8531/J XXIV. GP
Eingelangt am 17.05.2011
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ANFRAGE
des Abgeordneten Kunasek
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend die strafrechtliche Würdigung der Causa „Abberufung General Entacher“
Im
Profil vom 23. Jänner 2011 erschien ein Interview mit General Entacher in
dem er sich, wie der Artikel vom "Kurier" vom 25.01.2011 schön
wiedergibt, der Worte von Bundesminister Darabos bediente:
„Was
Entacher den Rapport bescherte: Er
zitierte Darabos-Plädoyer für
Wehrpflicht
Kann es sein, dass Generalstabschef Edmund Entacher nur deshalb vor dem "Strafrapport"
steht, weil er im profil-Interview seinen Minister zitiert hat? Die meist
verbreitete Lachnummer unter Bediensteten des Verteidigungsministeriums ist
derzeit die Kopie eines offenen Briefes von Minister Darabos, den der Standard am 3. September
des Vorjahres abgedruckt hat. Hier die verblüffend ähnlichen Aussagen
im Detail:
Zum Reformbedarf
Entacher: "Warum soll ich ein
neues System einführen, das voller Risken steckt und bei dem es kein
Zurück mehr gibt? Kein vernünftiger Mensch würde das tun. Unser
derzeitiges System hingegen hat sich bewährt."
Darabos: "Bei der aktuellen
Debatte über die allgemeine Wehrpflicht stellt sich die Frage: Wieso
sollen wir von einem Kurs abgehen, der sich gerade für einen kleinen
neutralen Staat wie Österreich jahrzehntelang außerordentlich gut
bewährt hat?"
Zur Systemfrage
Entacher: "Wir haben schon ein
Mischsystem aus Berufsheer, Wehrpflichtigen und Milizsoldaten, mit denen wir
alle an uns gestellten Aufgaben gut bewältigen konnten. Bei Einsätzen
im Ausland wurden unsere Soldaten stets gelobt. Im Inland, wenn es Hochwasser
gibt oder wir Objekte bewachen, gibt es auch viel Lob."
Darabos: "Das Mischsystem aus
Berufssoldaten, Freiwilligen, Miliz und Grundwehrdiener funktioniert. Das
Bundesheer bewältigt alle seine personalintensiven Einsätze wie etwa
den Katastrophenschutz im Inneren, den Assistenzeinsatz im östlichen Grenzraum,
die Auslandsmissionen vom Westbalkan bis zum Golan, oder die permanente
Luftraumüberwachung zu 100 Prozent."
Zum Freiwilligen-Bedarf
Entacher: "Wir erhalten aus
Ländern, die mit uns vergleichbar sind, laufend Warnungen, dass wir die
Wehrpflicht behalten sollen. Dort melden sich zu wenig geeignete
Freiwillige."
Darabos: "Wie die Erfahrungen
der letzten 20 Jahre zeigen, funktioniert es aber in vielen Ländern, die
ihr Wehrsystem geändert haben, nicht so einwandfrei. Viele Länder Europas
haben enorme Aufbringungsprobleme."
Zum schwedischen Modell
Entacher: "Schwedische Offiziere
haben mir berichtet, dass es dort bei den Landstreitkräften bereits enorme
Probleme bei der Anwerbung von Freiwilligen gibt."
