8640/J XXIV. GP
Eingelangt am 19.05.2011
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Walser, Mag.a Korun Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Inneres, Mag. Johanna Mikl-Leitner,
betreffend Auftragsvergabe für die Überarbeitung des Deutschtests für Zuwanderer (DTZ)
Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) hat mit 17.09.2010 eine Ausschreibung für die „Austrifizierung“ bzw. Überarbeitung des in Deutschland entwickelten DTZ (Deutschtest für Zuwanderer – entwickelt vom Goethe Institut und der deutschen telc Gmbh) erlassen.
Diese Ausschreibung enthielt keine relevanten Details zu Zeithorizont, Nutzungsrechten und wissenschaftlicher Begleitung, sie umfasste nur die „Austrifizierung“ der DTZ-Prüfung in Form der Erstellung von zehn österreichischen Testsätzen. Nicht berücksichtigt wurden inhaltliche Grundlagen, wie z.B. die Adaptierung des Lernzielkatalogs (insbesondere das Ausarbeiten eines österreichspezifischen Wortschatzes), übliche testtheoretische Validierungsmaßnahmen nach Adaptierung (Standardsetting, psychometrisch-statistische Analysen, Expertenbegutachtung) oder die Zukunftsperspektive, was nach Erstellung der zehn Testsätze passieren solle. (Wer erstellt weiter? Wie wird die Schwierigkeitsäquivalenz für weitere Testsätze garantiert etc.). Da es sich hierbei um eine high-stake-Prüfung handelt (von der wichtige Entscheidungen für die TestkandidatInnen abhängen), ist die Frage nach solchen Qualitätskriterien und -standards besonders wichtig.
Am 11.10.2010 hat das mit Unterstützung der österreichischen Bundesministerien für europäische und internationale Angelegenheiten, für Wissenschaft und Forschung und unter Federführung des BM für Unterricht, Kunst und Kultur eingerichtete bzw. gesteuerte Österreichische Sprachdiplom Deutsch (ÖSD) fristgerecht ein Angebot (Interessensbekundung) gelegt. Am 25.10. reichte das ÖSD – im Sinne der in Österreich vorhandenen und international anerkannten Testexpertise unter Nützung von Synergien mit Vorarbeiten, die in diesem Bereich in den letzten Jahren geleistet wurden (z.B.testtheoretische Grundlagenarbeit, Sprachkenntnisnachweis, Mitwirkung in europäischen Gremien zu Niveaudefinitionen im Prüfungswesen für Deutsch etc.) – ein erweitertes Angebot um 0,- EURO ein: Das Angebot enthielt die gesamte Prüfungsentwicklung, d.h. Adaption der DTZ inkl. oben genannter (international üblicher) inhaltlicher Grundlagenarbeit sowie weitere Fortschreibungsarbeit mit inhaltlicher Verantwortung der Prüfungserstellung und -durchführung.
Am 20.12.2010 erhielt das ÖSD die Absage mit dem Hinweis, dass seitens des ÖIF der telc GmbH der Zuschlag erteilt worden sei, mit der alleinigen Begründung, dass telc GmbH die Nutzungsrechte dem ÖIF gänzlich überlasse. Laut Darstellung von telc GmbH bietet der deutsche kommerzielle Testentwickler „eine von der telc GmbH für Österreich überarbeitete Version des Deutsch-Test für Zuwanderer A2-B1.“ an. (http://www.telc.net/ueber-telc/aktuelles/deutsch-test-fuer-zuwanderer-fuer-oesterreich/)
Am 20.04.2011 erließ der ÖIF ein Schreiben an seine lizenzierten Prüfungszentren, dass die Teilrefundierung der Sprachkurskosten für IV-pflichtige Prüflinge zukünftig nur mehr dann erfolge, wenn der/die IV-Pflichtige einen Deutschintegrationskurs bei einem zertifizierten Kursträger besucht und innerhalb von 18 Monaten eine Prüfung beim ÖIF auf A2-Niveau erfolgreich abgelegt hat. Keinen Anspruch auf eine Kostenrefundierung haben Prüflinge, wenn sie einen anderen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse auf A2-Niveau nachweisen – z.B. ein ÖSD-Zertifikat. Zur Erfüllung des Moduls 2 der IV-NEU wird im Schreiben des ÖIF lediglich auf den Test „Deutsch-Test für Österreich“ verwiesen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Nach welchen konkreten Gesichtspunkten erfolgte der Zuschlag für die Entwicklung der Testsätze?
