7874/J XXIV. GP

Eingelangt am 07.03.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Europäischer Haftbefehl und Übergabeverfahren - Anwendung durch die Mitgliedstaaten bzw. Österreich im Jahr 2010“

 

Mit der AB 5654/XXIV.GP vom 10.08.2010 wurden die Fragen des Fragestellers Abg. zum NR Mag. Maier und GenossInnen zur Anfrage „Europäischer Haftbefehl – Übergabeverfahren – Anwendung durch Mitgliedsstaaten bzw. Österreich“ beantwortet.

 

Dieser Europäische Haftbefehl ist aus Sicht des BMJ weiterhin als überaus erfolgreich zu beurteilen.

„Der Europäische Haftbefehl ist weiterhin als überaus erfolgreich zu beurteilen. Die Übergabeverfahren können innerhalb kurzer Zeit abgeschlossen werden, so dass die Betroffenen möglichst rasch vor die zuständigen Justizbehörden des Ausstellungsstaates gebracht werden und dort ihre Verteidigungsrechte wahrnehmen können.

Bestehende Schwierigkeiten konnten in der praktischen Anwendung teilweise entschärft werden. Manche Mitgliedstaaten fordern weiterhin eine äußerst umfassende Beschreibung des Sachverhalts und die Einhaltung bestimmter Förmlichkeiten. Teilweise werden im Rahmenbeschluss nicht vorgesehene Gegenseitigkeitserklärungen gefordert.

Für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls genügt es, dass die Taten im Ausstellungsstaat mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 12 Monaten bedroht und im Vollstreckungsstaat zumindest gerichtlich strafbar sind. Dies führt bei Staaten mit absolutem Legalitätsprinzip auch in Fragen der Auslieferung dazu, dass deren Justizbehörden hinsichtlich Personen, die sich ins Ausland abgesetzt haben, immer die Auslieferung begehren müssen, wenn die formellen Voraussetzungen für einen Europäischen Haftbefehl vorliegen. Diese Staaten wurden im Rahmen verschiedener Ratsarbeitsgruppen ersucht, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Ausstellung von Europäischen Haftbefehlen einzuführen“.

Abschlußbericht über die vierte Runde der gegenseitigen Begutachtungen – „Praktische Anwendung des Europäischen Haftbefehls und der entsprechenden Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten“ – viel kritischer.

 

Österreich hat im Jahr 2009 insgesamt 292 Europäische Haftbefehle erlassen. Insgesamt gab es 11.315 Europäische Haftbefehle von den Mitgliedsstaaten im Jahr 2009. Allerdings fehlen Angaben von Ländern wie Belgien, Bulgarien, Dänemark, Portugal, Rumänien, Ungarn und das Vereinigte Königreich.

Diese haben für 2009 keine Zahlen bekanntgegeben, obwohl derartige Zahlen für 2008 und die Jahre zuvor vorgelegt wurden. Überhaupt keine Zahlen zur Ausstellung von Europäischen Haftbefehlen liegen für die Länder Belgien und Bulgarien vor, von Italien gibt es nur welche für 2005, keine Zahlen jedoch für 2006 – 2009.

 

Die von den Staaten ausgestellten Europäischen Haftbefehle führten auch zu Festnahmen in anderen Mitgliedsstaaten. So wurden 2009 – soweit Zahlen bekanntgegeben wurden  – 4.433 Personen festgenommen, gegenüber 4.782 Festnahmen im Jahr 2008 (2007: 4.279; 2006: 2.082; 2005: 1.770).

Allerdings fehlen auch hier für 2009 von 11 Staaten (von insgesamt 27 Staaten) die Zahlen über die Festnahmen. Belgien, Bulgarien und Italien haben seit 2005 keine Meldung abgegeben.

 

Aufgrund fehlender Zahlen aus nicht wenigen Mitgliedsstaaten ist eine umfassende Betrachtung und Analyse der Anwendung des Europäischen Haftbefehls nicht möglich, insbesondere ob er jeweils ordnungsgemäß angewendet wurde. Insbesondere welche strafbaren Handlungen dem EuHb zugrunde liegen.

