7610/J XXIV. GP

Eingelangt am 04.02.2011
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Werner Neubauer

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Verfahren Elsner

 

Der Oberste Gerichtshof hob im Strafverfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gegen Helmut ELSNER und andere Angeklagte am 23.  Dezember 2010 im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung wesentliche erstinstanzliche Schuldsprüche gegen Helmut Elsner auf und stellte ausdrücklich fest, dass - nebst mehreren anderen Aspekten - mehrfach vom Erstgericht missachtet wurde, dass eine Person, die auf Grund eines Europäischen Haftbefehls an Österreich übergeben wurde, ohne Zustimmung des Vollstreckungsstaates wegen einer vor ihrer Übergabe begangenen Straftat, auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht bezieht, nicht verfolgt oder verurteilt werden darf.

Entgegen der zwingenden Vorschrift des § 31 Abs 1 EU-JZG und entgegen dem Grundsatz der Spezialität wurde Helmut Elsner somit wegen angeblichen Delikten angeklagt und verurteilt, auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht bezogen hatte - und dies obwohl der Inhalt des betreffenden Europäischen Haftbefehls der damals vorsitzenden Richterin Mag. BANDION-ORTNER bekannt war.

Sie wusste, dass der Europäische Haftbefehl die betreffenden Delikte nicht umfasste.

Sie wusste weiters, dass der Vollstreckungsstaat (gemeint: des Europäischen Haftbefehls, also Frankreich) keine Zustimmung zur Verfolgung und Aburteilung einer vor der Übergabe begangenen (angeblichen) Straftat, auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht bezieht, erteilt hatte.

Und sie wusste letztlich aufgrund ihrer umfassenden juristischen Kenntnisse, dass eine Person, die auf Grund eines Europäischen Haftbefehls an Österreich übergeben wurde, ohne Zustimmung des Vollstreckungsstaates wegen einer vor ihrer Übergabe begangenen Straftat, auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht bezieht, weder verfolgt noch verurteilt werden darf.

Dennoch verurteilte Frau Mag. BANDION-ORTNER Helmut Elsner wegen derartiger (vom Europäischen Haftbefehl nicht umfasster) Delikte.

Dies betraf einmal die Anklage und Verurteilung wegen (angeblicher) Untreue im Zusammenhang mit einem Geldkreislauf, der schädigende Provisionen von mehr als 2,3 Millionen Euro zur Folge gehabt haben soll. Der Europäische Haftbefehl hatte die Provisionszahlungen aber gar nicht umfasst. Damit verstießen die Anklage und der Schuldspruch gegen den Grundsatz der Spezialität.


Auch die Anklage und die Schuldsprüche nach dem Privatstiftungsgesetz wegen Vergehen nach § 41 Z 1 Privatstiftungsgesetz im Zusammenhang mit angeblich unrichtigen Darstellungen in den Jahresabschlüssen der Österreichischen Gewerkschaftlichen Solidarität Privatstiftung der Jahre 2002 bis 2004 waren von dem seinerzeit gegen Helmut Elsner erlassenen Europäischen Haftbefehl nicht umfasst. Damit verstießen die Anklage und der Schuldspruch gegen den Grundsatz der Spezialität.

Auch die Anklage und die Schuldsprüche wegen Vergehen nach § 255 Abs 1 Z 1 Aktiengesetz im Zusammenhang mit unrichtigen Darstellungen in den Jahresabschlüssen der BAWAG und der Kreditinstitutsgruppe BAWAG der Jahre 1998 bis 2000 waren vom seinerzeit gegen Helmut Elsner erlassenen Europäischen Haftbefehl nicht umfasst. Damit verstießen die Anklage und der Schuldspruch gegen den Grundsatz der Spezialität.

Es lag also in diesen Punkten eine von Anfang an klar und eindeutig erkennbar rechtswidrige Anklage vor, auf die eine in diesem Umfang ebenso klar und eindeutig erkennbar rechtswidrige Verurteilung folgte.

