794/J XXIV. GP

Eingelangt am 28.01.2009
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Gartelgruber

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Luftqualität im Unterinntal

 

 

 

Die Brennerroute von Rosenheim bis Verona im Anwendungsbereich der Alpenkonvention ist heute die am stärksten vom internationalen Straßengütertransit belastete alpine Straßenverbindung vom Norden nach Süden und umgekehrt. Während über die vier Schweizer Alpenpässe pro Jahr rund 1,2 Millionen schwere Lkw rollen, muss der Brennerpass allein pro Jahr bereits rund 2 Millionen schwere Lkw aufnehmen.

 

Die Ursachen sind rasch aufgezählt und liegen in der nicht vorhandenen gemeinsamen Brennerpolitik der Länder Bayern, Nord-, Ost- und Südtirol sowie Welschtirol/Trentinol, aber auch in der fehlenden gemeinsamen Alpenpolitik der EU-Staaten Deutschland, Österreich und Italien. Ebenso wird in diesen Staaten und Ländern dem „Grundrecht auf Gesundheit“ in der Realpolitik noch immer nicht der Vorrang vor der „Freiheit des Warenverkehrs“ eingeräumt. Dies alles, sowie der ersatzlose Wegfall der Ökopunkte als mengenmäßige Begrenzung des Straßengüterverkehrs über den Brenner, machen den Brennerpass zur derzeit attraktivsten Alpenquerung mit schweren Lastkraftwagen.

 

Der Tiroler Zentralraum ist mittlerweile ebenso wie ein Teil Osttirols als „belastetes Gebiet nach IG-Luft“ ausgewiesen. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich nichts anderes, als dass weite Teile unseres ohnedies nur sehr begrenzt besiedel- und bewirtschaftbaren Anteils an der Landesfläche sehr stark mit Luftschadstoffen, vor allem PM10 und N02, belegt sind.

 

Mehr als 415.000 Tirolerinnen und Tiroler, davon mehr als 58.000 Jugendliche bis 15 Jahren, leben heute in ausgewiesenen „belasteten Gebieten nach IG-Luft“ wegen zu hoher Feinstaub- oder zu hoher Stickstoffdioxidbelastungen. Man kann angesichts der Sachlage davon sprechen, dass sich dieses „belastete Gebiet“ seit dem Jahr 2002 in Tirol ausbreitet wie ein sehr bösartiges Krebsgeschwür, wie ein „Luft-Tumor“.

 

Nicht umsonst haben sich die schweren Atemwegerkrankungen bei Kindern parallel zu den hohen Grenzwertüberschreitungen innerhalb von nur vier Jahren verdoppelt. Der zweite und ganz wesentliche Aspekt dieses unzumutbaren und unhaltbaren Zustandes in einem der schönsten, aber auch sensibelsten Lebens- und Wirtschaftsräume Europas betrifft den wirtschaftlichen Bereich. Diese hohen Schadstoffbelastungen, die im Stickstoffdioxidbereich (N02) im Tiroler Zentralraum zu knapp 90% dem Verkehr (35% Pkw, 53% Lkw) zuzurechnen sind, bedeuten seit längerem schwere Nachteile bei Betriebserweiterungen und -neuansiedelungen.

 

Die für das Jahr 2010 bzw. 2012 festgelegten Grenzwerte werden im Jahr 2005 im Jahresmittel bereits um +87,5% (für 2010) bzw. 150% (für 2012) überschritten. Schon heute werden Tiroler Gewerbe- und Industriebetriebe – die in den letzten Jahren ihre Umweltbelastung deutlich reduziert haben – dennoch mit immer teureren Auflagen zur Luftreinhaltung verpflichtet. D.h., die zu einem sehr großen Teil „sauberen“ Wirtschafts-Emittenten sollen mit immer unfinanzierbareren Auflagen das ausgleichen, was auf der Straße nach wie vor viel zu viel in die Luft geblasen wird.

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende

 

Anfrage

 

1.      Wie häufig kam es im Jahr 2008 aufgeschlüsselt nach Messstellen und Messzeitpunkt im Inntal im Bereich zwischen Kufstein und Innsbruck zu Überschreitungen des Tagesgrenzwertes von PM10 Feinstaub gemäß IG-Luft?

 

2.      Wann und wo wurde der zweite im IG-Luft für PM10 angeführte Grenzwert, der Jahresmittelwert von 40 μg/m³, an einer der oben angeführten Messstellen überschritten?

