847/J XXIV. GP

Eingelangt am 10.02.2009
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

 

betreffend Auslaufen der Übergangsfristen zur Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes

 

 

Die zweite Phase der Übergangsfristen zur vollständigen Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn endet mit 1.Mai 2009. Im Regierungsprogramm wurde bereits angekündigt, die Frist erneut verlängern zu wollen und auch die dritte Phase bis 2011 in Anspruch zu nehmen.

 

Übergangsfristen stehen allerdings in Verdacht eine politische Scheinlösung zu sein, die illegale Beschäftigung weiter fördert, was wiederum Lohn- und Sozialdumping zur Folge hat. Denn Übergangsfristen führen zu zahlreichen illegalen Umgehungen und auch politischen Notlösungen. Umgehungspraxen reichen von der Ausweitung der Scheinselbstständigkeit oder Schwarzarbeit bis zu den politischen Notlösungen der Ausweitung der Saisonbeschäftigung – die Zahl der erteilten Beschäftigungsbewilligungen hat sich seit 2000 mehr als verdoppelt–  und der Schaffung von Ausnahmelisten für bestimmte Berufe. Auch die im November 2008 veröffentlichte Studie der EU-Kommission für Beschäftigung und Soziales zu den Übergangsfristen bestätigt den Verdacht, dass das partielle Geschlossen halten  der Arbeitsmärkte wenig an der tatsächlich vorhandenen Arbeitsmigration ändert bzw. Umgehungsformen und illegale Beschäftigung sogar fördert.

 

Denn auf diese Weise entstehen immer mehr Kategorien von ArbeitnehmerInnen mit unterschiedlicher arbeits- und sozialrechtlicher Einbettung in den österreichischen Arbeitsmarkt. Diese Entwicklung trägt zu einer Aushöhlung nationaler arbeits- und sozialrechtlicher Standards bei und führt zu mehr Druck, insbesondere in den unteren Lohngruppen und bei den gering qualifizierten Arbeitskräften. Das Problem ist daher nicht die Migration, sondern die Illegalisierung eines Teils der ArbeitnehmerInnen, der unzureichende ArbeitnehmerInnenschutz aller ArbeitnehmerInnen und das Gegeneinander-Ausspielen unterschiedlicher Gruppen von ArbeitnehmerInnen.

 

Sozialpartner und Regierung rechtfertigen die geplante erneute Verlängerung der Übergangsfristen mit dem Argument des Zeitgewinns für Maßnahmen zur Vorbereitung zur vollständigen Öffnung des Arbeitsmarktes.

 

Bisher vermissen wir jedoch effektive Maßnahmen gegen Lohndruck und Sozialdumping, wie beispielsweise notwendige gesetzliche Voraussetzungen, eine arbeitsmarktpolitische Qualifizierungsoffensive, eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Behörden und Gewerkschaften oder einem stärkeren Einsatz auf EU-Ebene zur Stärkung der ArbeitnehmerInnenrechte im Verhältnis zu den Freiheiten der Unternehmen im Binnenmarkt. Es ist daher fragwürdig, ob die verlängerten Übergangsfristen nun tatsächlich dafür genützt werden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

 

1)     Wann genau werden Sie der EU-Kommission mitteilen, dass Sie die Beschränkungen noch weitere zwei Jahre aufrechterhalten wollen? Wie werden Sie die „schwerwiegende Störung“ des Arbeitsmarktes argumentieren?  Wie wird die genaue Begründung lauten?

 

2)     Besonders seitens der SPÖ und der Gewerkschaften wird argumentiert, dass die Übergangsfristen voll genützt werden, um notwendige Maßnahmen gegen Lohndruck und Sozialdumping zu ergreifen. Welche Maßnahmen wurden bisher genau ergriffen? Welche weiteren Maßnahmen planen Sie im Detail zu dieser Aufgabenstellung bis zur endgültigen Öffnung 2011 und danach noch zu ergreifen?

 

3)     Ist es geplant Maßnahmen für eine effektivere Durchsetzung von Arbeitsrecht für alle ArbeitnehmerInnen zu ergreifen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

 

4)     Die Übergangsfristen werden damit gerechtfertigt, dass der heimische Arbeitsmarkt geschützt werden muss. Wie begründen Sie diese Schutzwirkung angesichts der bereits jetzt steigenden Anzahl der Umgehungsformen von unselbstständiger  Beschäftigung wie die der Scheinselbstständigkeit in den Bereichen Bau, Postdiensten, etc.  in Österreich?

