8110/J XXIV. GP
Eingelangt am 30.03.2011
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ANFRAGE
des Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde
betreffend unzureichende EU-Informationspolitik der Regierung gegenüber dem Nationalrat
Laut Artikel 23 e der österreichischen Bundesverfassung hat der zuständige Bundesminister „den Nationalrat und den Bundesrat unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben“. Von einer Einhaltung dieser Verpflichtung kann gegenwärtig nicht die Rede sein. So wurden die Entwürfe des Paktes für den Euro, auf den sich die Staats- und Regierungschefs am 10.März 2011 geeinigt hatten, von der Regierung nicht an den Nationalrat übermittelt. In Deutschland musste die Bundesregierung nach einem sehr kritischen Schreiben des Bundestagspräsidenten Lammert (CDU) eingestehen, dass doch bereits Entwürfe des Paktes zirkulierten und übermittelte den aktuellen Entwurf noch vor dem Europäischen Rat am 10.3. Dieses Dokument mit der Dokumentennummer SN 1746/11 – „Entwurf - Ein Pakt für den Euro“ wurde dem Nationalrat nicht zugeleitet, obwohl es sich eindeutig um ein EU-Vorhaben handelt.
Darüber hinaus einigten sich am Montag dem 21.3.2011 die Finanzminister der Eurozone auf die wesentlichen Leitplanken des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und soweit bekannt, wurden diese vom Europäischen Rat am 24./25.3. auch so beschlossen. Das Magazin „Der Spiegel“ hatte offenbar Vorausinformationen: vgl. Ausgabe vom 21.3., S.84. Andere Printmedien berichteten in den Folgetagen: vgl. „Die Presse“ und „Standard“ vom 22.3., „Salzburger Nachrichten“, „Neue Zürcher“ und „Financial Times“ vom 23.3., usw. Hingegen unverzügliche offizielle Unterrichtung der Abgeordneten des Nationalrates nach dem Treffen der Finanzminiser: Null.
So mussten die Abgeordneten im Zuge der parlamentarischen Debatte mit dem Bundeskanzler und dem Finanzstaatssekretär im EU-Hauptausschuss am 23.3. auf der Grundlage veralteter und unpräziser Papiere diskutieren, obwohl zumindest im BMF Unterlagen über die zwei Tage zuvor erfolgte Einigung vorhanden waren.
Dies widerspricht den eingangs zitierten verfassungsrechtlichen Bestimmungen eklatant.
In einem von den Abgeordneten der Regierungsparteien eingebrachten und beschlossenen Antrag im Hauptausschuss vom 23.3. findet sich die Passage, „Die wesentlichen Fragen des ESM wurden in der „Eurogruppe+“ bereits im März geklärt“. Da dem Parlament diesbezüglich keine Informationen übermittelt wurden, stellt sich die Frage, ob die Regierung die Fraktionen von SPÖ und ÖVP im Parlament anders über ihre Arbeit auf EU-Ebene informiert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
Wie ist diese Vorgehensweise mit der in Art 23 e festgeschriebenen „unverzüglichen“ Unterrichtung und des Einräumens der Gelegenheit zur Stellungnahme vereinbar?