7984/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.03.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

gem. § 93 Abs.1 GOG-NR

 

 

des Abgeordneten Neubauer

und weiterer Abgeordneter

an den Bundeskanzler

betreffend das Versagen der österreichischen Bundesregierung in der Anti- Atom-Politik

Der 11. März 2011 hat nicht nur fürchterliche Zerstörung und unermessliches Leid über weite Teile Japans und große Teile der japanischen Bevölkerung gebracht, sondern auch ganz eindeutig bewiesen: Atomkraft hat kein Restrisiko, sondern ist ein restloses Risiko! Und: Atomkraftwerke sind nicht nachzurüsten, sondern still zu legen!

Selbst ein Land wie Japan, das in seiner Geschichte leidvolle Erfahrungen mit Verstrahlung, radioaktivem Niederschlag und immer wiederkehrenden Erdbebenkatastrophen hat, und in dem deswegen die weltweit mit Abstand höchsten Sicherheitsstandards bei Erdbebensicherheit von Gebäuden und Kraftwerken gelten, war nicht in der Lage, diese Katastrophe abzuwenden.

Wie können sich dann europäische Staaten anmaßen, ihre Vielzahl von Atomkraftwerken als nahezu völlig sicher" zu bezeichnen? Angesichts der japanischen Tragödie wäre Demut und Entschlossenheit beim Ausstieg aus der Atomenergie von Nöten, doch was geschieht stattdessen?

Länder wie Italien oder Frankreich halten an der Atomenergie fest oder wollen sie sogar wieder einführen. In Italien ist es in Folge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zu einem Ausstieg aus der Kernenergie gekommen. Nun sollen bis 2020 in Zusammenarbeit mit Frankreich in einem erdbebengefährdeten Gebiet, nämlich im Bereich Friaul-Julisch-Venetien vier neue Atomkraftwerke entstehen!

Selbst im Angesicht der Katastrophe in Japan ist keine Einsicht der Atomenergiebefürworter zu erkennen:

APA am 14. März 2011:

Atom - Spanien warnt vor übereilter Reaktion auf Atomunfälle

Salgado: "Sollten uns bei Entscheidungen über Nutzung der Kernenergie nicht

von besonderen Vorkommnissen leiten lassen "

Brüssel/Madrid (APA/dpa) - Spanien hat nach den Atomunfällen in Japan vor übereilten Reaktionen in der Europäischen Union gewarnt. "Wir sollten uns bei den Entscheidungen über die Nutzung der Kernenergie nicht von besonderen Vorkommnissen (wie in Japan) leiten lassen", sagte die spanische Wirtschafts- und Finanzministerin Elena Salgado am Montag in Brüssel.

APA am 15. März 2011

Atom - Sarkozy: Ausstieg Frankreichs kommt nicht in Frage

Präsident: Französische AKW zehnmal sicherer als andere"

Paris (APA/dpa) - Präsident Nicolas Sarkozy hat Forderungen nach einem Umdenken in der französischen Atompolitik zurückgewiesen. "Ein Ausstieg kommt nicht infrage", sagte er nach einem Bericht der Zeitung "Le Figaro" (Dienstag) nach einem Treffen mit der Parteispitze der Regierungspartei UMP.

APA am 15. März 2011

Atom - Italien hält an geplanter Rückkehr zur Atomenergie fest Umweltministerin: "Erdbebengefahr bei uns nicht mit jener in Japan vergleichbar"- Vier AKW bis 2020 =

Rom (APA) - Nach den Atomunfällen in Japan infolge des schweren Erdbebens und der Tsunami-Katastrophe hält die italienische Regierung an ihre geplante Rückkehr zur Atomenergie fest.

APA am 16. März 2011

Atom - Sarkozy sieht Zukunft der Kernkraft nicht infrage gestellt.

Präsident: "Grundlegendes Element" der Unabhängigkeit Frankreichs bei der

Energieversorgung

Paris (APA/AFP) - Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sieht

die Zukunft der Atomkraft in Frankreich durch das Erdbeben in Japan nicht infrage gestellt.

Österreich, das seit der Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf auf die friedliche Nutzung" der Kernenergie verzichtet hat, hätte jetzt die Chance, in Europa zum Vorreiter der Anti-Atompolitik zu werden, in dem es als ersten Schritt den Austritt aus dem EUROTOM-Vertrag setzt.

