7507/J XXIV. GP

Eingelangt am 27.01.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Brunner, Kogler, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Feinstaubbelastung in Österreich insbesondere in Graz – Umweltzone und Strafzahlungen

 

Feinstaubbelastung in Österreich im Jahre 2010

 

Der Grenzwert für Feinstaub beträgt 50 µg/m³ als Tagesmittelwert, wobei 35 Überschreitungen gemäß EU-Luftqualitätsrichtlinie  und 25 Überschreitungen gemäß Immissionsschutzgesetz-Luft zulässig sind.

Selbst die hohe Toleranzmarge der EU konnte 2010 in 24 Städten bzw Orten nicht eingehalten werden. Bei den Landeshauptstädten ergibt sich folgendes Negativ-Ranking (in Klammer steht die Anzahl der Überschreitungstage):

 

Wien( 87/71)

Graz (70)

Linz (45)

Salzburg (39)

Klagenfurt (39)

St. Pölten (37)

 

Die österr. Toleranzmarge von 25 Überschreitungstagen wurde  in weiteren 25 Städten bzw Orten, darunter auch die übrigen Landeshauptstädte, überschritten.[1]  Am 11. Juni 2011 läuft die allfällige Aussetzung des Grenzwerts für Feinstaub  gemäß Art 22 Luftqualitäts-RL ab. Österreich – Bund, Länder und Gemeinden – wird daher in den verbleibenden vier Monaten noch massive Anstrengungen zur Reduktion der Feinstaubemissionen unternehmen müssen!

 

Feinstaubbelastung Graz und verkehrsbeschränkende Maßnahmen

 

Graz hatte seit 2001 folgende Überschreitungstage im Jahr (Tage, an denen der Grenzwert von 50 µg/m³ als Tagesmittelwert überschritten wurde):

 

2001 – 158

2002 - 131


2003 - 131

2004 - 113

2005 - 117

2006 - 120

2007 - 78

2008 - 73

2009 - 51

2010 - 70

 

Noch 2010 wurde in Graz also doppelt so oft als europarechtlich erlaubt, der Tagesmittelwert überschritten.

 

Vertragsverletzungsverfahren nach Art 258 AEUV

 

Am 3. Juni 2008 kündigte die Kommission Österreich an, wegen der langfristigen Feinstaub-Überschreitungen ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, sollte nicht um Fristverlängerung angesucht werden [ ARES(2008)10440]. Am 23. November 2009 richtete die Kommission ein Aufforderungsschreiben an Österreich [K(2009)8832]. Am 1. Oktober 2010 übermittelte die Kommission noch eine Begründete Stellungnahme (der letzte Schritt vor der Klage beim EuGH). Erst infolge abschließender Beurteilung und Gewährung der Fristverlängerung auch für Graz mit Schreiben vom 22. Oktober 2010 der Kommission, stellte diese das Vertragsverletzungsverfahren am 24. November 2010 ein (http://ec.europa.eu/eu_law/eulaw/decisions/dec_20101124.htm).

 

 

Fristverlängerungsverfahren nach Art 22 Luftqualitäts-RL

 

Aufgrund der konstanten Feinstaubbelastung in vielen Gebieten Österreichs und wegen des Vertragsverletzungsverfahrens ersuchte die Republik Österreich am  26. November 2008 um Fristverlängerung für die Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte  bei der Europäischen Kommission an. Die Möglichkeit zur Aussetzung des Grenzwerts bis Juni 2011 hatte die erneuerte Luftqualitäts-RL 2008 eröffnet.

 

Mit der Mitteilung vom 2. Juli 2009 [K(2009)5247)] gewährte die Kommission für sechs Zonen die Fristerstreckung, erhob aber betreffend der übrigen fünf Zonen Einwände.  Für Graz wurden die getätigten und geplanten Maßnahmen als nicht ausreichend befunden, um im Juni 2011 dann die Toleranzmarge einhalten zu können. Die Kommission hielt die Aufnahme von strengeren Minderungsmaßnahmen im Luftqualitätsplan für notwendig.

