9160/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.07.2011
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Schwentner, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend die Gewährung von Asyl an den per internationalem Haftbefehl gesuchten

ehemaligen guatemaltekischen Polizeifunktionär Javier Estanislao Figueroa Diaz und seiner Familie im Jahr 2008 in Österreich.

 

Infolge der unzureichenden Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 10.3.2011 zur Asylgewährung an den ehemaligen guatemaltekischen Polizeifunktionär Javier Figueroa sind weiterhin einige Fragen offen, die auch für die österreichische Öffentlichkeit von Interesse sind. Aktuell prüfen die österreichischen Behörden das Auslieferungsgesuch der guatemaltekischen Justiz. Im Zuge des Auslieferungsansuchens wurde von guatemaltekischer Seite wiederholt erklärt, dass dem Gesuchten in Guatemala weder Folter noch Todesstrafe drohen. Nicht zuletzt die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) bürgt für die Einhaltung menschenrechtlicher und rechtstaatlicher Standards bei einem Gerichtsverfahren gegen den der außergerichtlichen Hinrichtung in zehn Fällen angeklagten Javier Figueroa. Drei der schwerer Verbrechen angeklagten ehemaligen hohen Funktionäre der Regierung von Óscar Berger (2004 – 2008) flüchteten nach dem Ausscheiden aus ihren Ämtern nach Europa. Der ehemalige Innenminister Carlos Vielmann sowie der ehemalige Polizeipräsident Erwin Sperisen konnten sich in Spanien bzw. der Schweiz aufgrund ihrer doppelten Staatsbürgerschaft niederlassen. Javier Figueroa hat in Österreich politisches Asyl und damit den Status eines anerkannten Flüchtlings erhalten. Dies wirft angesichts der seit seiner Flucht aus Guatemala bekannten und von verschiedenen UN-Institutionen bestätigten schwerwiegenden Verdachtsmomente Fragen auf.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE:

 

 

1.  Aufgrund welchen Asylgrundes aus der Genfer Flüchtlingskonvention Art 1. A Z. 2. wurde Figueroa der Status des Flüchtlings zuerkannt?

Wurden die Asylausschlussgründe ebenfalls überprüft? Falls ja, anhand welcher zugrundeliegender Fakten und mit welchem Ergebnis? Falls nein, weshalb nicht?

2.  Gemäß der Dublin II-Verordnung ist innerhalb der Europäischen Union jenes Land, in dem ein Flüchtling die EU betritt, für das Asylverfahren zuständig. Javier Figueroa ist im Jahr 2007 auf dem Landweg von Deutschland nach Österreich eingereist. Gemäß diesem Grundsatz wäre Deutschland für das Asylverfahren zuständig gewesen. Warum wurde Javier Figueroa nicht in das Land seiner Einreise rücküberstellt, wie so viele andere „Dublin Fälle“ auch?

 

3.  Im Zuge des Asylverfahrens wurden Gutachten und Stellungnahmen unter anderem von guatemaltekischen Menschenrechtsorganisationen eingeholt, die sich, soweit bekannt, hinsichtlich einer Asylgewährung durchgehend ablehnend äußerten. Wurden diese Gutachten im Asylprozess berücksichtigt und falls ja, weshalb beeinflussten diese die Asylgewährung nicht? Falls nein, weshalb wurden diese nicht berücksichtigt?

 

4.  Wurden im Zuge des Asylverfahrens auch Stellungnahmen österreichischer ExpertInnen oder Länderbeauftragen eingeholt, die über vertiefte Kenntnisse zur aktuellen Lage in Guatemala verfügen? Wenn ja, wer waren diese ExpertInnen? Was ergab deren Beurteilung der von Javier Figueroa genannten Fluchtgründe? Wie wurde diese Beurteilungen jeweils begründet? Wenn nein, weshalb wurden keine ExpertInnen herangezogen?

 

5.  Aus welchen Gründen genoss Javier Figueroa in Oberösterreich während seines Asylverfahrens Polizeischutz?

 

6.  In einem offenen Brief[1] vom 27. März 2007 deutete Javier Figueroa an, über belastende Informationen über den damaligen Präsidenten Guatemalas, Óscar Berger, und einige Mitglieder seiner Regierung zu verfügen. Zugleich bekundete er in diesem Schreiben Angst vor seiner Ermordung. Welche Rolle spielten diese beiden Aspekte im Asylverfahren in Österreich, waren diese Hauptgründe für die Asylgewährung?

 

7.  Hatten die österreichischen Asylbehörden Kenntnis davon, dass Javier Figueroa zum Zeitpunkt der Asylgewährung in Guatemala bereits des mehrfachen Mordes und der Gründung einer illegalen Organisation beschuldigt sowie polizeilich gesucht wurde?

 

8.  War den österreichischen Behörden bekannt, dass auch die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) seit 2007 im Fall Figueroa ermittelte? Wenn ja, nahmen die österreichischen Behörden Kontakt zu CICIG auf ? Wussten die österreichischen Behörden zum Zeitpunkt der Asylgewährung, welche Verbrechen Javier Figueroa von der CICIG zur Last


gelegt wurden? Falls nein, weshalb nicht? Falls ja, wie wurde diese Tatsache in der Entscheidung zur Asylgewährung berücksichtigt?

 

9.  Laut Statistik des Bundesasylamts wurde im Jahr 2009 einer weiteren Person aus Guatemala Asyl gewährt.[2] Handelte es sich dabei, wie bereits in Medienberichten erwähnt, um den Bruder von Javier Figueroa? Wenn ja, welche waren in diesem Fall die Gründe für die Asylgewährung gemäß Art 1. A Z. 2.GFK ?

 

10. Wenn ja, handelt es sich bei diesem Bruder um Aldo Stefano Figueroa Diaz? Ist den Behörden bekannt, dass Aldo Stefano Figueroa Diaz ebenfalls von der guatemaltekischen Justiz und der CICIG wegen des Delikts der außergerichtlichen Hinrichtung im „Fall Pavon“, gesucht wird?[3]



[1] http://www.derechos.org/nizkor/guatemala/doc/figueroa1.html

[2] http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Asylwesen/statistik/files/Asyl_Jahresstatistik_2009.pdf

[3] http://cicig.org/index.php?mact=News,cntnt01,detail,0&cntnt01articleid=54&cntnt01returnid=350