9060/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.07.2011
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Korun, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend Verweigerung der Akteneinsicht für Menschenrechtsbeirats

 

 

Der im Innenministerium angesiedelte Menschenrechtsbeirat hat die Aufgabe die Polizeitätigkeit aus menschenrechtlich-struktureller Sicht zu analysieren und Empfehlungen für allfällige Verbesserungen abzugeben. Dies geschieht aus Anlass und am Beispiel signifikanter Einzelfälle, um nicht nur allgemein und unverbindlich auf menschenrechtliche Defizite bei der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bzw. von Haft hinzuweisen. Anhand konkreter Missstände und Übergriffe sollen die strukturellen Ursachen aufgezeigt werden.

 

Dazu bedient sich der Menschenrechtsbeirat regional organisierter Expertenkommissionen („Kommissionen“). Seit dem Skandal um die Abschiebung der Komani-Familie im Oktober 2010 wurde den Kommissionen in ihrer menschenrechtlichen Evaluierungsarbeit jedoch aufgrund eines ebenfalls im Oktober ergangenen BMI-Erlasses mehrmals Akteneinsicht in fremdenpolizeiliche Akten von Angehaltenen, die mit ihnen gesprochen hatten, verwehrt. In manchen Fällen und bei expliziter Anforderung werden von der Fremdenpolizei einzelne vorab ausgesuchte Dokumente als Kopie an die Kommissionen übermittelt, was aber zu einer umfassenden menschenrechtlichen Beurteilung der Situation völlig unzureichend ist und zudem zu großen zeitlichen Verzögerungen führt, die wiederum eine anlassnahe Berichterstattung verunmöglichen.

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Wie wurde mit Ersuchen um Einsicht in fremdenpolizeiliche bzw. andere Akten seitens der Kommissionen des Menschenrechtsbeirats vor dem Erlass im Oktober 2010 umgegangen? Wurde Akteneinsicht gewährt?

 

  1. Weshalb sah man im Oktober 2010 Grund, die Akteneinsicht der Kommissionen per Erlass zu beschränken?

  1.  In welchem Zusammenhang steht der Erlass des BMI (GZ: BMI-LR 1600/0101-II/3/2010) vom 29. Oktober 2010 mit dem Skandal rund um die Abschiebung der Komani-Familie, die Anfang Oktober 2010 stattfand?

 

  1.  Inwiefern entspricht die Anordnung im Erlass „dass den Kommissionen keine Einsicht in die Verfahrensakten der Fremdenpolizei gewährt werden kann“ der in § 15 c Abs. 4 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) formulierten Verpflichtung, wonach die Sicherheitsexekutive verpflichtet ist, den  Menschenrechtsbeirat  bei  seiner  Tätigkeit  zu  unterstützen?

 

  1. Worin besteht derzeit die „Unterstützung“ der Kommissionen durch die Sicherheitsexekutive wenn es um die Validierung von Aussagen von Häftlingen und Festgenommenen geht?

 

  1.   Inwiefern entspricht die Anordnung im Erlass  „dass den Kommissionen keine Einsicht in die Verfahrensakten der Fremdenpolizei gewährt werden kann“ der in § 15 c Abs. 5 SPG formulierten Verpflichtung, wonach der Bundesminister für Inneres dem Menschenrechtsbeirat die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt?

 

  1. Worin besteht derzeit die Zurverfügungstellung notwendiger Mittel an den Menschenrechtsbeirat? Sind davon verfahrenstechnische Mittel, wie die Akteneinsicht nicht umfasst?

 

  1. Inwiefern können Sie eine möglichst konkrete und zeitnahe menschenrechtliche Berichterstattung des Menschenrechtsbeirats, respektive der Kommissionen, sicherstellen, wenn Sie gleichzeitig eine Überprüfung der durch die Kommissionen bei ihren Besuchen gesammelten Aussagen per Erlass unterbinden und verunmöglichen?

 

  1. Wie soll nach Einschätzung des Innenministeriums der Menschenrechtsbeirat, respektive die Kommissionen, „strukturelle Problemlagen“ feststellen, wenn ihm gleichzeitig via Erlass die Feststellung, ob eine menschenrechtlich bedenkliche Praxis im Einzelfall vorhanden ist, verunmöglicht wird?

 

  1. Wie werden Sie diese Schieflage bezüglich verweigerter Akteneinsicht handhaben, wenn die Kommissionen als Nationaler Präventionsmechanismus gemäß OPCAT (Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe) bei der Volksanwaltschaft angesiedelt sein werden? Werden Sie den Erlass dann aufheben und vollinhaltliche Akteneinsicht gewähren? Falls ja, weshalb? Falls nein, weshalb nicht?