8163/J XXIV. GP

Eingelangt am 31.03.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Bayr und GenossInnen an den Bundesminister für Land- und

Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend Immissionsschutz Gesetz-Luft (IG-L) und Landwirtschaft.

Laut der Grundlagenstudie des österreichischen Umweltbundesamtes,
Schwebestaub in Österreich - Fachgrundtagen für eine kohärente österreichische
Strategie zur Verminderung der Schwebestaubbelastung",
stellt sekundärer
Feinstaub, insbesondere Ammoniumnitrat, eine wesentliche Verursacherquelle f
ür
die
hausgemachte Feinstaubbelastung in Österreich dar. Ammoniumnitrat bildet
sich in der Atmosph
äre aus den Vorläufersubstanzen Stickoxiden (Hauptquelle
Verkehr) und Ammoniak (Hauptquelle Landwirtschaft) bei kalten Temperaturen
heraus und wird somit ausgerechnet in den Herbst- und Wintermonaten relevant, in
denen in Österreich die meisten Tagesgrenzwertüberschreitungen bei PM10 zu
verzeichnen sind. Die Studie des Umweltbundesamtes veranschlagt Ammoniumnitrat
mit bis zu 40% der PM10-Belastung in den Wintermonaten. Auch AQUELLA, eine
Studie der TU-Wien im Auftrag mehrerer Bundesl
änder, kommt ebenfalls zum
Ergebnis, dass Ammoniumnitrat einen wesentlichen Bestandteil der
Hintergrundbelastung von Sanierungsgebieten mit wiederholten
Grenzwert
überschreitungen in Wien, Graz, Salzburg und Niederösterreich
ausmacht.

Aufgrund seiner Beschaffenheit und Größe (< 2,5 μm) kann Ammoniumnitrat bis zu
1000 km verfrachtet werden. Die Ammoniak-Emission dazu stammt zum
überwiegenden Teil (96 %) aus der Landwirtschaft. Die Verursacherquelle hierfür ist
die (Intensiv)-Tierhaltung, insbesondere Stallabluft, und Wirtschaftsdüngerlagerung.
Besonders problematisch erweisen sich hier offene Lager f
ür Geflügelkot sowie
offene G
ülle- und Festmistlager in der Schweinehaltung. Eine Abdeckung von
G
üllebecken ist derzeit nicht einmal aufgrund des Stand der Technik
(
Österreichisches Kuratorium für Landtechnik, Merkblatt Nr. 24) zwingend
vorgesehen, soferne ein B
ürgermeister als erstinstanzliche
Baugenehmigungsbehörde dies überhaupt beanstanden möchte. Auch das EU-
rechtlich vorgeschriebene Ausbringungsverbot von G
ülle zwischen 15. Oktober und
15. Februar wird durch zahlreiche Ausnahmen durchl
öchert.

Als besonders problematisch erweisen sich Biogasanlagen. Gewerbliche Biogas-
Anlagen gem
äß dem Genehmigungsregime des AWG werden nur nach Stand der
Technik zugelassen und in periodischen Abst
änden von behördlich befugten
Sachverst
ändigen kontrolliert. Dies ist leider nicht der Fall für Biogas-Anlagen, die
entweder gem
äß ELWOG oder Gewerbeordnung, insbesondere aufgrund der
Ausnahmebestimmungen f
ür die Landwirtschaft in §2, genehmigt wurden, obwohl


gerade die Anlieferung, Manipulation und Zwischenlagerung von Dünger, biogener
Rückstände und Biomasse geruchsintensiv ist und bei unsachgemäßer Behandlung
extrem umweltsch
ädlich (zB Entweichen von Methangas und Auswirkungen auf das
Klima) bzw zu bereits beschriebener Bildung von Feinstaub führt.

Die Bildung von sekundärem Feinstaub aus landwirtschaftlichen Quellen stellt ein
Problem für die Einhaltung des Immissionsgrenzwertes PM10 (in Zukunft auch PM2,5)
in vorwiegend städtischen Gebieten dar, wo Ammoniak nicht unmittelbar emittiert
wird. Eine effektive Bekämpfung von Feinstaub setzt daher nicht nur auf Ebene der
Länder an, sondern muss durch bundesweit geltende Vorschriften abgesichert
werden und auch die Landwirtschaft einbeziehen.

