8902/J XXIV. GP

Eingelangt am 29.06.2011
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Zinggl, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin  für Unterricht, Kunst und Kultur

 

betreffend Ausverkauf im Leopold Museum

 

 

Im Zusammenhang mit der Rückgabe von fünf Schiele-Werken aus der Albertina an die Rechtsnachfolger nach Karl Mayländer spielte Diethard Leopold eine zumindest undurchsichtige Rolle (vgl. Der Standard, 16.06.2011). Zugleich brüstet sich das Museum damit, mit den Rechtsnachfolgern nach Moric Eisler eine finanzielle Einigung erzielt zu haben, deren Details nicht kommuniziert werden. Und zu allem Überfluss lässt das Museum bei Sotheby’s in London ein Stück Tafelsilber versteigern, nämlich Egon Schieles Gemälde „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“, um die erwähnten Zahlungen überhaupt leisten zu können.

Dass Rudolf Leopold der Republik Österreich im Jahr 1994 Gemälde verkauft hat, deren bedenkliche Provenienzen er kannte und von denen er wissen musste, dass sie nicht sein Eigentum sind, scheint mittlerweile klar. Um so merkwürdiger erscheint es, dass die Republik sich nach wie vor nicht zu Regressforderungen gegen die Rechtsnachfolger nach Rudolf Leopold durchringen kann. Immerhin verkauft die Familie Leopold nun ein sehr wertvolles Bild, das sie bereits einmal veräußert hat – nämlich an den Bund, der es seinerseits dann in die Stiftung einbrachte –, ein weiteres Mal.

 

Als sich die ersten Diskussionen um Raubkunst im Leopold Museum und die mögliche Rückgabe von Kunstwerken entfachten, beschwor man seitens der Stiftung stets die „Einheit der Sammlung“ und argumentierte unablässig damit, dass der Stiftungszweck, nämlich „die vom Stifter gegründete Sammlung auf Dauer zu erhalten“, es dem Vorstand de facto unmöglich mache, Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Selbst wenn man wolle, seien dem Vorstand aufgrund § 2 Stiftungsstatuten die Hände gebunden. Interessanterweise scheint dieses Argument mittlerweile seine Gültigkeit verloren zu haben: Die 2010 erwogene Versteigerung von Schiele-Blättern zur Finanzierung der „Wally“-Einigung und die nunmehrige Auktion von „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“ gehen offenbar problemlos mit dem Stiftungszweck konform. Verkauf ja, Rückgabe nein? Es sieht so aus, als gehe es diesen Leuten nur ums Geld.

 

Und es ist überaus fraglich, wie mit diesem zu erwartenden Geld umgegangen wird. Diethard Leopold hat zwar angekündigt, die Erlöse aus der Versteigerung von „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“ ausschließlich für Vergleichs- und Abschlagszahlungen für die rechtmäßigen Eigentümer entzogener Kunstwerke zu verwenden, allerdings erscheint diese Ankündigung in mehrererlei Hinsicht fragwürdig. Denn zum einen ist nicht klar, inwieweit die Gebarung des Museums diesbezüglich kontrolliert wird, und zum anderen konnte niemand vorhersagen, wie hoch die Erlöse aus der Versteigerung von „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“ tatsächlich sein würden. Wenn, wie von Diethard Leopold angekündigt, der gesamte Versteigerungserlös zur Abfindung von Rechtsnachfolgern von NS-Opfern dienen soll, bleibt die Frage offen, warum sämtliche Bilder mit bedenklicher Provenienz im Museum verbleiben sollen, während zentrale Werke aus der Sammlung offensichtlich entbehrlich sind. Auf die Bundesmuseen umgelegt: Dürfte das Kunsthistorische Museum Brueghels „Bauernhochzeit“ verkaufen, um die Rückgabe weniger wertvoller Gemälde zu vermeiden?

