8140/J XXIV. GP
Eingelangt am 30.03.2011
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ANFRAGE
der Abgeordneten Gartelgruber
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend die WIG - Wörgler Infrastruktur GmbH
Am 22.12.2010 wurde die schriftliche Anfrage 7319/J der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die WIG - Wörgler Infrastruktur GmbH eingebracht, welche am 22.02.2011 durch 7178/AB beantwortet wurde. Aus dieser Antwort ergeben sich verschiedene weitere Fragen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird:
1. In der Beantwortung 7178/AB zu Pkt 2 und 3 der Anfrage 7319/J führen Sie aus, der angesprochene Grundsatz von Treu und Glauben sei "nur anwendbar, wenn für die Abgabenbehörde ein Vollzugsspielraum besteht,...".
In den Richtlinien des BMF zum Grundsatz von Treu und Glauben (BMF-010103/0023-VI/2006) werden verschiedene Arten von Amtshandlungen und Erledigungen beschrieben, für welche der Grundsatz von Treu und Glauben offensichtlich zur Anwendung kommen soll.
2. In der Beantwortung 7178/AB zu Pkt 2 und 3 der Anfrage 7319/J führt der Bundesminister für Finanzen weiters aus, dass "dem Legalitätsprinzip (Art 18 B-VG) Vorrang vor dem Grundsatz von Treu und Glauben" zu käme.
In den Richtlinien des BMF zum Grundsatz von Treu und Glauben wird in Pkt 1, letzter Absatz dargestellt, dass zwischen dem zitierten Legalitätsprinzip und dem Grundsatz von Treu und Glauben als Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit kein Widerspruch besteht.
3. In der Beantwortung 7178/AB zu Pkt 5 der Anfrage 7319/J führt der Bundesminister für Finanzen aus, dass sich, soweit für die gegebene Problematik relevant, weder die umsatzsteuerlichen Rechtsgrundlagen noch die Rechtsauslegung durch das BMF geändert hätten. Zitiert wird weiters ein Erlass vom 7.11.2003, Zl. 09 1202/28-IV/9/03, durch welchen die aktuell gültige Rechtsauffassung des BMF über die Rz 274 UStR 2000 erstmals veröffentlicht wurde.
Auf S 2 der Anfrage 7319/J wurde der chronologische Ablauf des gegenständlichen Falles tabellarisch festgehalten. Es sei darauf hingewiesen, dass die Anfrage der WIG an das sachlich und örtlich zuständige Finanzamt
Kufstein Schwaz am 5.12.2003 und die Beantwortung der Anfrage durch dieses Finanzamt am 17.12.2003 ergangen ist.
Es ist daher zu unterstreichen, dass die Anfrage an und die Beantwortung durch das Finanzamt nach Veröffentlichung des oben zitierten Wartungserlasses gemacht wurden. Der Inhalt des Wartungserlasses hätte daher von den zuständigen Organen im Finanzamt in ihrer Auskunft berücksichtigt werden müssen.
4. Im Rahmen der Beantwortung 7178/AB zu Pkt 5 der Anfrage 7319/J wird weiters das Umsatzsteuerprotokoll 2004 (Erlass vom 6.10.2004, Zl. 01 0219/38-IV/9/04) mit angeblichen inhaltlich relevanten Klarstellungen zitiert, die auch die vorliegende Causa WIG betreffen.
Auf S 2 der Anfrage 7319/J wurde der chronologische Ablauf des gegenständlichen Falles tabellarisch festgehalten. Es sei darauf hingewiesen, dass die Anfrage der WIG an das sachlich und örtlich zuständige Finanzamt am 5.12.2003 und die Beantwortung der Anfrage durch dieses Finanzamt am 17.12.2003 ergangen ist. In diesem Fall wären Anfrage und Beantwortung durch das Finanzamt chronologisch vor dem zitierten Erlass des BMF gelegen.
In Pkt 3.1, S 6 der Richtlinien des BMF zum Grundsatz von Treu und Glauben wird festgelegt, dass Rechtsauskünfte nicht vorbehaltlich unveränderter Rechtssprechung oder nicht ergehender künftiger Erlässe oder Weisungen durch Oberbehörden erfolgen dürfen.
5. In Pkt 4, S 8 der Richtlinien des BMF zum Grundsatz von Treu und Glauben wird festgelegt, dass "Rechtsauskünfte der zuständigen Abgabenbehörden erster Instanz unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht nur für erstinstanzliche Abgabenverfahren, sondern auch für das Berufungsverfahren und für aufsichtsbehördliche Maßnahmen der Oberbehörde (zB für Weisungen) bedeutsam" sind.