 

3.      Wie häufig kam es im Jahr 2008 aufgeschlüsselt nach Messstellen und Messzeitpunkt im Inntal im Bereich zwischen Kufstein und Innsbruck zu Überschreitungen des im IG-Luft genannten Zielwerts für den PM10-Tagesmittelwert von 50 μg/m³ (ohne 30-malige Überschreitung) zum Schutz der menschlichen Gesundheit?

 

4.      Wie häufig kam es im Jahr 2008 aufgeschlüsselt nach Messstellen und Messzeitpunkt im Inntal im Bereich zwischen Kufstein und Innsbruck zu Überschreitungen des im IG-Luft genannten zweiten Zielwerts für das Jahresmittel von 20 μg/m³?

 

5.      Wie häufig kam es im Jahr 2008 aufgeschlüsselt nach Messstellen und Messzeitpunkt im Inntal im Bereich zwischen Kufstein und Innsbruck zu Überschreitungen des Verhältnisses von PM2.5 Feinstaub zu den PM10-Messungen am gleichen Standort über 0,72?

 

6.      Wie häufig kam es im Jahr 2008 aufgeschlüsselt nach Messstellen und Messzeitpunkt im Inntal im Bereich zwischen Kufstein und Innsbruck zu Überschreitungen der im IG-Luft genannten Alarmschwelle für Ozon von 240 μg/m³ als Einstundenmittelwert?

 

7.      Wie häufig kam es im Jahr 2008 aufgeschlüsselt nach Messstellen und Messzeitpunkt im Inntal im Bereich zwischen Kufstein und Innsbruck zu Überschreitungen des im IG-Luft genannten Grenzwerts für den Staubniederschlag von 210 mg/m²als Einstundenmittelwert?

 

8.      Wie häufig kam es im Jahr 2008 aufgeschlüsselt nach Messstellen und Messzeitpunkt im Inntal im Bereich zwischen Kufstein und Innsbruck zu Überschreitungen von Warn-, Grenz- und Zielwerten für Schwefeldioxid gemäß IG-Luft zum Schutz der menschlichen Gesundheit wie auch der Ökosysteme und der Vegetation eingehalten?

 

9.      Wie häufig kam es im Jahr 2008 aufgeschlüsselt nach Messstellen und Messzeitpunkt im Inntal im Bereich zwischen Kufstein und Innsbruck zu Überschreitungen des im IG-Luft genannten Grenzwerts für Kohlenmonoxid von 10 mg/m³?

 

10. Wie häufig kam es im Jahr 2008 nach Messstellen und Messzeitpunkt im Inntal im Bereich zwischen Kufstein und Innsbruck zu Überschreitungen des im IG-Luft genannten gültigen Jahresmittelwerts für Stickstoffdioxid von 40 μg/m³?

 

11. In welchem Umfang und mit welchem Ergebnis wurden seit 1990 Erhebungen über die Zunahme von umweltbedingten Allergien und Atemwegerkrankungen im Bundesland Tirol, insbesondere im Raum zwischen Kufstein und Innsbruck, durchgeführt?

 

12. Welche Auswirkungen auf die Luftgüte konnten nachweislich aufgrund von Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß IG-Luft auf der A12 (Inntalautobahn) erzielt werden?

 

13. Die Mitgliedstaaten der EU haben sich im Beitrittsvertrag, Protokoll Nr. 9, verpflichtet, die Schadstoffbelastung durch Lkws auf österreichischen Transitstrecken bis 2004 um 60 % zu reduzieren. Diese Verpflichtung wurde bis zum angepeilten Zeitpunkt nicht erfüllt. Welche Fortschritte wurden seit 2004 bei der Umsetzung erzielt?

 

14. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung in der laufenden Gesetzgebungsperiode zu setzen, um eine gemeinsame Position bzw. Lösungen zur Transitproblematik mit Bayern, Süd- und Welschtirol/Trentino zu erzielen und wie weit sind die diesbezüglichen Verhandlungen bereits fortgeschritten?

 

15. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung in der laufenden Gesetzgebungsperiode zu setzen, um gegenüber der EU eine Entlastung der transitgeplagten Tiroler Bevölkerung und die Bevorzugung des „Grundrechts auf Gesundheit“ der „Grundfreiheit des Warenverkehrs“ zu erzielen?

 

16. Gibt es hierzu bereits Verhandlungen und wenn ja, welchen Stand weisen diese auf?