keine Absichten im Sinn von Frage 16 und 17 haben sollten: Durch welche anderen Maßnahmen könnte Transparenz und Steuergerechtigkeit in diesem Bereich wirksam erhöht werden?
19. Trifft es zu, dass ArbeitnehmerInnen ein Pendlerpauschale in Anspruch nehmen können, auch wenn sie über einen Firmenwagen verfügen und real keine oder reduzierte Kosten fürs Pendeln erwachsen?
20. Wenn nein: Wie wird dies seitens der Finanzbehörden verlässlich ausgeschlossen?
21. Wenn ja: Wie erklären Sie diese Doppelsubventionierung und welchen finanziellen Umfang hat diese?
22. Wenn ja: Wieso werden seitens Ihres Ressorts keine entsprechenden Sperren technisch vorgesehen, die diese Doppelsubventionierung ausschließen?
23. Was werden Sie konkret bis wann unternehmen, um die steuerliche Behandlung von Firmenwagen
a) verteilungspolitisch
b) ökologisch
treffsicherer zu gestalten?
24. Welche Untersuchungen zu den in Frage 23 angesprochenen Herausforderungen haben Sie wann in Auftrag gegeben und welche Ergebnisse haben diese erbracht?