7820/J XXIV. GP
Eingelangt am 01.03.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Binder-Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Sexuelle Gewalt: Vergewaltigungen in Österreich - Gerichtsverfahren
2010"
Mit
der AB 5814/XXIV.GP vom 24.08.2010 wurden die Fragen des Fragestellers Abg.
Mag.
Johann Maier zur
gleichlautenden Anfrage beantwortet.
2010
gab es national wie international eine Vielzahl von Presseberichten über
sexuelle Gewalt
und über
Vergewaltigungen gegenüber Frauen (oft nach K.o.-Tropfen) sowie auch
über
rechtskräftige Verurteilungen dieser Gewalttäter. Einige Beispiele:
So wurde vor einem
Salzburger Schöffensenat ein gebürtiger Iraner wegen nachgewiesener
zweifacher
Vergewaltigung im Dezember 2010 zu 18 Monaten unbedingter Haft verurteilt
(nicht
rechtskräftig). Ein 25-jähriger Oberösterreicher, der zwei
sexuell motivierte Morde,
Vergewaltigung und Störung der Totenruhe gestanden hatte, wurde Ende
September 2010 in
Linz zu 18 Jahren Haft und zur Einweisung
in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher
verurteilt. Eine 22jährige Grazerin wurde auf dem Heimweg von der Disco
von drei Burschen
vergewaltigt. Aufgrund von DNA Spuren konnten diese ausgeforscht werden.
Sie wurden zu
zweieinhalb bis dreieinhalb Jahren
verurteilt (noch nicht rechtskräftig). Nur drei Monate nach
der Entlassung aus dem Gefängnis (24. Juli 2010), wo er eine Strafe
wegen Vergewaltigung
verbüßt hatte, fiel ein
44-jähriger Algerier neuerlich über eine Frau her. Das - noch nicht
rechtskräftige - Urteil: 8 Jahre Haft.
Im September 2010 erhob die
Salzburger Staatsanwaltschaft gegen zwei Männer Anklage
wegen sexuellen Mißbrauchs junger Frauen. Einem 33-Jährigen und
einem 34-Jährigen
wurden sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Gegen den Bürgermeister einer
Vorarlberger
Gemeinde wurden
Vergewaltigungsvorwürfe erhoben und dieser im Februar 2011 vor einem
Schöffengericht LG Feldkirch angeklagt. Ein Vorwurf der von diesem
entschieden
zurückgewiesen wurde („leidenschaftlicher Sex ohne Zwang").
Diesen beispielhaft
zit. Fällen
stehen aber auch Fälle gegenüber, wo Männer zu Unrecht der
Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung bezichtig wurden. So musste
deswegen
beispielsweise aufgrund falscher Aussagen ein Mann zu Unrecht wegen des
Verbrechens der
Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung verurteilt. Erst in einem
angestrebten
Wiederaufnahmeverfahren wurde dieser rechtskräftig freigesprochen. Wegen
einer
erfundenen Vergewaltigung wurde im letzten
Jahr in Innsbruck eine Frau zu 16 Monaten Haft
verurteilt. Die Linzer Psychiaterin Heidemarie Kastner erinnerte in diesem
Zusammenhang in
den SN an ein besonderes Phänomen, das immer wieder schuldlose
Menschen hinter Gitter
bringen kann: „Es ist wissenschaftlich untersucht und erwiesen, dass
vermeintliche
Mißbrauchsopfer tatsächlich glauben, es sei ihnen etwas
Schreckliches widerfahren. Mit
vielen Details und schrecklichen Handlungen".
Bedauerlicherweise
kommt es im Zusammenhang mit Vergewaltigungsvorwürfen in der
Öffentlichkeit zu medialen Halbwahrheiten und Vorverurteilungen. Gerade
anzeigende
Frauen werden im Vorfeld von Verfahren oft
diffamiert. In einem Rechtsstaat kann aber allein
in einem strafrechtlichen Verfahren geklärt werden, ob ein
Verdächtiger strafbare Handlungen
gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung begangen hat
oder falsch beschuldigt
wurde. Aber nur ein unabhängiges Gericht kann in einem derartigen
Strafverfahren über
Schuld und Strafe oder Nichtschuld entscheiden.
Nicht unproblematisch
ist in derartigen Verfahren die Rolle der gerichtlichen
Sachverständigen
(z.B. Psychologische Gutachter), deren Gutachten im Regelfall
gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt wird. Mitunter sind auch
Fehlgutachten
darunter. So hat deswegen im September 2010, eine von einem auf der Flucht
befindlichen
Gewalttäter vergewaltige Frau den
Gutachter geklagt und Schmerzensgeld gefordert. Dieser
hat aus ihrer Sicht ein falsches Gutachten erstellt und die Simulation
des Gewalttäters nicht
erkannt. Diese Fehleinschätzung
führte zur Flucht des Täters und ermöglichte überhaupt erst
die Vergewaltigung.
Aus
systematischen Gründen werden ähnliche und zusätzliche
Fragen wieder gestellt, um die
aktuellen Zahlen und
Informationen für das Jahr 2010 zu erhalten.
Die
unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für
Justiz
nachstehende
Anfrage:
1.
