8175/J XXIV. GP

Eingelangt am 31.03.2011
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Markowitz

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend Anerkennung von Religionsgemeinschaften

Basierend auf dem Staatsgrundgesetz von 1867 werden jeder anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft bestimmte Grundrechte eingeräumt. Wie die Anerkennung erreicht werden kann, wurde allerdings erst 1874 im Anerkennungsgesetz festgelegt. Durch die Anerkennung als Religionsgemeinschaft haben die jeweiligen Gläubigen ein Recht auf die Erteilung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, auf die Errichtung konfessioneller Privatschulen, auf die selbstständige Ordnung und Verwaltung der inneren Angelegenheiten, auf  öffentliche Religionsausübung, usw. Zahlreiche Vereine und Bekenntnisgemeinschaften kämpfen um die Anerkennung. Während die Zeugen Jehovas dies bereits geschafft haben, kämpfen Scientology (Scientology Kirche Österreich), Bahá’i-Religionsgemeinschaft in Österreich, die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich und viele andere noch dafür.

Die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft gibt es seit Dezember 2010, nachdem das Kultusamt zuvor den Antrag auf Anerkennung als selbständige Bekenntnisgemeinschaft abgelehnt, der Verfassungsgerichtshof aber daraufhin den negativen Bescheid zurückgewiesen hat. Die Begründung des Kultusamtes, in Österreich gebe es mit der IGGiÖ bereits eine Vertretung aller Muslime, hat der VfGH als verfassungs- und menschenrechtswidrig eingestuft (Entscheid vom 1.12.2010, B 1214/09).

Die „Föderation der Aleviten Gemeinden in Österreich“, die eigentlich als bundesweiter Dachverband fungiert, wurde nicht als Bekenntnisgemeinschaft anerkannt. 2009 hatten beide Vereine einen Antrag auf Anerkennung eingebracht. Grund für die zwei fast identischen Anträge war, dass die Wiener in ihrer Version auf die Bezeichnung „islamisch“ bestanden, während die „Föderation“ das Alevitentum als eigenständige Religion bezeichnet. Außerdem wollte der Wiener Verein durch diese Bezeichnung eine Änderung des Islamgesetzes herbeiführen, das bis dahin alle Muslime rechtlich unter sich vereinte. Der Wiener Religionsrechts-Experte Richard Potz räumt der AABF mit ihrer VfGH-Beschwerde sehr gute Chancen ein.


Tür und Tor für die Gründung weiterer Islamischer Glaubensgemeinschaften in Österreich sind also geöffnet, im Dezember 2010 haben noch drei weitere islamische Vereinigungen die Anerkennung selbstständige Glaubensgemeinschaft beantragt (Sunniten, Schiiten und die Initiative Liberaler Muslime). Konsequenzen dürfte dies zukünftig auch für die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) haben. Die bisherige Rechtsauffassung, dass die IGGiÖ als den einzigen Vertretungskörper aller Muslime darstellt, hat der VfGH nun im Dezember 2010 deutlich widerlegt, indem er feststellte, nirgendwo wäre herauszulesen, dass es nur eine einzige Islamische Glaubensgemeinschaft geben dürfe.

 

In diesem Sinne stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur folgende

 

ANFRAGE:

 

  1. Im Hinblick auf oben beschriebenes Szenario und unter Berücksichtigung der Ankündigung bei Ihrem Amtsantritt, das Islamgesetz rasch reformieren zu wollen: Warum haben Sie das Islamgesetz noch nicht reformiert? Haben Sie vor dies zu tun, wenn ja, wann?

2.      Welche islamischen Vereinigungen bzw. Strömungen haben bis zum Einlangen dieser Anfrage einen Antrag auf Anerkennung als selbstständige Bekenntnisgemeinschaft gestellt?

3.      Welche nicht islamischen Vereinigungen haben bis zum Einlangen  dieser Anfrage einen Antrag auf Anerkennung als selbstständige Bekenntnisgemeinschaft gestellt?

4.      Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten der jeweiligen Antragssteller und wann kann mit einem Ergebnis gerechnet werden?

5.      Führt die Anerkennung der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft als Bekenntnisgemeinschaft zu jeglicher Art von Konsequenzen für die IGGiÖ? Wenn ja, welche?

6.      Welche Konsequenzen hätte die Anerkennung der Schiitischen und Sunnitischen Glaubensgemeinschaft bzw. der Initiative Liberaler Muslime auf die IGGiÖ?

7.      Der VfGH hat anlässlich einer Klage durch den „Bund Evangelikaler Gemeinden“ und die „Mennonitische Freikirche“ die Wartefristen für die Staatliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften aufgehoben (G 58/10 und G59/10 vom 25.09.2010), da „solche Fristen ohne Ausnahme widersprechen dem Recht auf Nichtdiskriminierung im Bereich der Religionsausübung. Der VfGH hat dem Gesetzgeber eine Reparaturmöglichkeit bis zum 30.September 2011 eingeräumt.“ Werden Sie die diese Reperaturmöglichkeit wahrnehmen? Wenn ja, wann kann mit einem Gesetzesentwurf gerechnet werden?

8.      Wie lang wollen Sie die in Frage 6 erwähnten Wartefristen gestalten?

9.      Der türkische Dachverband Atib wird zukünftig nach den Wahlen stark in der IGGiÖ vertreten sein (Wiener Zeitung, 26.03.2011). Atib ist direkt beeinflusst und geleitet von DIYANET (dt. Präsidium für Religionsangelegenheiten), der türkischen Religionsbehörde. Wie beurteilen Sie das im Zusammenhang mit der IGGiÖ und unter der Berücksichtigung, dass viele Moscheen bzw. Gebetshäuser und Kulturzentren von Atib betrieben werden?