 

Aus systematischen Gründen werden nun ähnliche Fragen wieder gestellt, um die aktuellen Informationen und Zahlen für das Jahr 2010 zu erhalten.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende


Anfrage:

 

1.        Welche konkreten Erfahrungen mit dem Europäischen Haftbefehl und dem Übergabeverfahren liegen dem Justizressort aktuell vor?
In bzw. mit welchen EU-Mitgliedsstaaten ergaben sich im Jahr 2010 Probleme?
Wie sieht das Ressort die zit. Kritik in anderen Mitgliedsstaaten?

 

2.        Werden seitens der Europäischen Union bzw. des Justizressorts noch immer Defizite bei der Umsetzung des Europäischen Haftbefehls bei anderen Mitgliedsstaaten gesehen?
Wenn ja, welche Defizite bei welchen Staaten?

 

3.        Zu welchen Schlußfolgerungen kam der Abschlußbericht über die 4.Runde der gegenseitigen Begutachtung hinsichtlich der praktischen Anwendung des Europäischen Haftbefehls?
Welche Empfehlungen wurden ausgesprochen?

 

4.        Wie viele Haftbefehle wurden auf Rechtsgrundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl durch „Ausstellungsstaaten“ in der EU im Jahr 2010 ausgestellt (Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten)?

 

5.        Wie viele ÖsterreicherInnen waren von einem europäischen Haftbefehl dieser Ausstellungsstaaten im Jahr 2010 betroffen (Aufschlüsselung der Anzahl der gesuchten ÖsterreicherInnen auf Ausstellungsstaaten und Vollstreckungsstaaten)?

 

6.        Wegen welcher Delikte wurden diese Haftbefehle gegen ÖsterreicherInnen ausgestellt?

 

7.        Wie viele Personen wurden nach einem Haftbefehl auf Grundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl durch Vollstreckungsstaaten im Jahr 2010 festgenommen (Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten und Vollstreckungsstaaten)?

 

8.        Wie viele ÖsterreicherInnen waren im Jahr 2010 von einer Festnahme in Vollstreckungsstaaten betroffen (Aufschlüsselung der Anzahl der ÖsterreicherInnen auf Vollstreckungsstaaten)?

 

9.        Wie viele Personen wurden nach einem Haftbefehl auf Grundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl in Österreich (Vollstreckungsstaat) im Jahr 2010 festgenommen (Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten und Nationalität der festgenommenen Personen)?


10.    Wie viele Personen wurden im Jahr 2010 nach einem Haftbefehl auf Grundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl von Österreich (Vollstreckungsstaat) dem jeweiligen Ausstellungsstaat im Jahr 2010 übergeben (Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten und Nationalität der festgenommenen und übergebenen Personen)?

 

11.    Wie viele ÖsterreicherInnen, die mit der Übergabe bzw. Auslieferung einverstanden waren, befanden sich im Jahr 2010 darunter?

 

12.    Wie viele Haftbefehle wurden auf Rechtsgrundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl im Jahr 2010 in Österreich ausgestellt (Aufschlüsselung auf Nationalität der gesuchten Personen)?

 

13.    Wegen welcher Delikte wurden diese Haftbefehle im Jahr 2010 ausgestellt (Aufschlüsselung der Delikte auf Nationalität der gesuchten Personen)?

 

14.    Wie viele dieser Haftbefehle wurden vollstreckt und die gesuchten Personen Österreich übergeben (Aufschlüsselung auf Vollstreckungsstaaten)?

 

15.    Wann findet  die nächste gegenseitige Evaluierung über „die praktische Anwendung des Europäischen Haftbefehls und der entsprechenden Übergabeverfahren“ zwischen den Mitgliedsstaaten statt?
Welche Schlussfolgerungen wurden nach der letzten Evaluierung durch das Ressort gezogen?

 

16.    Was ist Inhalt des Leitfadens zum europäischen Haftbefehl, den die Schwedische Ratspräsidentschaft vorgelegt hat, um eine einheitliche Anwendung sicherzustellen?

 

17.    Wie viele Verfahren zur Anwendung des Europäischen Haftbefehls liegen beim EuGH?
Welche Rechtsfragen sollen dabei geklärt werden?

 

18.    Werden Sie im Rahmen der Umsetzung des Stockholm-Programms dafür eintreten, dass der vorliegende einheitliche Fragebogen der EU-Kommission ergänzt wird, damit eine umfassende Jahresstatistik erstellt werden kann?