7956/J XXIV. GP

Eingelangt am 17.03.2011
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Ewald Stadler,

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend "Einflussnahme des Justizministeriums auf einen Strafprozess gegen Lebensschützer"

 

Am 10.März 2011 fand vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz zu GZ 12 Hv 18/11 g die erste Hauptverhandlung gegen vier Lebensschützer statt, die wegen ihres Gebetseinsatzes vor der Ordination eines Abtreibungsarztes wegen des Stalking–Paragrafen 107 a StGB angeklagt wurden. Der ORF Steiermark berichtete über diesen Prozess am 11. März 2011 unter der Headline "Prozess gegen militante Abtreibungsgegner". Den Angeklagten wird vorgeworfen, vor der Ordination eines Abtreibungsarztes auf einem öffentlichen Gehsteig Informationsfalter, kleine Plastikföten und Rosenkränze Frauen angeboten oder an Passanten verteilt zu haben.

 

Ähnliche Verfahren gegen Lebensschützer hat es bereits vor Verwaltungsstrafbehörden in Wien nach dem Sicherheitspolizeigesetz und nach dem Wiener Landessicherheitsgesetz gegeben. Alle Verfahren gegen diese Lebensschützer endeten vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien mit der Aufhebung der angefochtenen Strafbescheide. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des UVS Wien vom 17.02.2011, wo es wörtlich heißt:

 

"Die Organe der belangten Behörde haben sich vielmehr für private Geschäftsinteressen missbrauchen lassen. [….] Selbst die Darstellungen auf der Kartontafel, die der Beschwerdeführer umgehängt hatte, kann keine Belästigung darstellen. Würde man dies bejahen, wären viele Werbeplakate Belästigungen im Sinne des § 3 WLSG."

 

Der Strafantrag der Staatsanwaltschaft Graz vom 07.02.2011, GZ 19 St 79/09 w, der dem eingangs erwähnten Strafverfahren vor dem Landesgericht Graz zugrunde liegt, lässt vermuten, dass die Staatsanwaltschaft, ebenfalls für private Interessen eines Abtreibungsarztes missbraucht wird, wie dies aus der zitierten Entscheidung des UVS Wien hervorgeht.

 

Die Einbringung des Strafantrages vom 07.02.2011 ist umso kurioser, als die Staatsanwaltschaft Graz zuvor das Ermittlungsverfahren gegen die nunmehr angeklagten Lebensschützer am 16.04.2009 gemäß § 190 Z 1 StPO a limine eingestellt hat. Dagegen brachte der Rechtsvertreter des Abtreibungsarztes am 04.05.2009 einen Fortführungsantrag gemäß §195 StPO ein. Zu diesem Fortführungsantrag verfasste die Staatsanwaltschaft Graz noch eine Stellungnahme, im Strafakt undatiert einliegend, und führte rechtlich nachvollziehbar aus, warum sie die Fortführung des Verfahrens gegen die Lebensschützer nicht beabsichtigt. Am 27.11.2009 verfasste die Oberstaatsanwaltschaft Graz ein Ersuchsschreiben, GZ 1 OStA 89/09 g,  an die Staatsanwaltschaft Graz, mit welchem die Abklärung weiterer Umstände verlangt wurde.

 

Im Anordnungs- und Bewilligungsbogen der Staatanwaltschaft Graz scheinen hierzu jedoch folgende Vormerke auf:

1.        "Dem Oberlandesgericht Graz -  im Wege der Oberstaatsanwaltschaft Graz - zur Entscheidung über den Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 195 …………………... unter Hinweis auf die in dreifacher Ausfertigung vorgelegte Stellungnahme.  Graz, am 14.5.2009."

2.        "AV: Akt am 28.5.09 von OStA zurück.

           Vfg: 1. § 193 (2) Z 1 StPO. (19321)…. G, 28.5.09"

 

Diese Einträge korrespondieren nicht mit den oben erwähnen Schreiben der Staatsanwaltschaft Graz vom 27.11.2009.

 

Der der Verteidigung übermittelte Anordnungs- und Bewilligungsbogen endet mit einem Eintrag vom 22.09.2009. Alle Vorgänge des Jahres 2009 ab dem 23.09. bis zur Einbringung des Strafantrages am 07.02.2011 sind aus dem der Verteidigung übermittelten Anordnungs- und Bewilligungsbogen nicht ersichtlich.

 

So ist insbesondere nicht klar, weshalb der Fortführungsantrag und die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Graz nicht im Sinne der Staatsanwaltschaft Graz vom 14.05.2009 dem Oberlandesgericht Graz vorgelegt wurde, wie dies in solchen Fällen an sich üblich ist.

Ferner wurden der Verteidigung alle Einträge ab dem 22.09.2009 vorenthalten. Dies betrifft insbesondere einen Bericht der Staatsanwaltschaft Graz an die Oberstaatsanwaltschaft vom 17.11.2009, auf den sich die Oberstaatsanwaltschaft in ihrem oben erwähnten Schreiben vom 27.11.2009 ausdrücklich bezieht.