Vor wenigen Tagen hat Bundesminister Berlakovich Stresstests für europäische Atomanlagen gefordert. Der deutsche Bundesminister Röttgen hat diesen Vorschlag aufgenommen und diese in Aussicht gestellt. Mittlerweile wird die Sinnhaftigkeit solcher Stresstests von maßgeblichen Fachexperten angezweifelt. Sie argumentieren damit, dass durch das Fehlen von allgemein gültigen Sicherheitsstandards und dem Bestand verschiedener Betriebstypen bei den Atomkraftwerken keine einheitlichen Ergebnisse möglich sind.

Derzeit fließen beträchtliche finanzielle Mittel - laut SPÖ jährlich rund 100 Millionen Euro - aus dem österreichischen Staatshaushalt an EURATOM. Damit finanziert Österreich über diesen Umweg die europäische Atomenergie. Ein Ausstieg aus dem EURATOM -Vertrag und die Verwendung der dafür bisher gebundenen finanziellen Mittel für den Bereich Forschung und Entwicklung wäre daher ein Gebot der Stunde.

Die rechtlichen Möglichkeiten für einen EURATOM -Ausstieg werden von der Bundesregierung jedoch ignoriert. Die Wissenschafter Univ.-Prof. Dr. Geistlinger, Univ.-Prof. Dr. Rotter, Univ.-Prof- Dr. Wegener und Univ.-Prof. Dr. Hummer sind trotz verschiedener Zugänge zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Ausstieg aus dem EURATOM -Vertrag rechtlich durchaus möglich ist, ohne die EU-Mitgliedschaft in Frage zu stellen.

Zurzeit besteht auch der Eindruck, dass die Bundesregierung es nicht für nötig erachtet, die österreichische Bevölkerung in ausreichendem Maße über die Katastrophe in Japan und ihre Auswirkungen zu informieren.

Weder dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler oder dem Lebensminister ist es in den Sinn gekommen, sich über die Medien an die Bevölkerung zu wenden und entsprechend aufzuklären. So sind keinerlei offizielle Informationen seitens der Regierung via ORF oder anderer Medien erfolgt. Normalerweise sind die Bundesministerien mit Informationen" nicht so zurückhaltend, wie die millionenschweren Werbe- und Selbstdarstellungskampagnen der Bundesregierung Jahr für Jahr eindrucksvoll beweisen!

In diesem Zusammenhang ergeht an den Bundeskanzler folgende

Dringliche Anfrage

1.             Hält die Bundesregierung an der in der Regierungserklärung für die XXIV. GP verankerten  Haltung  zur  Kernenergie  als  keine  nachhaltige  Form  der Energieversorgung" und als keine tragfähige Option zur Bekämpfung des Klimawandels" fest?

2.      Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um den Ausstieg Österreichs aus dem EURATOM -Vertrag zu ermöglichen?

3.      Ist die Tätigkeit von  Ex-Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel im RWE- Aufsichtsrat hilfreich für die angeblichen Bemühungen Österreichs in der Antiatompolitik?

4.   Ist es Ziel der österreichischen  Bundesregierung,  mit den  -  laut SPÖ- Aussendungen - möglicherweise schon 100 Millionen Euro, die jährlich durch den  EURATOM-Vertrag  in   die   Atomwirtschaft   fließen,  die Wettbewerbsfähigkeit von Kernkraftwerken zu steigern?

5.   Welchen Nutzen konnte Österreich aus der Mitgliedschaft beim EURATOM - Vertrag bisher ziehen und ist diese Mitgliedschaft hilfreich auf dem Wege Österreichs hin zu einer energieautonomen Republik?


6.     Was wird die Bundesregierung unternehmen, um auf europäischer Ebene den weiteren Ausbau der Kernenergie - wie z.B. die bis 2020 geplanten vier Atomkraftwerke in Italien - zu verhindern?

7.    Halten Sie es für verantwortbar, dass die österreichische Bevölkerung von keinem einzigen Mitglied der Bundesregierung eine offizielle Information über die Medien zu den Folgen und Auswirkungen der Katastrophe in Japan erhalten hat, zumal Sie und die übrigen  Mitglieder der Bundesregierung jährlich Millionen Euro für diverse Werbekampagnen ausgeben?

