9158/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.07.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

 

betreffend sinnlos Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung durch MitarbeiterInnen des AMS

 

In den letzten Wochen wurden die Grünen mehrfach damit konfrontiert, dass LeistungsbezieherInnen von AMS-MitarbeiterInnen aufgefordert wurden, einen Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung zu stellen. Diese Aufforderung richtete sich an Menschen, deren Leistung nach dem AlVG zum Teil sogar sehr deutlich über dem Richtsatz der Bedarfsorientierten Mindestsicherung lag.

 

Kann in Einzelfällen davon ausgegangen werden, dass beratende AMS-MitarbeiterInnen möglicherweise selbst schlecht informiert sind und daher Falschinformationen weitergeben, so weist die wahrgenommene Häufung derartiger Berichte doch auf eine gewisse Systematik hin.

 

Erfahrungsbericht 1: Eine Bezieherin von Notstandshilfe wird aufgefordert, einen Antrag auf Mindestsicherung zu stellen, da „die Notstandshilfe nicht mehr gewährleistet werden kann“. Diese „Information“ wurde just zu einem Zeitpunkt erteilt, als sich AMS-BetreuerIn und LeistungsbezieherIn in einem Disput um die Sinnhaftigkeit bestimmter Vermittlungsmaßnahmen befanden. Auf die Nachfrage der Leistungsbezieherin, warum die Notstandshilfe nicht gewährleistet sei, erhielt sie keine Antwort. Vielmehr wurde ihr bedeutet, dass es sich hierbei um eine Überprüfung der Vermögensverhältnisse handle, die im Rahmen der Mindestsicherung gesetzlich vorgesehen sei.
Die Leistungsbezieherin hat einen Leistungsanspruch, der um mehr als € 100,- über dem Richtwert der Bedarfsorientierten Mindestsicherung liegt.

 

Erfahrungsbericht 2: Ein Bezieher von Notstandshilfe wird im Jänner 2011 aufgefordert, einen Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung zu stellen. Da sein Leistungsanspruch über dem Richtwert für die Bedarfsorientierte Mindestsicherung liegt, erkundigt er sich, warum er das tun solle, wo es doch offenkundig sinnlos sei. Ihm wurde mitgeteilt, dass „unser Chef gerade besonders streng gegen Notstandshilfebezieher vor(geht), die auch eine geringfügige Beschäftigung ausüben.“ Mit diesen sei nichts anzufangen. Aus diesem Grund


sollten sie verschärft überprüft werden. Da dies jedoch nur im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung möglich sei, müsse er – der AMS-Berater – diese LeistungsbezieherInnen auffordern, einen Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung zu stellen.

 

Erfahrungsbericht 3: Im Zuge einer Antragstellung auf Notstandshilfe nach einer Unterbrechung auf Grund von Erwerbstätigkeit wurde eine Frau vom AMS-Betreuer noch ohne Kenntnis der zu erwartenden Leistungshöhe aufgefordert, einen Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung zu stellen. Obwohl die Antragstellerin darauf hinwies, dass ihr Arbeitslosengeld über € 900,- liegen müsse, sollte sie auf Wunsch des AMS-Betreuers dennoch einen Antrag auf BMS stellen. Ihren Einwand, dass dies ja einem völligen Einkommens- und Vermögensstrip gleichkomme und sie nicht einsähe, warum sie sich diesem unterziehen solle, wo sie doch keinerlei Leistung aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu erwarten hätte, beantwortete der Betreuer mit der Aufforderung, mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass sie zur Antragstellung aufgefordert worden sei und dies abgelehnt hätte.

 

Alle diese Erfahrungen stammen aus unterschiedlichen AMS-Regionalstellen in Wien.

 

Mündliche Erfahrungsberichte mögen fehlerhaft und ungenau sein. Sie zeigen aber eines deutlich: Die von den berichteten Aufforderungen zur Beantragung Bedarfsorientierter Mindestsicherung betroffenen Personen werden durch diese Vorgehensweise massiv verunsichert und fühlen sich unter Druck gesetzt, eine Handlung zu setzen, von der sie wissen, dass diese ihnen nichts bringen kann.