2. Wie hoch ist der finanzielle Aufwand, der mit dem Zuschlag an die telc GmbH verbunden ist? Welche Folgekosten werden dem ÖIF daraus in Zukunft entstehen?
3. Jede Überarbeitung und Adaptierung von Tests bzw. einzelnen Items kann u.a. zu einer wesentlichen Veränderung der Itemschwierigkeiten bzw. Trennschärfen führen. Wie und durch welche Verfahren wird im Sinne der Fairness gegenüber den österreichischen Zuwander/inne/n gewährleistet, dass die für Österreich adaptierten Testsätze (Modellsatz und 10 Testsätze) den Schwierigkeitsgrad der DTZ entspricht.
4. Wie und durch welche Verfahren wird gewährleistet und nachgewiesen, dass die Entwicklung weiterer Testsätze (also nach Ablauf der 10 Testsätze) den internationalen Qualitätsstandards entspricht, z.B. dass etwa der Schwierigkeitsgrad jedes weiteren Testsatzes gleich bleibt?
5. Wie und durch welche Verfahren wird gewährleistet, dass die konkrete Prüfungsdurchführung internationalen Qualitätsstandards unterliegt?
6. Wie verläuft die Ausbildung und Qualifikation der Prüfer/innen und Assessor/inn/en?
7. Wie verläuft der Prozess von der Prüfungsdurchführung über die Auswertung und Beurteilung bis zur Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses?
8. Wer kontrolliert und überwacht die Prüfungsdurchführung?
9. Wo findet man konkrete Durchführungsbestimmungen, Prüfungsordnungen, etc.?
10. Wo werden die Prüfungsarbeiten archiviert?
11. Wo und wie können PrüfungskandidatInnen in ihre Prüfungen Einsicht nehmen?
12. Der Lernzielkatalog des DTZ beinhaltet u.a. genaue Anforderungen in Bezug auf den zu beherrschenden Wortschatz. Wo finden österreichische Zuwanderer/innen das entsprechende Wortschatzinventar für die „austrifizierte“ Variante, um sich für die Prüfung vorzubereiten? Auf welcher wissenschaftlichen Basis wurde dieses österreichische Wortschatz-Inventar – sofern vorhanden – erarbeitet.
13. Wie und durch welche Verfahren wird gewährleistet, dass PrüfungskandidatInnen sich optimal auf die Prüfung vorbereiten können? Wo erhält man Übungsmaterialien, Beratung, konkrete Lernzielbeschreibungen (samt österreichische Besonderheiten im Wortschatz, s. oben)?
14. Warum wurde das Angebot des ÖSD, das dem ÖIF keinerlei Kosten verursacht hätte und in der Leistung weiter ging, als in der Ausschreibung gefordert wurde, abgelehnt?
15. Warum wurde die Gesprächsbereitschaft des ÖSD, was die Frage der Nutzungsrechte betrifft, seitens des ÖIF nicht angenommen?
16. Wie steht das BM.I. zur Tatsache, dass ein ausländisches kommerzielles Unternehmen einem heimischen gemeinnützigen Testanbieter vorgezogen wird, der von staatlichen Institutionen begründetet wurde und im Laufe seines 17-jährigen Bestehens in allen fachlichen Kreisen auf höchste Akzeptanz stößt?
17. Was ist die Begründung dafür, dass für PrüfungsteilnehmerInnen des ÖSD, eines international anerkannten Prüfungssystems, zukünftig keine anteilige Kostenrefundierung mehr vorgesehen ist?
18. Was ist die Begründung dafür, dass im Schreiben des ÖIF nur mehr auf den neu entwickelten „Deutsch-Test für Österreich“ verwiesen wird und sich kein Verweis auf die international entwickelte Prüfungssstufe B1 Zertifikat Deutsch, dessen gemeinsame Träger das ÖSD, das Goethe Institut und telc (D) sowie die Schweizer Eidgenössische Direktorenkonferenz (CH) sind, findet, dies umso mehr, als dass das ÖSD hierzu eine eigene, österreichspezifische Variante für Deutsch als Zweitsprache, also speziell für Zuwanderer anbietet?