8111/J XXIV. GP

Eingelangt am 30.03.2011
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Van der Bellen, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend unzureichende Informierung des Nationalrates über EU-Vorhaben

 

 

Laut Artikel 23 e der österreichischen Bundesverfassung hat der zuständige Bundesminister „den Nationalrat und den Bundesrat unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben“. Von einer Einhaltung dieser Verpflichtung kann gegenwärtig nicht die Rede sein. Das aktuellste und dramatischste Beispiel dafür ist die mangelhafte Informationspolitik der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Ausweitung des Euro-Rettungsschirmes. Es handelt sich dabei um ein essentielles Vorhaben der Union, welches von österreichischer Seite 2,2 Mrd. Euro Direkt-Einzahlung innerhalb der nächsten fünf Jahre vorsieht und  für das 17,3 Mrd. Euro im Bedarfsfall abzurufendes Kapital und Garantien bereit gestellt werden müssen. Diese Summe wird vom Nationalrat noch genehmigt werden müssen. Doch statt dem Nationalrat laufend die notwendigen Informationen zu geben, stellt die Regierung die Abgeordneten vor vollendete Tatsachen.

 

Am Montag dem 21.3.2011 einigten sich die Finanzminister der Eurozone auf die wesentlichen Leitplanken des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und soweit bekannt, wurden diese vom Europäischen Rat am 24./25.3. auch so beschlossen. Das Magazin „Der Spiegel“ hatte offenbar Vorausinformationen: vgl. Ausgabe vom 21.3., S.84. Andere Printmedien berichteten in den Folgetagen: vgl. „Die Presse“ und „Standard“ vom 22.3., „Salzburger Nachrichten“, „Neue Zürcher“ und „Financial Times“ vom 23.3., usw. Hingegen unverzügliche offizielle Unterrichtung der Abgeordneten des Nationalrates: Null.

 

So mussten die Abgeordneten im Zuge der parlamentarischen Debatte mit dem Bundeskanzler und dem Finanzstaatssekretär im EU-Hauptausschuss am 23.3. auf der Grundlage veralteter und unpräziser Papiere diskutieren, obwohl zumindest im BMF Unterlagen über die zwei Tage zuvor erfolgte Einigung vorhanden waren.

Dies widerspricht den eingangs zitierten verfassungsrechtlichen Bestimmungen eklatant.


Erhellend – was die praktisch inexistente Informationspolitik des BMF betrifft – ist die Homepage des Ministeriums, Stichwort ECOFIN-Rat, Stand vom Montag 28.3. Obwohl es 2011 schon mehrere Treffen des ECOFIN-Rates sowie der Euro-Gruppe gab, findet sich auf der Homepage ein einziger Eintrag für 2011, nämlich über die Sitzung vom 18.1. Online gestellt wurde dieser am 24.3, mehr als zwei Monate später!

 

 

Die Ereignisse der Woche 21.-25.3. sind kein Einzelfall.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Wie viele Sitzungen des ECOFIN-Rates fanden im Jahr 2010 und 2011 statt?

 

  1. Wie viele Treffen der Finanzminister der Eurogruppe fanden im Jahr 2010 und 2011 statt?

 

  1. Wie viele Dokumente über den Inhalt der Beratungen der in den Fragen 1 und 2 angesprochenen Sitzungen wurden vom BMF an das Parlament weitergeleitet (Tagesordnungen ausgenommen)?

 

  1. In wie vielen Fällen handelte es sich dabei um

 

    1. die Weiterleitung von EU-Dokumenten?
    2. die Übermittlung eigener Papiere, Zusammenfassungen, Protokolle durch das BMF oder durch die BMF-VertreterInnen in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU?
    3. Wann wurden diese Dokumente an das Parlament übermittelt?

 

  1. Für den EU-Hauptausschuss am 23.3. wurde am späten Vorabend vom BMF gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt ein Papier übermittelt. Stand der darin enthaltenen Informationen: 18.3. Laut Medienberichten kam es am 21.3. in der Eurogruppe zu weitgehenden Einigungen betreffend den ESM. Während man also im Ministerium bereits über die Einigung Bescheid wusste, wurde dem Parlament ein veraltetes Papier für die Diskussion mit dem Bundeskanzler und dem Staatssekretär zur Vorbereitung des Europäischen Rates übermittelt.

Wie ist diese Vorgehensweise mit der in Art 23 e festgeschriebenen „unverzüglichen“ Unterrichtung und dem Einräumen der Gelegenheit zur Stellungnahme vereinbar?

 

  1.  Bezugnehmend auf die in der Begründung dieser Anfrage angeführten Zeitungsartikel ist anzunehmen, dass die darin zitierten Prozentsätze und Beträge des österreichischen Anteils am zukünftigen ESM auch schriftlich festgehalten wurden.

    1. In welcher Form wurden die Ergebnisse des Euro-Gruppen Gipfels festgehalten?
    2. Wann wurde das Parlament über diese Ergebnisse informiert?
    3. Falls es keine Information gab: Warum wurde das Parlament nicht informiert?

 

 

  1. Gab es bereits vor dem Treffen am 21.3. schriftliche Vorschläge als Diskussionsgrundlage, wie ein Artikel des „Spiegel“ vom 21.3. nahe legt?
    1. Wenn ja: Warum wurden diese nicht an das Parlament weitergeleitet?
    2. Wenn nein: Auf welcher Ebene liefen die Vor-Verhandlungen und in welcher Weise wurde das Parlament darüber informiert?

 

  1.  In welcher Form unterrichteten Sie bzw. Ihre Vertreter den Bundeskanzler über die Ergebnisse der Eurogruppen-Sitzung vom 21.3.?