Zu wie vielen Strafanzeigen und strafrechtlichen Ermittlungen nach § 201
StGB kam es im
Jahr
2010 (Aufschlüsselung nach Gerichte bzw. StA)?
2.
In wie vielen Fällen waren die Opfer Personen männlichen
Geschlechts?
In wie vielen
Fällen Personen weiblichen Geschlechts?
3.
Wie viele verdächtigte Personen wurden deshalb 2010 in
Untersuchungshaft genommen
(Aufschlüsselung
nach Gerichte bzw. StA)?
4.
Wie wurden die gerichtlichen Strafanzeigen nach § 201 StGB im
Jahr 2010 bei Gericht
erledigt
(Aufschlüsselung nach Gerichte bzw. StA)?
5.
Wie viele Strafanzeigen wurden in diesem Jahr jeweils zurückgelegt
bzw. Verfahren
eingestellt
(Aufschlüsselung nach Gerichte bzw. StA)?
6. In
wie vielen Fällen wurden in diesem Jahr die
diversionsrechtlichen Bestimmungen
angewandt?
Welche Maßnahmen
wurden jeweils konkret aufgetragen (jeweils Aufschlüsselung nach
Gerichte
bzw. StA)?
7.
In wie vielen Fällen wurde nach Abschluß der Ermittlungen
tatsächlich eine Anklage
erhoben (Aufschlüsselung nach Gerichte bzw. StA)?
8.
In wie vielen Fällen wurden gerichtlich beeidete
Sachverständige mit der Einstellung eines
Gutachtens
beauftragt?
9.
Zu wie vielen rechtskräftigen Verurteilungen nach § 201
StGB kam es in diesem Jahr
(Aufschlüsselung
nach Gerichte bzw. StA)?
10.
Welche Strafen wurden konkret ausgesprochen (Jeweils Aufschlüsselung
nach Gerichte bzw.
StA)?
11.
Wie viele Verfahren sind offen und noch nicht rechtskräftig
entschieden (Aufschlüsselung
nach Gerichte bzw. StA)?
12.
Wie viele
Strafanzeigen wurden im Jahr 2010 wegen des Verdachts einer strafbaren
Handlung gegen die sexuelle Integrität und
Selbstbestimmung nach den §§201 ff StGB
insgesamt erstattet?
Wie
viele strafrechtliche Ermittlungen wurden geführt
(Aufschlüsselung nach Gerichte
bzw.
StA sowie ob In- oder Ausländer)?
13.
In wie vielen Fällen wurde in diesem Jahr Anklage erhoben
(Aufschlüsselung auf Gerichte
bzw. StA)?
14.
Zu wie vielen
rechtskräftigen
Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen gegen die
sexuelle Integrität und
Selbstbestimmung nach den §§201 ff StGB kam es im Jahr 2010
insgesamt (Aufschlüsselung auf Gerichte sowie ob In- oder
Ausländer)?
15. In wie vielen Fällen wurden 2010 einmal eingestellte Verfahren wegen
des Verdachts
einer strafbaren Handlung gegen die
sexuelle Integrität und Selbstbestimmung nach den
§§201 ff StGB wegen eines
erneuten Verdachts im Jahr 2010 wieder aufgenommen
(Aufschlüsselung auf Gerichte
bzw. StA)?
16.
Wie hoch war in den Jahren 2009 und 2010 die Rückfallquote
bei Personen, die in Jahren
zuvor
rechtskräftig wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle
Integrität und
Selbstbestimmung (§§201 ff StGB)
verurteilt wurden (Aufschlüsselung auf Jahre und
Gerichte bzw. StA)?
17.
Wie viele Fälle und Gerichtsverfahren sind dem Ressort
bekannt, in denen 2009 und 2010
gerichtlich beeidete
Sachverständige im Zusammenhang mit einer psychiatrischen
Beurteilung von einem Verdächtigen ein
Fehlgutachten erstellt und deswegen auf
Schadenersatz geklagt wurden (Aufschlüsselung auf Jahre mit
Gerichte bzw. StA)?
18.
Wie oft wurden 2009 und 2010 Personen verurteilt, weil sie zu Unrecht Männer/Frauen
der Vergewaltigung
und der sexuellen Nötigung bezichtigt hatten (Aufschlüsselung auf
Jahre und Gerichte bzw. StA)?
19.
Wie oft wurden 2009 und 2010 Männer/Frauen, die wegen des
Verbrechens der
Vergewaltigung und
der sexuellen Nötigung verurteilt wurden, in einem
Wiederaufnahmeverfahren rechtskräftig
freigesprochen (Aufschlüsselung auf Jahre und
Gerichte bzw. StA)?
20.
Welche aktuellen Probleme in der Justiz werden seitens des Ressorts bei
Verfahren wegen
Verdachts
von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und
Selbstbestimmung
nach
den §§ 201 ff StGB gesehen?
21.
Wie können seitens des Ressorts in Zukunft vergewaltigte
Frauen unterstützt werden, die
(vermutlichen)
Vergewaltiger auch tatsächlich anzuzeigen und diesen die Angst von diesen
Gewalttätern
nehmen?
22. Wird seitens
des Ressorts bei Sexualstrafverfahren (§§ 201 ff StGB) ein
legislativer
Handlungsbedarf
gesehen?
Wenn ja, welcher?