 

Eine dieser strengeren Minderungsmaßnahmen war die Umweltzone, die sich in den Materialien zum erneuten Fristerstreckungsantrag gemäß Art 22 Abs 2 der RL vom 4. März 2010, ab S 59, Punkt 9 Umweltzone Graz, findet. Die Kommission fasste am 22. 10. 2010 den Beschluss [K (2010) 6850], die Grenzwert-Aussetzung doch zu gewähren.   Artikel 1 des Kommissionsbeschlusses lautet:


 

Darin kommt also eindeutig zum Ausdruck, dass die mit dem zweiten Fristerstreckungsantrag angekündigten „zusätzlichen Maßnahmen und wirkungsvolle kurzfristige Maßnahmen“ Voraussetzung der Fristerstreckung sind. Österreich ist hiermit die Verpflichtung eingegangen, eine Umweltzone in Graz einzuführen. Hätte das neuerliche Fristerstreckungsansuchen nicht neue Maßnahmen wie die Umweltzone zum Gegenstand gehabt, hätte sich die Kommission damit gar nicht mehr befasst. Hier wieder ein Auszug aus dem Schreiben der Kommission vom 22. 10. 2010:

 

 

Wie dem Abschnitt „Vertragsverletzungsverfahren“ oben zu entnehmen ist, hing über Österreich schon das Damoklesschwert der Anklage beim EuGH. Nur die Ankündigung  und letztliche Akzeptanz zusätzlicher Luftqualitätsmaßnahmen wie die Umweltzone, konnte Ö davor retten. Der neue Umweltlandesrat Kurzmann (FPÖ) verweigert jedoch eine Umsetzung dieser Verpflichtung  und die Erlassung einer entsprechenden Maßnahmen-VO nach § 10 IG-L zur Errichtung einer Umweltzone. Derzeit sind in der steirischen Maßnahmen-VO  ja lediglich Brauchtumsfeuer verboten. Sämtliche verkehrsbeschränkende Maßnahmen für Graz, wie noch in der Maßnahmen-VO von 2006 enthalten, wurden 2007 von Landesrat Wegscheider (SPÖ) kurz vor der Grazer Wahl aufgehoben.


Strafzahlungen

 

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Möglichkeit, gegen säumige Mitgliedsstaaten seitens des EuGH finanzielle Sanktionen zu verhängen in zweierlei Hinsicht verstärkt. Zum einen entfällt im Vertragsverletzungsfolgeverfahren die Notwendigkeit, eine Begründete Stellungnahme zu übermitteln. Zum anderen kann schon bei erster Klageeinreichung seitens der Kommission die Verhängung von finanziellen Sanktionen beantragt werden. Es geht um das Zwangsgeld zur Beendigung eines Verstoßes und den Pauschalbetrag wegen anhaltender Vertragsverletzung.

 

Wie das Rundschreiben des BKA (BKA-670.746/0019-V/7/2010) vom Dezember 2010 ausführt, beträgt das Zwangsgeld für Österreich je nach Schwere und Dauer des Verstoßes derzeit zwischen € 2.707,20 und € 162.432,-- pro Tag. Der Mindestpauschalbetrag für Österreich beträgt derzeit € 2.234.000,--. Zwangsgeld und Pauschalbetrag können kumuliert werden.

 

Hinsichtlich der Kostentragung von Bund und Ländern stellt § 3 Finanzausgleichsgesetz 2008 iVm Art 12 der Vereinbarung zwischen Bund und den Ländern gemäß Art 15 a B-VG über die Mitwirkungsrechte der Länder und Gemeinden in Angelegenheiten der europäischen Integration klar, dass im Fall eines Umsetzungsfehlers in der Landesgesetzgebung die Länder die Kosten zu tragen haben. 