Darabos: "In Schweden rechnen
Experten mit massiven Schwierigkeiten bei der Personalrekrutierung."“
Diesem Interview folgten Drohungen von Bundesminister Darabos an seine Bediensteten. Die "Tiroler Tageszeitung" Nr. 22 vom 23.01.2011 berichtete über Darabos: „Wer nicht bereit ist, mit mir gemeinsam das Bundesheer in eine neue Zukunft zu führen, der muss wissen, dass ich nicht vor personellen Konsequenzen zurückschrecken werde. Ich bin fest entschlossen, das Heer zu reformieren und die Wehrpflicht abzuschaffen. Wer nicht mitzieht, wird mit Konsequenzen zu rechnen haben. Ich lasse mir von niemandem, auch nicht vom Generalstabschef, Steine in den Weg legen.“
Noch bei einer bei einer Pressekonferenz am 24. Jänner 2011 vormittags sprach Darabos davon, dass es jetzt nicht um ein "Köpfe-Rollen" gehe. Doch dem Druck der Kronenzeitung mit der Aufforderung „Darabos muss jetzt durchgreifen“ war der Minister nicht gewachsen, Entacher wurde als Chef des Generalstabes abberufen.
In der Presseerklärung von Verteidigungsminister Norbert Darabos, 24. 1. 2011 hieß es: „Die Aussagen des Generalstabschefs in der aktuellen Ausgabe des "profil" zu den Kosten und zur Leistungsfähigkeit eines Freiwilligenheeres kann ich deshalb nur so interpretieren, dass er sich von seinen eigenen Berechnungen distanziert. Durch diese öffentlichen Aussagen und den dadurch entstandenen Vertrauensverlust sah ich mich heute, Montag, im dienstlichen Interesse veranlasst, den Generalstabschef abzuberufen.“
Diese Abberufung ist mehr als in Frage zu stellen. Offizieren, die das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Meinungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen und dafür eintreten die gegebene Verfassungslage beizubehalten, mit Hinauswurf, Absetzung oder sonstigen Konsequenzen zu drohen, ist ein Bruch der Verfassung per se. Dies ist demokratiefeindlich, illegitim und ein schwerer Verstoß gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. In diesem Zusammenhang kann sich der Minister keinesfalls auf Argumente der Amtsverschwiegenheit oder Beamtenloyalität berufen, weil die Debatte über die Abschaffung der Wehrpflicht öffentlich geführt wird und sich der Generalstabschef auf die öffentlich bekanntgegebenen Modelle bezogen hat.
In dem Maß, in welchem Darabos parteipolitische Gehorsamspflicht innerhalb seiner Vollziehungszuständigkeit unter Androhung von dienstlichen Nachteilen einfordert, bricht er bewusst die Verfassung.
Dieses Vorgehen verwundert um so mehr, als der Generalstabschef bereits eine Woche zuvor ein Interview einer Zeitung gegeben hat, nachzulesen in der „Presse“ vom 15.1.2011, wo er sich für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausspricht.
Statt einem Bescheid folgte ein Konvolut mit 90 Seiten.
Der
"Kurier" vom 07.04.2011 berichtete darüber:
„Affäre
Entacher: Zehn Wochen nach der Absetzung des Armeechefs legt Minister Darabos
eine 91-seitige Begründung vor. Sie strotzt vor Skurrilitäten
Der Unterstellungs-Krieg
Verteidigungsminister Norbert Darabos begründete die Absetzung des Generalstabschefs
Edmund Entacher mit dessen Kritik in einem profil-Interview an seinen
Berufsarmee-Plänen. Doch auch das ist nicht in Stein gemeißelt.
Nachdem Darabos-Mitarbeiter und die Buchhaltungsagentur des Bundes wochenlang
Entachers Aktenschränke bis ins Jahr 2008 zurück durchwühlt
haben, wird jetzt ein 91 Seiten langes Dossier mit angeblichen
Serien-Verfehlungen des Generals präsentiert.
Der Großteil des Papiers besteht aus Belehrungen, der Rest riecht nach
Unterstellungen. Akribisch werden Aktenstücke aufgelistet, die erst einen
oder mehrere Tage nach Abgabetermin abgeliefert wurden. Es sind nicht viele von
insgesamt 2500 Stück. Beim Heer nennt man das "Erbsenzählerei".