 

5)     Wie stehen Sie zur massiven Ausweitung der Saisonierbeschäftigung seit 2000? Bitte führen Sie die genaue Zahl der erteilten kurzfristigen Beschäftigungsbewilligungen (§ 5 AuslBG) jährlich seit dem Jahr 2000 an.

Wie viele Beschäftigungsbewilligungen für Saisonarbeit wurden im Jahr 2008 erteilt? Wie groß ist das Kontingent für 2009? Werden Sie es weiter ausweiten?

 

6)     Wie viele im Jahr 2008 erteilten kurzfristigen Beschäftigungsbewilligungen wurden an BürgerInnen aus den von den Übergangsfristen betroffenen EU-10 Staaten vergeben? Wie viele davon an jene aus den EU-8 Staaten für die am 1.Mai die zweite Phase ausläuft? Wie viele davon an Drittstaatsangehörige?

 

7)   In welchen Bereichen kontrolliert die KIAB? Wie viele Kontrollen wurden im Jahr 2008 getätigt? Wie viele davon in welcher Branche? Wie viele und welche Übertretungen wurden bestraft? Wie wurden diese bestraft? Erhielten illegale Beschäftigte jemals Nachzahlungen zu vorenthaltenen Löhnen? Nennen Sie bitte genaue Zahlen.

 

8)   Wie beurteilen Sie die derzeitige Arbeit der KIAB? Sind Sie der Meinung dass diese über genug Kontrollmöglichkeiten, Personal und Strafmöglichkeiten verfügt? Oder müssen die oben genannten Bereiche ausgebaut werden? Gibt es Branchen in der die Kontrollen der KIAB verstärkt werden sollten? Streben Sie rechtliche Veränderungen an, um die Kompetenzen der KIAB zu erweitern? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

 

9)   Wie stehen Sie zum Vorschlag der Einführung eines Strafrechtsbestandes  „Sozialbetrug“ im Verwaltungsrecht?  Sind Sie dafür? Wenn, warum? Wenn nein, warum nicht?

 

10) Wie stehen Sie zur Einführung eines Verbandklagerechtes für BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen (sodass auch ÖGB und AK klagen könnten, bisher dürfen nur einzelne Betroffene klagen)? Sind Sie dafür? Wenn ja warum? Wenn, nein warum nicht?

 

 

11)  Halten Sie eine bessere grenzübergreifende Vernetzung und Kooperation der   Gewerkschaften und der Behörden zur Einhaltung von Arbeitsrecht, Verfolgung von Übertretungen und Ausarbeitung von Verbesserungsvorschlägen  für sinnvoll? Wenn ja, wie wollen Sie diese vorantreiben? Wenn, nein, warum nicht? Gibt es diese bereits?

 

12)   Verfügen Sie über ein arbeitsmarktpolitisches Konzept, den österreichischen  Arbeitsmarkt für eine vollständige Öffnung vorzubereiten? Die  starke Konkurrenz gering qualifizierter Beschäftigter abzufedern und Grenzregionen zu entlasten? Wenn ja, über welches? Nennen Sie mögliche Maßnahmen.

 

 

13)      Setzen Sie sich für das Vorantreiben europäischer Mindeststandards und einer gemeinsamen EU-weiten ArbeitnehmerInnenpolitik ein? Wenn ja wie unterstützen Sie beispielsweise die Verbesserung und den Ausbau gemeinsamer EU-Mindeststandards (in den Bereichen Arbeitszeit, Gesundheitsschutz, Mitbestimmung, etc.), die Verbesserung der Entsenderichtlinie, der Richtlinie für Europäische Betriebsräte, die arbeits- und sozialrechtliche Einbettung der EU-Dienstleistungsrichtlinie?


 

14)  Auch der Europäische Gewerkschaftsbund spricht sich mittlerweile  für eine

Öffnung der Arbeitsmärkte und gegen eine Verlängerung der Übergangsfristen aus mit der Begründung das Arbeitsverbot hätte die Schattenwirtschaft und die Scheinselbstständigkeit begünstigt. Eine entsprechende Entschließung wurde erst kürzlich in Brüssel gegen die Stimmen aus Österreich und Deutschland beschlossen. Wie stehen Sie als Sozialminister zu dieser Position?