6. In der Beantwortung 7178/AB zu Pkt 7 und 9 der Anfrage 7319/J führt der Bundesminister für Finanzen aus, dass der bundesweite Fachbereich zur Erteilung von Weisungen an die Finanzämter befugt ist.
7. In der Beantwortung 7178/AB zu Pkt 8 der Anfrage 7319/J führt der Bundesminister für Finanzen aus, dass der bundesweite Fachbereich seine Legitimation zur Intervention in das fragliche Abgabenverfahren der WIG auf § 8 Abs 2 AVOG sowie - darauf aufbauend - auf § 3 AVOG-DV, somit also auf die Einrichtung der Steuer- und Zollkoordination, stützt.
Recherchen im Internet ergaben, dass vom BMF über die zitierten Bestimmungen insgesamt 5 regional zuständige Steuer- und Zollkoordinationen eingerichtet wurden. Die für das Verfahren der WIG örtlich zuständige ist dabei jene für die "Region West" mit Sitz in Innsbruck, umfassend die Bundesländer Tirol und Vorarlberg.
Wie auf S 1 der Anfrage 7319/J angeführt erfolgte die sachliche Bearbeitung des Falles seitens des bundesweiten Fachbereiches durch Herrn Dr Ferdinand Rößler. Uns wurde die telefonische Auskunft gegeben, dass sich der Dienstort von Herr Dr Rößler in Weiz in der Steiermark befindet. Die Steiermark gehört jedoch gemeinsam mit Kärnten in den Zuständigkeitsbereich der Steuer- und Zollkoordination "Süd" mit Sitz in Graz.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nachstehende
Anfrage
1. Darf für den konkreten Sachverhalt (vgl Anfrage 7319/J) daher als offizielle Ansicht des BMF angenommen werden, dass der Grundsatz von Treu und Glauben auch für Auskünfte (Pkt 3.1, S 5 der Richtlinien) bzw für von der zuständigen Abgabenbehörde ausdrücklich als rechtmäßig anerkannte und bei der Veranlagung zugelassene Vorgangsweisen (Pkt 3.2, S 7 der Richtlinien) zur Anwendung zu kommen hat (zu 1)?
2. Darf für den konkreten Sachverhalt (vgl Anfrage 7319/J) daher als offizielle Ansicht des BMF angenommen werden, dass der wiederholte Verweis auf das Legalitätsprinzip in der Beantwortung 7178/AB am Kern des Problems vorbei geht und der in der Beantwortung angedeutete Widerspruch zwischen diesen beiden Rechtsgrundsätzen für die Zwecke des vorliegenden Falles gar nicht existiert (zu 2)?
3. Darf für den konkreten Sachverhalt (vgl Anfrage 7319/J) daher angenommen werden, dass eine nachträglich als unrichtig erkannte Rechtsauskunft iSd Pkt 3.1 der Richtlinien des BMF zum Grundsatz von Treu und Glauben sowie die aaO aufgelisteten Anwendungsvoraussetzungen vorliegen (zu 3)?
4. Darf in diesem Fall für den konkreten Sachverhalt (vgl Anfrage 7319/J) daher angenommen werden, dass auf die vom zuständigen Finanzamt erteilten Auskünfte im Zeitpunkt ihrer Erteilung unbeachtlich künftiger Meinungsänderungen oder -präzisierungen seitens des BMF vertraut werden durfte und daher der Grundsatz von Treu und Glauben zur Anwendung zu kommen hat (zu 4)?
5. Darf für den konkreten Sachverhalt (vgl Anfrage 7319/J) daher als offizielle Ansicht des BMF angenommen werden, dass auch der UFS als Abgabenbehörde 2. Instanz in dieser Hinsicht an die Auskunft durch das Finanzamt gebunden ist (zu 5)?
6. Inwiefern sieht der Bundesminister für Finanzen in diesem Zusammenhang die oben in Pkt 5 dieser Anfrage angeführte Bindung des Grundsatzes für Treu und Glauben für weisunggebende Oberbehörden durch den bundesweiten Fachbereich mit seiner abweichenden Rechtsauffassung eingehalten bzw verletzt (zu 6)?
7. Inwiefern kann nun das Verfahren eines Tiroler Abgabenpflichtigen (der WIG) durch jemanden beeinflusst oder erledigt werden, der örtlich für Kärnten und die Steiermark, nicht aber für Tirol zuständig ist (zu 7)?
8. Erfüllt die offenkundig nach umfassender Vorinformation erfolgte Intervention des örtlich unzuständigen Herrn Dr Rößler die Tatbestände der Verletzung des Amtsgeheimnisses, der Verletzung der abgabenrechtlichen Geheimhaltung und der Verletzung des Datenschutzes (zu 7)?