Ministerschwenk
Es wird dem General aber auch vorgeworfen, er habe die vom Minister
angekündigte "Attraktivitätssteigerung" des
Grundwehrdienstes nicht emsig umgesetzt. Seltsam: Entacher startete in
Mistelbach und in Allentsteig Pilotversuche. Dann kam der Schwenk des Ministers
zur Berufsarmee und gleichzeitig die Weisung, die Vorzüge des Grundwehrdienstes
nicht mehr zu bewerben.
Auch die alte, lange erledigte Dingo-Geschichte wurde wiederbelebt. Dabei geht
es um einen Disput mit Kabinettchef Stefan Kammerhofer im Zuge geplatzten
Beschaffung von Fahrzeugen. Entacher wurde damals von der Disziplinarabteilung
vernommen. Die Sache wurde eingestellt.
Auch, dass er seinen Minister vor Fehlentscheidungen warnte, wird dem General
jetzt angekreidet. So wird ihm eine "Ministerinformation" zum Vorwurf
gemacht, in der er auf falsche Zahlen bei der geplanten Privatisierung der
Heeresforste in Allentsteig hingewiesen hat. Vor kurzem musste das Ministerium
das Projekt stoppen - wegen falscher Zahlen.
Das inkriminierte profil-Interview wird nur kurz gestreift. Entacher wird
vorgeworfen, dass er keine Interviewgenehmigung hatte und die inhaltliche
Abstimmung mit dem Minister fehlte. Beigefügt ist der Medienerlass. Aus
dem geht hervor, dass jeder Kommandant berechtigt ist, über seinen
persönlichen Wirkungskreis öffentliche Aussagen zu machen. Entachers
Wirkungskreis war bis zur Absetzung die gesamte Armee. Und von
persönlichen Absprachen mit dem Minister steht nichts im Bescheid.
Ebenfalls Teil des skurrilen Sündenregisters: Der profil-Artikel ist mit
einem Foto illustriert, das Entacher in Uniform zeigt. Das Bild stammt aus dem
Archiv. In und außerhalb des Heers ist niemandem ein Gesetz bekannt, das
den Abdruck derartiger Fotos verbietet.
Entacher wird auch vorgeworfen, er habe den "Brief der Generäle"
an die Öffentlichkeit gespielt. Das war ein Brief, in dem die
Sektionschefs den Minister intern vor dramatischen Fehlentwicklungen warnen.
Das Licht der Öffentlichkeit hat dieser Brief nie erblickt.
Neuausschreibung
Da wundert es kaum noch, dass der General Schuld sein soll, dass in einem Fall
die "angeordneten Fotos der Heeresleistungssportler" nicht angefertigt
worden wären.
Diese Vorwürfe sind Teil des sogenannten Parteiengehörs im Rahmen des
Absetzungsverfahrens. Nach Entachers Einwendungen soll der schriftliche
Bescheid ausgestellt werden. Der Minister will das noch vor dem 1. Mai
erledigen. Dann soll Entacher endgültig versetzt werden.
Erst
dann kann aber Darabos den Posten des Generalstabschefs neu ausschreiben. Ob er
ihn aber auch nachbesetzen kann, liegt an Bundespräsident Heinz Fischer.
Der könnte die Unterschrift verweigern. Aus der Umgebung des
Präsidenten ist zu hören, dass dieser höchst besorgt sei und die
Entwicklung des Falles persönlich intensivst verfolge.
Parallel dazu wird der Nervenkrieg weitergehen. Entacher kann den Bescheid bei
der Beschwerdekommission im Bundeskanzleramt bekämpfen. Sollte er auch mit
dieser Entscheidung nicht zufrieden sein, geht es im kommenden Frühjahr
zum Verfassungsgerichtshof.
Der geschasste General Entacher äußert sich nicht zu seinen
Absichten. Doch sein Anwalt Martin Riedl lässt keinen Zweifel daran:
"Wir werden alle zu Gebote stehen-den rechtlichen Mittel
ausschöpfen."“
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Frau Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage: