8621/J XXIV. GP
Eingelangt am 19.05.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Abriss des „Denkmals der Menschlichkeit“ in Kars
Am 26.04.2011 war in der Tageszeitung "Die Presse" unter dem Titel "Türkei lässt 'Denkmal der Menschlichkeit' zersägen" zu lesen:
"Für Erdoğan passen die als Geste an die Armenier gedachten Statuen nicht zum islamischen Stil. Der Abriss wurde von einigen türkischen Kommentatoren mit der Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamyan verglichen
Istanbul. Es fällt schwer, an einen Zufall zu glauben: Das „Denkmal der Menschlichkeit“ in der türkischen Stadt Kars sollte ursprünglich eine türkische Geste an die Armenier sein. Am Montagabend kamen Bauarbeiter mit Steinsägen, um mit dem Abriss zu beginnen – einen Tag nach dem Gedenktag der Armenier an den Völkermord während des Ersten Weltkriegs. Die Türkei bestreitet das bis heute.
Die beiden 24 Meter hohen Statuen waren in Sichtweite der armenischen Grenze errichtet. Der Kampf um den Erhalt des vom türkischen Premier Recep Tayyip Erdoğan bei einem Besuch in Kars Anfang Februar als „Scheußlichkeit“ titulierten Denkmals ging bis zur letzten Minute weiter. Der Anwalt des bekannten Bildhauers Mehmet Aksoy, der die Statuen geschaffen hatte, versuchte noch, Kulturminister Erugrul Günay zu einem Stopp der Abbrucharbeiten zu bewegen.
Günay hat sich indes schon einmal die Finger an der Sache verbrannt, als er erklärte, Erdoğan habe mit „Scheußlichkeit“ gar nicht die Statuen, sondern das Gelände um sie herum gemeint. Kurz darauf korrigierte Erdoğan seinen Minister: Natürlich habe er das Denkmal gemeint. An seine Verteidigung des Monuments vom Frühjahr erinnert sich der Minister nun offenbar nicht mehr. Die Zeitung „Milliyet“ zitierte ihn mit den Worten, dass er die Diskussion um den Abriss der Statuen in der Türkei „sehr unsympathisch“ finde. Es sei mit einem falschen Projekt begonnen worden. „Als ich das Projekt im Jahre 2008 gesehen habe, war ich ganz erschrocken.“ Unter dem Denkmal liege eine alte Schanze und die Stelle sei daher denkmalgeschützt, meinte Günay.
Erdoğan und sein Außenminister Ahmet Davutoğlu haben aber besonders hervorgehoben, dass die Statuen nicht zum islamischen Stil der Stadt passen würden. Sie sollen außerdem die Sicht auf ein Heiligengrab stören, das allerdings weit entfernt ist – und außerdem die Statuen erheblich überragt.
Der Abriss wurde von einigen türkischen Kommentatoren mit der Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamyan durch die afghanischen Taliban verglichen. Anders als damals wird das Denkmal von Kars aber nicht völlig zerstört, sondern in 18 Teile zerlegt – und irgendwo aufgehoben. Es ist daher nicht unmöglich, dass Mehmet Aksoy – wie bei einem anderen Werk von seiner Hand in Ankara bereits geschehen – den Wiederaufbau per Gerichtsbeschluss durchsetzt. Vorerst bemüht er sich um Schadenersatz."
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2011)
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten nachstehende
Anfrage
1. Haben Sie anlässlich des Staatsbesuchs von Präsident Gül in Wien die Gelegenheit wahrgenommen, diesen barbarischen Akt von Denkmalstürmerei zu thematisieren?
2. Können Sie das für den Abriss vorgebrachte Argument, das Denkmal behindere die Sicht auf ein Heiligengrab, nachvollziehen?
3. Können Sie das für den Abriss vorgebrachte Argument, das Denkmal befinde sich über einer alten Schanze, nachvollziehen?
4. Werden Sie eine offizielle Protestnote nach Ankara schicken?
5. Werden Sie sich in bilateralen Gesprächen dafür einsetzen, dass das "Denkmal der Menschlichkeit" wiedererrichtet wird?
6. Wenn ja, an welchem Ort?