8342/J XXIV. GP
Eingelangt am 28.04.2011
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Gesundheit
betreffend Duogynonopfer in Österreich
Duogynon wurde in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts als Injektion und als Tablette sowohl als Schwangerschaftstest, aber auch zur Behandlung von Amenorrhöe eingesetzt. Durch die Einnahme des Hormonpräparates, welches die weiblichen Sexualhormone Progesteron und Östradiol enthielt, wurde innerhalb einer Woche eine Blutung ausgelöst; ein Ausbleiben derselben deutete mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft hin.
Im Jahr 1967 wies eine Ärztin in Großbritannien erstmals darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Duogynon und Missbildungen gäbe. Der Forschungsdirektor der britischen Schering-Tochterfirma schrieb in einem Brief an die Berliner Zentrale wörtlich: „Wir müssen bezüglich des möglichen Zusammenhangs von Primodos (in Großbritannien war Duogynon unter diesem Namen am Markt) und Geburtsschäden zu einer Lösung kommen. Als Hersteller ist es unsere moralische Pflicht, alles Menschenmögliche zu unternehmen, die Sicherheit unserer Produkte zu gewährleisten,“ nachdem er herausgefunden hat, dass Missbildungen bei Neugeborenen in Regionen mit höheren Duogynon-Verkaufszahlen auffallend häufig sind und
Im Juli 1969 antwortete Schering Berlin mit der Versicherung, dass eine bestehende Schwangerschaft durch die Einnahme von Primodos nicht beeinträchtigt würde.
1971 warnte erstmals in der Bundesrepublik der Arzneimittelinformationsdienst „Arznei-Telegramm" vor der Anwendung von Gestagen-Östrogen Kombinationen in der Frühschwangerschaft. Aber erst ein Jahr später, im November 1972 strich Schering die Indikation Schwangerschaftstest für Duogynon Dragees.
Im Jahr 1975 warnte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft vor der Anwendung von Duogynon bei Schwangeren, dennoch empfahl Schering weiterhin die Anwendung als Schwangerschaftstest.
Nach Schweden, Finnland, Belgien, Australien und den Niederlanden wird Duogynon auch in Großbritannien 1978 endgültig aus dem Verkehr gezogen. Schering Deutschland nahm im März desselben Jahres zunächst lediglich die Empfehlung von Duogynon für Schwangerschaftstests zurück. Im September wurde das Präparat in „Cumorit“ umbenannt, auf der Packung wurde der Hinweis aufgedruckt, dass es nur bei nachweislich nicht schwangeren Frauen eingesetzt werden solle. Drei Jahre später wurde das Präparat endgültig vom Markt genommen.
In den 1980er Jahren klagten hunderte Eltern von Kindern, die Wasserköpfe, Missbildungen der Extremitäten, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Herzfehler, Fehlbildungen der Genitalien, offenen Rücken oder offenen Harnröhren hatten, das deutsche Pharmaunternehmen Schering. Die damalige Rechtslage sah aber vor, dass die Opfer einen eindeutigen Nachweis hätten erbringen müssen, dass das Medikament an der Missbildung schuld sei, was nicht möglich war. Nachdem sich die Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland geändert hat, und jetzt die Pharmafirmen alle Unterlagen zu einem Medikament zur Verfügung stellen müssen, versuchen nun die Betroffenen, doch noch zu Ihrem Recht zu kommen! Die Firma Bayer jedoch weigert sich, sie hält die Vorwürfe für verjährt.
Die unterfertigen Abgeordneten stellen an den Bundesminister für Gesundheit folgende
Anfrage
1. Wie lange war das Präparat in Österreich auf dem Markt?
2. Wie oft wurde das Präparat in Österreich verschrieben?
3. Wie viele Opfer von Duogynon gibt es in Österreich?
4. Wie viele österreichische Opfer haben versucht, Schering zu klagen?
5. Haben die österreichischen Duogynonopfer von Ihrem Haus bereits Unterstützung im Kampf gegen Bayer bekommen?
6. Welche Unterstützung können Sie den österreichischen Duogynonopfern bieten?
7. Gab es von Seiten Ihres Ressorts bereits Gespräche mit der Firma Bayer?
8. Wenn ja, wann und mit welchen Ergebnis?
9. Wenn nein, weshalb hat man bislang auf entsprechende Gespräche verzichtet?