 

Ferner fehlt im Akt jeder Hinweis, warum die Staatsanwaltschaft Graz noch in ihrer mit Verfügung vom 14.05.2009 vorgelegten Stellungnahme eine Fortführung des Verfahrens gegen die Lebensschützer ablehnte, während sie wenige Tage später mit Verfügung vom 28.05.2009 nach der Rückstellung des Aktes durch die Oberstaatsanwaltschaft eine Fortführung gemäß § 193 Abs 2 Z 1 StPO anordnete. Es ist auch aus dem Akt nicht ersichtlich, weshalb der Fortführungsantrag nicht dem hierfür zuständigen unabhängigen richterlichen Senat beim Oberlandesgericht Graz vorgelegt wurde, wie dies noch aus der Verfügung vom 14.05.2009 hervorgeht.

 

Bei den Erörterungen während der Hauptverhandlung kam ferner zutage, dass der Akt mehr als ein Jahr im Justizministerium lag, was die Verfahrensverzögerung zwischen September 2009 und der Erhebung des Strafantrages vom 07.02.2011 erklären mag. Ferner kann dies eine Erklärung dafür sein, dass der Verteidigung lediglich eine Kopie des Anordnungs- und Bewilligungsbogens bis zur Verfügung vom 22.09.2009 ausgehändigt wurde, um die allenfalls nachfolgend stattgehabten Einflussnahmen, insbesondere Ihres Ministeriums, auf das gegenständliche Strafverfahren zu vertuschen.

 

Vor diesem  Hintergrund muss daher von einer wohlvorbereiteten politischen Aktion Ihres Ministeriums gegen die angeklagten Lebensschützer zur Wahrung der Geschäftsinteressen eines Abtreibungsarztes ausgegangen werden. Es war im Verfahren auch mehrfach von einem "Musterprozess" die Rede, was offensichtlich darauf hindeutet, dass dieses Hauptverfahren als Auftakt für eine breiter angelegte Aktion gegen Lebensschützer dienen soll. Der als Zeuge einvernommene Abtreibungsarzt hat selbst auf politische Implikationen hingewiesen, wenn er beispielsweise bereits in seiner polizeilichen Einvernahme vom 31.07 2009 beklagte, dass bei Demonstrationen der Lebensschützer "auch eine Grazer Stadträtin der ÖVP" teilnehme.

 

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher an Frau Bundesministerin für Justiz nachstehende


Anfrage:

1.        Warum wurde der oben beschriebene Fortführungsantrag nicht dem zuständigen Senat des OLG Granz vorgelegt?

2.        Welche Weisungen gab es hierzu aus der Oberstaatsanwaltschaft Graz oder aus Ihrem Ministerium?

3.        Warum taucht hierzu weder im Anordnungs- und Bewilligungsbogen der Staatsanwaltschaft Graz noch im Akt selbst diesbezüglich eine entsprechende Verfügung, Weisung, Anordnung, Begründung über die vollständige Änderung der Aktenbeurteilung, ein anderes Aktenstück und Ähnliches auf?

4.        Wann wurde der gegenständliche Akt Ihrem Ministerium vorgelegt?

5.        Warum und mit welchem Ziel wurde der gegenständliche Akt Ihrem Ministerium vorgelegt?

6.        Wer hat in Ihrem Ministerium den gegenständlichen Akt bearbeitet und/oder in den Akt Einsicht genommen und welche Aufträge, Weisungen, Anordnungen, Ersuchen, Hinweise und Ähnliches ergingen hierzu seitens Ihres Ministeriums an wen, und/oder seitens der Oberstaatsanwaltschaft Graz an wen?

7.        Wie erklären Sie die Verfahrensverzögerung in der Zeit vom 22.09.2009 bis zum 07.02.2011?

8.        Wer hat - außerhalb der Staatsanwaltschaft Graz - in welcher Art und Weise, mit welchem Inhalt und mit welchem Ziel Einfluss auf das Verfahren  genommen?

9.        Warum wurden der Verteidigung die Verfügungen im Anordnungs- und Bewilligungsbogen der Staatsanwaltschaft Graz ab dem 22.09.2009 sowie der Bericht der Staatsanwaltschaft Graz an die Oberstaatsanwaltschaft vom 17.11.2009 vorenthalten?

10.      Welche Inhalte haben diese vorenthaltenen Aktenstücke genau im Wortlaut?

11.      Gibt es weitere Aktenstücke im gegenständlichen Verfahren, welche der Verteidigung gezielt vorenthalten wurden? Wenn ja – welche genau und warum?

12.      Wurde in Ihrem Ministerium eine Strategie gegen Lebensschützer unter Missachtung der Grundrechte auf Meinungsfreiheit, auf Versammlungsfreiheit und auf Freiheit der Religionsübung entwickelt, um mit dem Sanktionsregime des § 107a StGB gegen diese Leute vorzugehen?


13.      Ist sich Ihr Ministerium dabei im Klaren, dass sich die zuständigen Strafverfolgungsbehörden für private Geschäftsinteressen von Abtreibungsärzten missbrauchen lassen, wie dies der UVS Wien in einem ähnlichen Fall ausdrücklich festgestellt hat?

14.      Ist sich Ihr Ministerium, die Oberstaatsanwaltschaft Graz und die Staatsanwaltschaft Graz darüber im Klaren, dass es sich bei der Abtreibungstätigkeit, zumindest hinsichtlich der sogenannten "Fristenlösung", um eine gesetzwidrige Tätigkeit handelt, die nicht unter das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit subsumierbar ist?

15.      Besteht in Ihrem Ministerium die Absicht, Lebensschützer gleichermaßen zu kriminalisieren, wie dies derzeit in einem öffentlich diskutierten Fall gegenüber Tierschützern bereits gemacht wurde?