Der Nationalrat hat daher 2010 mit der Novellierung des Immissionschutzgesetz-Luft
beschlossen, dass bundesgesetzlich für landwirtschaftliche Produktionsanlagen
Vorschriften nach dem Stand der Technik erlassen werden sollen, die von den
Landeshauptleuten in ihrem Wirkungsbereich aufgrund der Verfrachtungsproblematik
nicht alleine gesetzt werden können und dem bekannten Floriani Prinzip  bei der
Feinstaub-Verminderung ein Ende bereiten sollen. Zur Erinnerung: Der Wortlaut der
neuen Gesetzesbestimmung, der Sie zur Beschlussfassung einer Verordnung
erm
ächtigt, lautet wie folgt:

IG-L, §21(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft kann mit Verordnung bestimmte Kategorien von Anlagen, die
gem
äß Abs. 1 genehmigungspflichtig sind, hinsichtlich ihrer Art,
Produktionskapazit
ät, thermischen Leistung oder Massenströme festlegen. In der
Verordnung können auch Genehmigungsvoraussetzungen, insbesondere der Stand
der Technik (§ 2 Abs. 8 Z 1 AWG 2002), für die genehmigungspflichtigen Anlagen
oder Anlagenteile, insbesondere f
ür Biogasanlagen, festgelegt werden. Bei der
Erlassung dieser Verordnung ist von den Grunds
ätzen des § 9b auszugehen.

Die unterzeichneten Abgeordneten ersuchen den Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft um die Beantwortung folgender

Anfrage:

1.         Inwiefern sind Sie diesbezüglich der gesetzlichen Ermächtigung durch den
Nationalrat mit heutigem Tag nachgekommen? Bis wann werden Sie eine
Verordnung basierend auf § 21 Abs 2 IG-L angesichts drohender EU-
Vertragsverletzungsverfahren zur Nicht-Einhaltung des
Immissionsgrenzwertes PM10 beschließen?

2.     Offene Mist- und Güllelager führen zu massiven Ammoniakemissionen,
insbesondere bei Schweine- und H
ühnermist. Eine Abdeckung von
Güllelagern nach dem Stand der Technik (zB DIN 11622 oder TKL) würde den
Eintrag von Ammoniak und Geruchsstoffen im Nahbereich von
landwirtschaftlichen Produktionsst
ätten, auch zugunsten von betroffenen
Anrainern, erheblich vermindern und in den feinstaub-relevanten
Wintermonaten zu einer Senkung von PM10-
Tagesgrenzwert
überschreitungen beitragen. Werden Sie hierfür ihre
gesetzliche Kompetenz in Anspruch nehmen und derartige Abdeckungen von
Güllelagern und sonstige Lagerungen nach dem Stand der Technik
verordnen? Wenn nein, warum nicht?


3.         Wie weit ist eine zufriedenstellende Abstandhaltung von Tierhaltungsanlagen
im Nahbereich von Wohngebieten und Sozialeinrichtungen (zB Kindergarten
und Krankenhäuser) in einer Verordnung basierend auf auf § 21 Abs 2 IG-L
enthalten?

4.    Ist die Anwendung moderner Technik, wie der Einbau von Filtern und
Wäschern bei hoher Tierkonzentration je Betrieb bzw. bei kumulierenden
Situationen als Lösungsansatz in der künftigen VO vorgesehen?

5.         Wie weit sind stichprobenweise Überprüfungen der projektkonformen bzw,
(bau)bescheidkonformen Betriebsführung von Tierhaltungsbetrieben in der VO
(als Qualitätssicherungsmaßnahme) enthalten?

