7860/J XXIV. GP
Eingelangt am 03.03.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Pirklhuber, Brunner, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend die absurden und praxisfremden Vorschriften der AGES für die Aussaat von insektizid-gebeiztem Mais- und Kürbissaatgut 2011
In den Anwendungsvorschriften der AGES für die Aussaat von Insektizid-gebeiztem Mais- und Kürbissaatgut 2011 heißt es u.a.: „Tierische Schädlinge (Maiswurzelbohrer und Drahtwurm) bedrohen den Maisanbau und erfordern effektive Gegenmaßnahmen. Die Beizung stellt bei Einhaltung der Anwendungsvorschriften eine sehr effektive und auch umweltverträgliche Pflanzenschutzmaßnahme dar.“
Laut „Melissa“-Zwischenergebnissen wurden 2009/2010 folgende insektiziden Beizmittelwirkstoffe in Bienen, Bienenbrot und/oder Pflanzen nachgewiesen:
Clothianidin
Thiamethoxam
Imidacloprid
Fipronil (nicht
mehr zugelassen)
Fipronil-sulfon (nicht mehr zugelassen)
Folgende Gefahrenhinweise
sind im Pflanzenschutzmittelregister über diese Wirkstoffe zu lesen: http://www.infoland.at/pmg/reg/2839_0.html
Gefahrensymbol: Toter Fisch und abgestorbener Baum
Kennbuchstabe: N
Gefahrenbezeichnung: Umweltgefährlich
Gefahrensymbol: Andreaskreuz
Kennbuchstabe: Xn
Gefahrenbezeichnung: Gesundheitsschädlich
Hinweise auf besondere Gefahren (R-Sätze)
R 22 Gesundheitsschädlich beim Verschlucken.
R 50/53 Sehr giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben
Giftig für Regenwürmer.
Vorsicht, Pflanzenschutzmittel!
Die Anwendungsvorschriften der AGES (bzw. des Bundesamtes für Ernährungssicherheit BAES), die weitgehend vom Hersteller Bayer übernommen wurden, muten ebenso zynisch wie praxisfremd an:
http://www.ages.at/uploads/media/Merkblatt_Auflagen_im_Mais_und_Kuerbisanbau_2011.pdf

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende
ANFRAGE:
1. In den Anwendungsvorschriften der AGES heißt es: „Die Beizung stellt bei Einhaltung der Anwendungsvorschriften eine sehr effektive und auch umweltverträgliche Pflanzenschutzmaßnahme dar.“ Wie wird angesichts der o.a. Warnhinweise begründet, dass diese giftigen Beizmittel umweltverträglich sind?
2. Wenn die Beizqualität so hoch ist, wie in den AGES-Anwendungsvorschriften Punkt 1 angeführt, warum waren im Jahr 2010 bei 89 untersuchten Bienenproben die Neonicotinide Clothianidin in 51 Prozent, Thiamethoxam in 23 Prozent und Fipronil-sulfone in 14 Prozent bzw. 9 Prozent der Proben nachweisbar?
3. Inwiefern ist zu erwarten, dass die von der AGES vorgeschriebenen komplizierten geräte- und anbautechnischen Maßnahmen in der Praxis von den landwirtschaftlichen Betrieben eingehalten werden können? Wie kann eine lückenlose Kontrolle gewährleistet werden?
4. Welche Behörden führen die Anbau-Kontrollen durch? Welche Behörde kontrolliert die Ausstattung der Sämaschinen? Welche Behörde überprüft die Verwendung von Deflektoren beim Anbau vor Ort?
5. Durch welche Maßnahmen wird sichergestellt, dass die Landwirte erfahren, ob eine Windgeschwindigkeit von 5 m/s (18 km/h) vorherrscht? Wird es Wind-Warndienste der Landwirtschaftskammern oder der AGES für die jeweiligen Anbaugebiete geben?
6. Wie kann es gelingen, die Saatgutbehälter zu beschicken, ohne dass der giftige Beiz-Staub mit eingefüllt wird bzw. im Saatgutsack bleibt (Punkt 2 und 3)?
7. In der Anwendungsvorschrift Punkt 4 heißt es: „Saatgut nur in feinkrümelig zubereitetes Saatbeet ablegen, nie in klumpigen und steinigen Böden.“ Müssen die künftigen Maisfelder vor dem insektizid-gebeizten Maisanbau von sämtlichen Steinen befreit werden? Werden demnach bestimmte Bodentypen für den insektizid-gebeizten Maisanbau ausgeschieden? Wenn ja, wo sind diese Bodenkarten abrufbar?