Es lag aber nicht nur eine rechtswidrige Anklage vor, auf die eine rechtswidrige Verurteilung folgte, sondern es besteht auch der wohlbegründete Verdacht, dass dabei ein amtsmissbräuchliches, weil wissentliches Handeln der damals vorsitzenden Richterin Mag. BANDION-ORTNER und ihres damals die öffentliche Anklage vertretenden Staatsanwaltes und nunmehrigen Kabinettchefs Mag. KRAKOW vorlag, denn beide kannten den betreffenden Europäischen Haftbefehl und wussten folglich, dass er die genannten (dennoch zur Anklage gebrachten und zur Aburteilung gelangten) Delikte nicht umfasste. Sie wussten außerdem, dass Frankreich keine Zustimmung zur Verfolgung und Aburteilung von vor der Übergabe begangenen (angeblichen) Straftaten, auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht bezog, erteilt hatte. Und sie wussten als rechtskundige Justizorgane, dass eine Person, die auf Grund eines Europäischen Haftbefehls an Österreich übergeben wurde, ohne Zustimmung des Vollstreckungsstaates wegen einer vor ihrer Übergabe begangenen Straftat, auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht bezieht, weder verfolgt noch verurteilt werden darf.

Dennoch klagte Mag. KRAKOW Helmut Elsner wegen dieser Delikte an.

Und dennoch verurteilte Mag. BANDION-ORTNER Helmut Elsner wegen dieser Delikte.

Da der betreffende Europäische Haftbefehl dem Ankläger bekannt war, erhebt sich somit die Frage, ob die dennoch in diesen (vom Europäischen Haftbefehl nicht umfassten) Punkten erhobene Anklage nicht das Offizialdelikt des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB darstellt, zumal der Ankläger ja wusste, dass diese Punkte nicht vom Haftbefehl erfasst waren und dass eine Person, die auf Grund eines Europäischen Haftbefehls an Österreich übergeben wurde, ohne Zustimmung des Vollstreckungsstaates wegen einer vor ihrer Übergabe begangenen Straftat, auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht bezieht, nicht verfolgt werden darf (§ 31 Abs 1 EU-JZG).

Da der betreffende Europäische Haftbefehl auch der vorsitzenden Richterin bekannt war, erhebt sich weiters die Frage, ob die dennoch in diesen (vom Europäischen Haftbefehl nicht umfassten) Punkten erfolgte erstinstanzliche Verurteilung nicht das Offizialdelikt des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB darstellt, zumal Frau Mag. Bandion-Ortner ja wusste, dass diese Punkte nicht vom Haftbefehl erfasst waren und dass eine Person, die auf Grund eines Europäischen Haftbefehls an Österreich übergeben wurde, ohne

 


Zustimmung des Vollstreckungsstaates wegen einer vor ihrer Übergabe begangenen Straftat, auf die sich der Europäische Haftbefehl nicht bezieht, nicht verurteilt werden darf (§ 31 Abs 1 EU-JZG).

Diese Fragen erheben sich - zusammenfassend - aufgrund folgender Umstände und Verdachtsmomente:

Dass sowohl die Anklage als auch die Verurteilung insofern jeweils rechtswidrig war, liegt auf der Hand und geht ohne weiteres aus § 31 Abs 1 EU-JZG sowie dem Grundsatz der Spezialität hervor. Es lag somit - in objektiver Hinsicht - jeweils (d.h. sowohl bei der Anklage als auch bei der Aburteilung der vom Europäischen Haftbefehl nicht umfassten Delikte) ein Befugnismissbrauch vor.

Dieser Befugnismissbrauch (genauer: diese Befugnismissbräuche) war(en) auch ex ante für Frau Mag. Bandion-Ortner und ihren nunmehrigen Kabinettchef klar ersichtlich, da sie beide den Akt und damit auch den Europäischen Haftbefehl eingehend kannten (und pflichtgemäß auch eingehend kennen mussten).

Indem sie aber trotzdem wie dargelegt vorgingen, besteht somit der Verdacht dass sie wissentlich handelten.

Ein Versehen von Frau Mag. Bandion-Ordner und Mag. Krakow ist nämlich aufgrund der klaren Rechtslage (§ 31 Abs 1 EU-JZG) und aufgrund der hohen juristischen Qualifikation der beiden (Hr. Mag. Krakow ist Oberstaatsanwalt und bewarb sich kürzlich sogar als Generalanwalt, zudem ist er Kabinettchef im Bundesministerium für Justiz; Fr. Mag. Bandion-Ortner ist langjährige Richterin am Landesgericht für Strafsachen Wien gewesen und wurde zuletzt bekanntlich vom Österreichischen Bundeskanzler und vom Österreichischen Bundespräsidenten als für das Amt der Bundesministerin für Justiz qualifiziert angesehen und in diesem Amt angelobt) ausgeschlossen.