6.         Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) ist in Deutschland
eine Verwaltungsvorschrift zur Genehmigung von Anlagen und zur
nachtr
äglichen Anordnung bei bestehenden genehmigungsbedürftigen
Anlagen zum Zweck des dortigen Immissionschutzgesetzes Luft. Die TA Luft
enthält Grundsätze für die Beurteilung von Projekten, Messvorschriften sowie
Höchstwerte für die rechtlich zulässige Schadstoffabgabe an die Umwelt. Bei
Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren wird ua von der TA
LUFT vorgeschrieben, dass

a.   eine an den Nährstoffbedarf der Tiere angepasste Fütterung (z.B.
verbindliche Mehrphasenfütterung) sicherzustellen ist

b.   eine Überprüfung der Vermeidung von Emissionen an Keimen und
Endotoxinen nach Stand der Technik vorzunehmen ist

c.   Mindestabstände von Anlagen zu Wohnbebauung einzuhalten sind

d.   eine größtmögliche Sauberkeit und Trockenheit im Stall einzuhalten ist

e.   eine Verringerung der Geruchsemissionen im Stall von anfallenden
Kot-und Harnmengen bei Fl
üssigmistsystemen durch kontinuierliche
Überführung zu externen Güllelagern vorzunehmen bzw zwischen
Stallraum und au
ßen liegenden Flüssigmistkanälen und
Flüssigmistbehältern ein Geruchsverschluss vorzusehen ist

f.    in der Käfig- bzw. Volierenhaltung bei der Hühneraufzucht eine
Kotbandtrocknung oder Kotbandbelüftung (Trocknungsgrad mindestens
60 von Hundert) vorzusehen bzw getrockneter Gefl
ügelkot so zu lagern
ist, dass eine Wiederbefeuchtung (z.B. durch Regenwasser) im
Anlagenbereich ausgeschlossen ist.

Wird Ihre Verordnung gemäß IG-L, § 21(2) betroffenen AnrainerInnen in
Österreich den gleichen und in allen Bundesländern einheitlich angewandten
Standard wie in Deutschland sicherstellen?

7.   Wird diese Verordnung für Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von
Nutztieren gelten, die deutlich unter der vom UVP-Gesetz vorgeschriebenen
Schwellenwerten (40 000 Legehennen-, Junghennen-,

Mastelterntier- oder Truthühnerplätze 42 500 Mastgeflügelplätze, 1 400
Mastschweineplätze, 450 Sauenplätze) liegen?

8.    Wenn nein, wie können Sie dies umweltpolitisch rechtfertigen?


9.      Wie viele Biogasanlagen gibt es, die aufgrund der Ausnahmebestimmung in
§2 der Gewerbeordnung genehmigt wurden, und wie hoch ist ihre
Gesamtleistung in MW?

10.       Wie viele Biogasanlagen wurden aufgrund ELWOG genehmigt und wie hoch
ist ihre Gesamtleistung in MW?

11. Werden Sie Vorschriften gemäß IG-L, § 21(2) erlassen, die für alle
Biogasanlagen folgende Kriterien

g.  periodische Kontrollen im Zeitraum von 5 Jahren von befugten

                 Personen oder Fachanstalten zur Einhaltung der gesetzlichen und

     bescheidmäßigen Anforderungen
h. eine Anlagerung, Manipulation oder Zwischenlagerung von Biomasse in

     geschlossenen Räumen
i.   eine Lagerung von Schlamm und aus dem Fermentersystem

     ausgetragenen Feststoffen in abgedeckten Containern
j.   eine Abdeckung von Flüssigmistbehältern
k.  eine gasdichte Ausf
ührung des gasführenden Systems zur Lagerung

                 des Biogases vorschreiben?                

12.  Die Republik Österreich hat das Protokoll über weiträumige
grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die Verringerung von
Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon der
Wirtschaftskommission f
ür Europa der Vereinten Nationen (UN/ECE)
unterzeichnet, allerdings noch nicht ratifiziert. F
ür die Umsetzung dieses
Übereinkommens bedarf es jedoch bundesweit einheitlicher
Emissionsgrenzwerte f
ür stationäre Motoren. Diese Grenzwerte sind
beispielsweise in Zusammenhang mit Gasmotoren in Biogasanlagen von
Bedeutung. Warum ist bis heute keine Ratifizierung erfolgt?

13.  Wann werden diesbezüglich Schritte unternommen?