8.    Wie gedenkt die Bundesregierung den durch die Causa Dr. Ernst Strasser verursachten  Vertrauensverlust  in  die  österreichische  Europapolitik  zu kompensieren, insbesondere in Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen über ein atomenergiefreies Europa?

9.    Was werden  Sie  konkret unternehmen,  damit Slowenien  das  auf einer Erdbebenlinie liegende Atomkraftwerk Krsko schließt und nicht wie geplant  noch weiter ausbaut?

10. Wird die Bundesregierung wegen der Genehmigung der Laufzeitverlängerung für das AKW Isar 1  ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten, zumal die Parteienstellung Österreichs im Rahmen des UVP - Verfahrens missachtet wurde?

11. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Kroatien als 50 Prozent- Eigentümer am AKW Krsko auf eine Stilllegung des Schrottreaktors drängt?

12.Werden Sie sich auf europäischer Ebene für die Einführung einer national einzuhebenden EU-Steuer auf Kernbrennelemente einsetzen, um diese Mittel dann zweckgebunden zum Aufbau alternativer Energiegewinnung innerhalb der EU heranziehen zu können?

13.Welche konkreten rechtlichen Schritte wird die Bundesregierung wegen der Nichtdurchführung einer EU-rechtskonformen UVP im Zuge des Ausbaus der Blöcke 3 und 4 des AKW Temelin setzen?

14.Welche konkreten rechtlichen Schritte wird die Bundesregierung wegen der Nichtdurchführung einer EU-rechtskonformen UVP im Zuge des Ausbaus des AKW Mochovce setzen?

15.Was haben Sie unternommen, um die offenen Sicherheitsfragen des Melker Abkommens einer Erledigung zuzuführen, zumal die interparlamentarische Temelin-Kommission seit 2008 keine Ergebnisse brachte und bis dato die Probleme bei den Ventilen und der 28-Meter-Bühne nicht behoben sind?

16.Welche Ergebnisse erwarten Sie sich von den Stresstests für Atomkraftwerke  in  Europa,  wenn  diese  lediglich  die  Schutzhülle,  die  Statik  und  die Erdbebensicherheit zum Inhalt haben?


17.Welche Schritte wird die Bundesregierung setzen, um Österreich tatsächlich energieautonom zu machen und sehen Sie eine Möglichkeit bereits bis 2020 eine Energieimportunabhängigkeit auf dem Stromsektor zu erreichen?

18.Wann wird die Bundesregierung die nächsten Schritte für eine Novellierung  des Ökostromgesetztes ins Auge fassen und welche inhaltlichen Aspekte werden für eine allfällige Regierungsvorlage maßgeblich sein?

19.  Welche  Schritte  zur  Ökologisierung  des  Steuersystems   in   Richtung Verursacherprinzip   in   den   Bereichen  Energiewirtschaft,  Verkehr  und Schadstoffemissionen wird die Bundesregierung setzen?

20.  Wird  die  Bundesregierung  hinsichtlich  des  an  der  österreichisch- tschechischen  Grenze  geplanten  Atom-Restmüll-Lagers  eine  möglichst frühzeitige   Einbeziehung    Österreichs    im    Rahm   einer Umweltverträglichkeitsprüfung verlangen?

21. Sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt mögliche grenznahe Standorte für Atom- Restmüll-Lager in Österreichs Nachbarstaaten bekannt und wenn ja wie ist der Stand der Verfahren?

22.     Sind Ihnen Bestrebungen bekannt, in Österreich ein Atom-Restmüll-Lager zu errichten  und  wenn ja,  was gedenkt die Bundesregierung  dagegen  zu unternehmen?

23.  Gibt es Bestrebungen, die Zwischenlagerstätte Seibersdorf in ein Atom-Müll- Endlager umzubauen?

24.  Sind Sie der Ansicht, dass das von Bundesminister Darabos und Ihnen favorisierte  Heeresmodell  ohne  Wehrpflicht   die  Möglichkeit  eines ausreichenden Katastrophenschutzes im Falle eines Zwischenfalles in einem grenznahen Kernkraftwerk gewährleisten würde?

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller die Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.