 

Der gegenständliche Fall der Umweltzone wäre eine Säumnis bei der Umsetzung der Luftqualitäts-RL und zwar in Vollziehung eines Bundesgesetzes, nämlich des Immissionsschutzgesetzes-Luft. Es handelt sich hier um Vollziehung in mittelbarer Bundesverwaltung, dh im Bereich der Länder üben die Vollziehung des Bundes die Landeshauptleute aus. Sie unterstehen dabei dem Weisungsrecht des Bundesministers und müssen die Weisung an das zuständige Landesregierungsmitglied weitergeben, siehe Art 103 Abs 1 bis 3 B-VG:

 

„Artikel 103. (1) In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung ist der Landeshauptmann an die Weisungen der Bundesregierung sowie der einzelnen Bundesminister gebunden (Art. 20) und verpflichtet, um die Durchführung solcher Weisungen zu bewirken, auch die ihm in seiner Eigenschaft als Organ des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden.

(2) Die Landesregierung kann bei Aufstellung ihrer Geschäftsordnung beschließen, dass einzelne Gruppen von Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes im Namen des Landeshauptmannes von Mitgliedern der Landesregierung zu führen sind. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Mitglieder der Landesregierung an die Weisungen des Landeshauptmannes ebenso gebunden (Art. 20) wie dieser an die Weisungen der Bundesregierung oder der einzelnen Bundesminister.

(3) Nach Abs. 1 ergehende Weisungen der Bundesregierung oder der einzelnen Bundesminister sind auch in Fällen des Abs. 2 an den Landeshauptmann zu richten. Dieser ist, wenn er die bezügliche Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung nicht selbst führt, unter seiner Verantwortlichkeit (Art. 142 Abs. 2 lit. e) verpflichtet, die Weisung an das in Betracht kommende Mitglied der Landesregierung unverzüglich und unverändert auf schriftlichem Wege weiterzugeben und ihre Durchführung zu überwachen. Wird die Weisung nicht befolgt, trotzdem der Landeshauptmann die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, so ist auch das betreffende Mitglied der Landesregierung gemäß Art. 142 der Bundesregierung verantwortlich.“

 

Aus all dem ergibt sich unseres Erachtens, dass allfällige Strafzahlungen wegen fehlender Umsetzung der Umweltzone vom Bund zu tragen wären. Der Bund muss daher höchstes Interesse haben, die Erlassung der Umweltzone mit Weisungsrecht und allfälliger LH- oder Landesratsanklage beim Verfassungsgerichtshof zu forcieren.

 

Plaketten-Verordnung

 

Das IG-L hatte schon in seiner Stammfassung Maßnahmen-Verordnungen der Landeshauptleute – auch zur Verkehrsbeschränkung – vorgesehen. 2010 wurde es dahingehend geändert, dass eine Verkehrsbeschränkung nach Emissionsklassen dadurch besser kontrolliert werden könnte, dass die Fahrzeuge entsprechende Plaketten erhalten können. Die Festlegung der Emissionsklassen, der betroffenen Fahrzeuge und die Art der Plakette hat durch Verordnung des BMLFUW zu erfolgen. Das Inkrafttreten einer solchen Verordnung wurde seitens des BMLFUW mit 1. Mai 2011 angekündigt (siehe Anfragebeantwortung vom 6. 9. 2010, 6004/AB). Nunmehr ist in den Medien nachzulesen, dass die Verordnung überhaupt nicht erlassen werden soll, weil ja Landesrat Kurzmann keine Umweltzone erlassen möchte. Dies ist nicht nachvollziehbar, weil ja die Umweltzone auch in anderen Städten in Diskussion steht und eine Nichterlassung ein völlig falsches Signal an Landesrat Kurzmann wäre.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

Was werden Sie tun, um als oberstes Vollzugsorgan für das Immissionsschutzgesetz-Luft die Einhaltung der Feinstaub-Grenzwerte in Österreich im Jahre 2011 sicherzustellen und somit  eine Klage der europäischen Kommission gegen Österreich sowie die Verurteilung Österreichs zu Strafzahlungen wegen Verletzung der Luftqualitäts-RL zu verhindern?

 

 



[1] http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/luft/luftguete_aktuell/ueberschreitungen/ueberschreitungen_2010/ Abfrage vom 25. 1. 2011.