 

Auf Grund der Häufung dieser und weiterer ähnlicher Berichte innerhalb weniger Monate drängt sich der Verdacht auf, dass die Aufforderung an LeistungsbezieherInnen, die keinen Anspruch auf BMS haben, einen derartigen Antrag zu stellen, systematisch erfolgt.

 

Neben der absoluten Sinnlosigkeit des Antrags, dem erhöhten Verwaltungsaufwand für die Behörde und der Tatsache, dass die Aufgeforderten verunsichert werden und sich unter Druck gesetzt fühlen, ist auch festzustellen, dass ein Antrag auf BMS auch dazu führen kann, dass LeistungsbezieherInnen wirtschaftlich geschädigt werden. In den geschilderten Fällen verfügten die Betroffenen nämlich über ausreichende Kenntnis der Materie, um das Ansinnen der BeraterInnen zurückzuweisen. Leider nicht unwahrscheinlich ist jedoch, dass ohne ausreichende Kenntnis der Rechtslage der Antrag auf Mindestsicherung anstelle des Antrags auf Notstandshilfe gestellt wird. Auf diese Weise würde der oder die AntragstellerInnen die eigene Rechtsposition unwissentlich deutlich verschlechtern.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1. Gibt es im Bereich des AMS oder des BMASK Vorkehrungen, Überlegungen oder konkrete Maßnahmen, Anweisungen oder sonstige Aufforderungen an MitarbeiterInnen, die auf die Verlagerung von NotstandshilfebezieherInnen in die Bedarfsorientierte Mindestsicherung abzielen?


1.1.        Wenn ja: Welche sind dies und warum gibt es diese?

2. Welche Dienstanweisungen oder sonstige Anordnungen gibt es für bzw. an MitarbeiterInnen des AMS betreffend die Bedarfsorientierte Mindestsicherung? Wie lauten diese?

3. Welche Anweisungen, Anordnungen oder Gepflogenheiten gibt es für AMS-MitarbeiterInnen in Zusammenhang mit der Information an LeistungsbezieherInnen betreffend Bedarfsorientierte Mindestsicherung?

4. Ist es richtig, dass es zu Beginn 2011 im AMS Wien oder in einzelnen Regionalstellen des AMS Wien zu einer „verschärften Überprüfung“ von LeistungsbezieherInnen mit einer Beschäftigung unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze gekommen ist?

4.1.        Wenn ja: in welchen und warum bzw. wann?

5. Ist es möglich, dass einzelne LeiterInnen von AMS-Regionalstellen die ihnen untergebenen MitarbeiterInnen anweisen, LeistungsbezieherInnen mit einer Beschäftigung unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze einem besonderen Prozedere zu unterziehen?

6. Gibt es im Rahmen des AMS eine Anweisung, eine Anordnung oder irgendeine andere Form der Aufforderung an MitarbeiterInnen, LeistungsbezieherInnen auch dann zur Antragstellung auf BMS aufzufordern, wenn sie offenkundig keinen Anspruch auf Leistungen aus derselben haben?

6.1.        Wenn ja: warum, mit welchem Ziel und wie lautet diese Anweisung, Anordnung oder andere Form der Aufforderung?

6.2.        Wenn nein: Warum erfolgt dies in einer gehäuften Zahl von Fällen dennoch?

7. Hat das AMS in irgendeiner Weise ein Interesse an Informationen über die privaten finanziellen Verhältnisse der LeistungsbezieherInnen, die über das gesetzlich geregelte Ausmaß hinausgeht?

7.1.        Wenn ja: Welches und warum?

7.2.        Wenn nein: Warum erfolgt dann die Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf BMS trotz offenkundig fehlendem Anspruch?

8. Welche Sicherungsmechanismen verhindern, dass Menschen unwissentlich nur einen Antrag auf Mindestsicherung stellen und damit auf die bessere Rechtssituation als AMS-LeistungsbezieherInnen verzichten?

9. Was werden Sie unternehmen, um die sinnlose und schikanöse Aufforderung von AMS-MitarbeiterInnen an LeistungsbezieherInnen, in offenkundig anspruchslosen Fällen dennoch Anträge auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung zu stellen, in Zukunft zu unterbinden?