Als die Grünen im Februar 2010 wissen wollten: „Was werden Sie unternehmen, sollte die Stiftung Leopold Kunstwerke verkaufen wollen, um die finanziellen Ansprüche von Restitutionswerbern zu begleichen?“, antworteten Sie: „Ob sich aus möglichen künftigen Verkaufsabsichten der Leopold Museum – Privatstiftung ein Handlungsbedarf für das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur ergibt, kann derzeit nicht beurteilt werden“ (Anfrage 4482/J und 4260/AB, XXIV. GP). Es wäre interessant zu erfahren, ob Sie nun Handlungsbedarf sehen.

Jedenfalls lässt sowohl das Vorgehen der Stiftung Leopold als auch das Verhalten des BMUKK einiges an Klärungsbedarf erkennen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.         Ist es dem Leopold Museum gestattet, zentrale Bestandteile der Sammlung zu veräußern?

2.         In welchem Verhältnis stehen die Weigerung der Stiftung Leopold, entzogene Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben, und die nun geübten Praxis der Versteigerung von Meisterwerken mit § 2 der Stiftungsstatuten, welcher den Zweck der Stiftung Leopold darin sieht, „die vom Stifter gegründete Sammlung auf Dauer zu erhalten“?

3.         Gestehen Sie es der Familie Leopold zu, Bilder, die diese bereits einmal verkauft hat – nämlich an den Bund, der die Bilder seinerseits dann in die Stiftung einbrachte –, ein weiteres Mal zu Geld zu machen?

4.         Zu welchem Zeitpunkt hat das Leopold Museum beim Bundesdenkmalamt um eine Ausfuhrgenehmigung für „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“ angesucht?

5.         Wann erging die Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes?

6.         Wie lautete die Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes?

7.         Wann wurde „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“ außer Landes gebracht?

8.         Auf welche Weise stellen Sie sicher, dass die Stiftung Leopold die Erlöse aus der Versteigerung von Egon Schieles Gemälde „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“ ausschließlich zum Zwecke von Abschlags- oder Entschädigungszahlungen an die rechtmäßigen Eigentümer entzogener Kunstwerke einsetzt?

9.         Wie werden Sie agieren, sollte der Stiftung Leopold nach einer allfälligen Einigung mit allen verbliebenen Anspruchsberechtigten noch große finanzielle Mittel aus der Versteigerung von „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“ bleiben?

10.      Wie viel Geld hat das Leopold Museum bisher insgesamt an die Rechtsnachfolger der Eigentümer von entzogenen Kunstwerken bezahlt, die sich in der Sammlung Leopold befinden?

11.      In welcher Weise wird durch die Versteigerung von „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“ das Stiftungsvermögen verringert?

12.      Wann haben Sie von der Absicht des Leopold Museums erfahren, „Häuser mit bunter Wäsche/Vorstadt II“ zu verkaufen?

13.      Welche Argumente für den Verkauf des Gemäldes haben die Vertreter des Leopold Museums vorgebracht?

14.      Fanden diese Argumente Ihre Zustimmung?

15.      Dürfte beispielsweise auch Agnes Husslein an Sie mit dem Ansinnen herantreten, zur Finanzierung von Entschädigungen anstelle von Rückgaben im Belvedere etwa Egon Schieles „Rainerbub“ zu verkaufen?

16.      Aus welchen Gründen wurde hinsichtlich der Entschädigungssumme, die die Rechtsnachfolger nach Moric Eisler für ihren Verzicht auf Anton Romakos Bilder „Schloss Grillenstein“ und „Gräfin Kuefstein an der Staffelei“ erhielten, Stillschweigen vereinbart?

17.      Ist Ihnen bekannt, wie hoch die Entschädigungssumme war?

18.      Können Sie mittlerweile beurteilen, ob durch die Verkäufe und Versteigerungen von zentralen Bestandteilen der Sammlung Leopold Handlungsbedarf für das BMUKK entstanden ist (vgl. 4260/AB, XXIV. GP, Fragen 15 und 16)?

19.      Falls ja, in welcher Form sehen Sie Handlungsbedarf?

20.      Ab dem Verlust wie vieler Bilder wäre für Ihr Ministerium ein Grenzwert erreicht, der die Aufrechterhaltung des Leopold Museums in seiner jetzigen Form nicht mehr sinnvoll erscheinen lässt?