8. Hinsichtlich der Anwendung schreibt der Zwischenbericht des Forschungsprojekts "Melissa“ wie folgt: „Für die Aussaatpraxis besonders beachtenswert sind die Pollenhäufigkeitswerte von Ahorn, Esche, Eiche auf manchen Bienenständen, da diese Pflanzen von den wenigsten Landwirten als Nektar- bzw. Pollenquelle eingestuft werden. Beim Maisanbau ist also unbedingt darauf zu achten, dass auch derartige Pflanzenbestände nicht mit insektizidem Beizmittelstaub kontaminiert werden.“ Wie können die Landwirte in der Praxis verhindern, dass der Beizstaub auf nebenstehende Bäume kommt?
9. In den Anwendungsvorschriften steht: „Keine Aussaat des behandelten Saatgutes, wenn Gefahr der Staubabdrift in benachbarte blühende Pflanzen-Bestände besteht. Nicht neben in Windrichtung liegenden Flächen mit blühenden Pflanzenbeständen säen“. Zur Zeit des Maisanbaues (Mitte April bis Mitte Mai) blühen normalerweise zahlreiche Kultur- und Wildpflanzen, Obst- und Baumkulturen in Österreich. Der Landwirt kann weder die Windrichtung noch den Blühzustand der angrenzenden Vegetation beeinflussen und der Anbau kann nur innerhalb eines begrenzten Zeitraums, auch abhängig von den Witterungsbedingungen, erfolgen. Was bedeutet demnach diese Anwendungsvorschrift in der Praxis? Versteckt sich dahinter etwa ein Anbau-Verbot für insektizid-gebeiztes Saatgut? Ist demnach ein Maisanbau im Grünland (Beispiel: das Maisfeld ist von allen 4 Seiten von blühender Vegetation umgeben) nur bei Windstille möglich?
10. Im "Melissa“-Zwischenbericht heißt es auf Seite 98: „Für Mais nach Vorfrucht Mais beachten Sie die Vorgaben der Maiswurzelbohrer-Verordnungen der Bundesländer.“ Ist der Maiswurzelbohrer in Oberösterreich ein anderer als der in der Steiermark? Warum gibt es je Bundesland eigene Verordnungen?
11. Warum erstreckt sich das Anwendungsverbot von insektizid-gebeiztem Saatgut nur auf Vorfrucht „Nichtmais“ – also auf jene Betriebe, die über Fruchtfolge Schädlingsbekämpfung machen? Warum schreiben Sie nicht eine verpflichtende Fruchtfolge vor, um damit den Maiswurzelbohrer zu bekämpfen?
12. Mit welcher Begründung wenden sich die Anwendungsvorschriften in Punkt 6 (für eine ausreichende Wasserversorgung der Bienen zu sorgen und die Bienenstöcke nicht näher als 20 m von einem mit Mais bzw. Kürbis zu bestellenden Acker aufzustellen) an Imker, die weder Informationen über die geplante Anbaukultur haben noch die Möglichkeiten, diese zu beeinflussen? Oder besteht eine Informationspflicht seitens der Anwender an die Imker?
13. Gibt es eine Vorschrift, was der Landwirt nach Beendigung des Anbaues mit der Sä-Maschine machen soll? Oft stehen Imkerei-Betriebe wenige Meter von landwirtschaftlichen Betrieben entfernt und damit die Sä-Geräte im Flugbereich der Bienen. Wie werden die Sä-Geräte gereinigt und welche risikomindernden Vorschriften gelten hier?
14. Die Anwendungsvorschriften wurden angeblich auf Basis des Forschungsprojektes „Melissa“ erstellt. Stimmt es, dass die Studie von der Firma Bayer, die diese giftige Beize herstellt, mitfinanziert wurde? Von wem wurde die Studie sonst noch mitfinanziert? Wie hoch ist der Anteil der Beiträge seitens der Industrie? Inwiefern kann diese Studie als unabhängig bezeichnet werden?
15. Welcher Umsatz wird in Österreich mit Saatgut-Beizmitteln aus der Gruppe der Neonicotinoide gemacht und welche Gesamtmenge wird bei den in der Studie genannten Kulturen eingesetzt?