Dass somit der Verdacht besteht, dass die beiden genannten Personen wissentlich handelten, erstreckt sich dieser Verdacht - infolge Handelns in Kenntnis der Sach- und Rechtslage: notwendigerweise - auch auf das Vorliegen ihres zumindest bedingten Vorsatzes auf Schädigung.

Es besteht somit bezüglich beider genannter Personen im aufgezeigten Umfang der fundierte Verdacht auf: 

Befugnismissbrauch (durch rechtswidrige Anklage bzw. durch rechtswidrige Verurteilung),

Wissentlichkeit (durch Handeln trotz Kenntnis des Inhalts des Europäischen Haftbefehls)

und

bedingten Schädigungsvorsatz (durch billigendes Sich-Abfinden mit einer rechtswidrigen Anklage bzw. rechtswidrigen Verurteilung des Einschreiters).

Damit umfasst die gegenständliche Verdachtslage alle Tatbestandsmerkmale des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB.

Dabei ist es irrelevant, ob dieser Verdacht eines Amtsmissbrauches Ihr Handeln als Richterin oder als Ministerin betrifft, denn eine vom aktuellen Verdacht auf begangenen Amtsmissbrauch betroffene Justizministerin ist in der Führung ihrer Amtsgeschäfte als Ministerin und oberstes Justizorgan jedenfalls dermaßen belastet, dass sie ihr Amt nicht mehr im notwendigen Ausmaß wahrnehmen kann. Gleiches gilt für Ihren Kabinettchef Mag. Krakow. Auch die Unschuldsvermutung gemäß Artikel 6 Absatz 2 MRK steht dem nicht entgegen, denn bei der Frage des politischen Vertrauens in die Amtsführung eines Ministers handelt es sich nicht um eine strafrechtliche Schuldzuweisung,

 


sondern um die politische Bewertung einer gegebenen Verdachtslage, aufgrund derer die Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Bundesministers für die weitere Führung der Amtsgeschäfte in Zweifel steht.

 

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

 

A N F R A G E :

 

1.) Haben Sie die genannten Verdachtsmomente, die Ihnen am 23.Dezember 2010 durch das mündlich verkündete Urteil des Obersten Gerichtshofes (zu dem Sie sich ja gegenüber den Medien äußerten) sowie die am 23.Dezember 2010 erfolgte amtliche Aussendung der Medienstelle des Obersten Gerichtshofes über den Inhalt des verkündeten Urteils bekannt wurden, prüfen lassen?

2.) Wenn ja, durch welche staatsanwaltschaftlichen Organe und mit welchem Ergebnis?

3.) Wenn nein, wann werden Sie dies - auf Grundlage der Offizialmaxime - nachholen?

4.) Belastet Sie der im aufgezeigten Umfang aktuell bestehende Verdacht eines Amtsmissbrauches in ihrer gegenwärtigen Amtsführung?

5.) Erachten Sie Ihren Kabinettchef Mag. Krakow angesichts der bestehenden Verdachtslage noch als uneingeschränkt handlungsfähig?

6.) Werden Sie ihn bis zur Klärung der Verdachtsmomente vom Dienst suspendieren?

7.) Werden Sie sich in Ihrem Amt bis zur Klärung der Verdachtsmomente vertreten lassen?

8.) Wenn ja, auf welche Weise?

9.) Werden Sie Ihr Amt freiwillig niederlegen?

10.) Wenn ja, wann?

11.) Teilen Sie die Auffassung, dass strafrechtliche Verdachtsmomente amtswegig zu überprüfen sind, auch wenn sie die Ressortspitze des Bundesministeriums für Justiz betreffen?

12.) War und ist Ihnen die Rechtsvorschrift des § 31 Abs 1 EU-JZG bekannt?

13.) Welche Schlüsse ziehen Sie daraus im Anlassfall?

14.) Haben Sie im geschilderten Zusammenhang disziplinarrechtliche Schritte gegen Mag. Krakow und gegen Ihre eigene Person prüfen lassen?

15.) Falls nicht, werden Sie disziplinarrechtliche Schritte gegen Mag. Krakow und gegen Ihre eigene Person prüfen lassen?